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Peters Lebensart

Mögen Sie Kapern?

Peters Lebensart - Mögen Sie Kapern?
© Jessine Hein/Illustratoren

An den kleinen salzig-bitteren Knospen scheiden sich die Geister: Manche picken sie sorgsam vom Teller, andere lieben ihr dezidiertes Aroma.

01.06.2025

Die deutsche und österreichische Küche liefert Klassiker, die ohne Kapern einfach fad wären. Aber nicht nur die populären Königsberger Klopse geben ein kleines Rätsel auf. Wieso vermengte die ostpreußische Hausfrau gewiegtes Kalbfleisch mit Sardellen und Kapern? Wieso toppten k. u. k. Köche ihren Eszterházy-Rostbraten mit der gleichen Kombi, wieso sieht sogar die nostalgische Wiener Garnitur für das ikonische Schnitzel Zitronenscheibe, Sardelle und Kaper vor?

Die Lösung liegt in den selten gewordenen Sardellendöschen, die meist aus Sizilien oder den Balearen stammten und wo jedes Salzfischlein apart um eine Kaper gewickelt war. Sardellen waren in Vorkühlschrankzeiten ein Exportschlager, der gerne mit Fleischgerichten kombiniert wurde. Kapern waren da zunächst eher Zugabe, die einfach mitgeliefert worden war und so zum Einsatz kam. Immerhin, in den Notzeiten der Weltkriege galten sie als so unverzichtbar, dass Kochbücher Ersatz aus selbst gesammelten Löwenzahn-, Gänseblümchen- oder Kapuzinerkresseknospen empfahlen.

Protagonisten sind Kapern hingegen beim Originalrezept für Tiroler Leber. Sie machen die kälberne Edel-Innerei erst zur Tirolerin, korrekter Südtirolerin, denn der Begriff Tirol verwies in historischen Küchenlexika auf privilegierten Zugang zu italienischen Produkten. So ist in der französischen Hochküche eine „sauce tyrolienne“ verblüffenderweise eine Tomatensauce!

Üppige Büschel wunderschöner Blüten

Natürlich spielen Kapern eine wichtigere Rolle dort, wo sie wachsen, also in der maghrebinischen und mediterranen Küche. Auf den abgeholzten Inseln Griechenlands liefert die anspruchslose, noch im kargsten Karst wild wuchernde Pflanze nicht nur Knospen zum Einsalzen, sondern auch Kapernäpfel, die wie seit der Bronzezeit im Sommer gesammelt werden. Ich habe nicht schlecht gestaunt, als mir auf dem Dodekanes Bauernsalat mit Feta, Gurke und komplett eingelegtem Kapernzweig samt Dornen und Blättern serviert wurde – rustikal total!

Wallfahrtsstätte für Kapern-Gourmets sind die Äolischen Inseln. Auf Salina, das Salinen - salz zum notwendigen Konservieren der „capperi“ erzeugte, ist der imposante, halb ins Meer gestürzte Vulkankrater von Pollara mit Pflanzungen kniehoher Kapernbüsche bestückt. Die winzigen Kapern (frz. „non pareilles“), die man meist selbst wässern muss, und die „cucunci“ genannten Kapernäpfel, die gut zu Vitello tonnato passen, gelten als die feinsten der Welt. Wer Kapern bisher nur aus dem spanischen Essiglakegläschen kannte, dem tun sich neue Geschmackserlebnisse auf. Kapernmarmelade mit Malvasiawein, Kapernpesto, das an Tapenade aus grünen Oliven erinnert, ja kandierte Kapern, die als schwarze Perlen mit süßer Ricotta gefüllte Cannoli veredeln. Auch in der Mixology macht sich die Knospe gut und kontrastiert angenehm mit der Herbheit von Campari-Cocktails. Ganz zu schweigen von den Kapern-TomatenSaucen, die Schwertfisch, Kaninchen oder das Honiggemüse Caponata umschmeicheln.

Neugierig geworden? Falls doch nicht, man muss Kapern ja nicht essen, auch wenn sie wegen ihrer Senföle seit der Antike als blutreinigendes Wundermittel gepriesen werden. Man kann sich auch einfach an ihnen erfreuen. Jetzt im Juni öffnen sich kontrastreich selbst an schroffen Mauern üppige Büschel nicht geernteter Knospen zu betörenden Blüten mit einem Ballett langer violetter Staubfäden. Ein spektakuläres Motiv, das ungezählte Fotoschnappschüsse provoziert.