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Peters Lebensart

In fast aller Munde – Rote Be(e)te

Peters Lebensart - In fast aller Munde – Rote Be(e)te
Rote Beete gibt es in zig Varianten. Sie unterscheiden sich in Farbe, Form und Geschmack © Adobe Stock

Welches Kind reißt sich schon um Gemüse wie Brokkoli, Rosenkohl oder Rote Beete? Glücklicherweise werden aus den meisten der kleinen Kohl- und Rüben-Verweigerern später wahre Fans

Peter Peter01.11.2025

Bleiben wir mal bei der Roten Beete – oder auch „Bete“, beides lässt der Duden zu. Die Ablehnung der roten Knollen könnte nicht nur am dezidiert erdigen Geschmack liegen, sondern auch an der Einfallslosigkeit, mit der Generationen die in Süddeutschland und Österreich Rohnen getauften Erdfrüchte vorgesetzt bekamen. Kalt eingelegt aus dem Glas, gern mit Langweilern wie Dosenmais und Weckglasbohnen (für Österreicher: eingerexten Fisolen) zum probaten Beilagensalat kombiniert. Dann lieber hanseatischer roter Heringssalat!

Da hat uns der kulinarische Blick über die Grenzen doch andere Optionen eröffnet. Nicht nur optisch, sondern auch geschmacklich sind blutrote Südtiroler Rahnenknödel oder Schlutzkrapfen, die zur Abwechslung nicht mit Spinat, Erdäpfeln, Topfen oder Trockenbirnen gefüllt sind, ein Hinschauer – dass der Geschmack ins Süße spielt, macht die runden, bis weit in den Winter lagerbaren Rüben so spannend. Anregend könnte auch ein Billiggericht polnischer Milchbars wirken – eine kalte Suppe aus in Fleischbrühe gekochten Beeten, die mit Dill und Sauerrrahm verrührt und so rosa eingefärbt wird. Überhaupt ist der Boom des antioxidantienreichen Superfood auch ein kleiner Triumph der sonst kaum beachteten slawischen Küche. Egal ob man das Vorzeigegericht Borschtsch in der Ukraine, Russland, Belarus oder Polen verortet (und dann natürlich Barszcz schreibt): Rote Rüben sind fast immer essenziell, was schön in der ostpreußischen Bezeichnung Beetenbartsch zum Ausdruck kommt.

 

Beliebt bei Influencern und Starköchen

Der erfolgreichste „Beetroot“-Influencer sitzt in London, wo er Restaurants wie das angesagte Nopi betreibt. Yotam Ottolenghi, israelischer Koch mit deutsch-italienischen Wurzeln, ist vermutlich der meistnachgekochte Lieblingskochbuchautor unserer Gegenwart. In seinen vegetarisch inspirierten Bestsellern setzt er immer wieder Rote Beete ein, aromatisiert mit palästinensischem Za’tar-Gewürz oder verrührt mit Joghurt und Hummus. Ein Grund dürfte neben Geschmack auch die leuchtend rote Farbe sein. Ottolenghis vegetarische und vegane Rezepte wirken ja gerade wegen ihres bunten Kolorits so verführerisch. Mit Rübenfarbenspielen experimentieren auch gemüsebewusste Spitzenköche. Neben den vertrauten schwarzroten Knollen wird in Frankreich die mildere Goldene oder Gelbe Beete kultiviert, in Italien die Chioggia-Rübe. Mit der ringförmigen weiß-blutroten Maserung ihres Fleisches ein echter Hingucker: Carpaccio aus drei Rübenvarietäten, vielleicht noch kombiniert mit bunten alten Kartoffelsorten, ist ein gefundenes Fressen fürs Instagram-Foto. Ein molekularer Gag sind zu fast fleischlicher Umami-Textur gedörrte „rehydrierte“ Beeten, die in Rosenwasser und Rotweinessig leicht aufquellen.

 

Gesund und bunt bereichern sie jede Küche

Man kann Beeten kandieren, man kann sie salzig wie Gurken einlegen. Diese Vielseitigkeit sorgt neben Vitaminreichtum für wachsende Popularität. Gewürfelte Beeten vertragen sich nicht nur farblich bestens mit Obstsalat. Sie sind ein wichtiger Baustein beim Wagnis, reine Dessertmenüs anzubieten, wie es das doppelt besternte Coda in Berlin vorzaubert. Funktioniert nur, wenn man passende Gemüse in die klassische Patisserie integriert. Doch egal wie schlicht oder ambitioniert man die erfreulich preisgünstigen Roten Rüben einsetzt: Ihre plötzliche Beliebtheit steht für einen kulinarischen und diätetischen Paradigmenwandel. Frische ist gut, aber sie ist nicht mehr die einzige Benchmark beim Gemüse. Fermentiertes, Eingemachtes bereichert die Küche um wunderbare und bekömmliche Facetten.

Peter Peter

Peter Peter ist deutscher Journalist und Autor für die Themen Kulinarik und Reise. Er lehrt Gastrosophie an der Universität Salzburg und ist Mitglied der Deutschen Akademie für Kulinaristik. Außerdem schreibt er als Restaurantkritiker der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ und ist Autor einiger ausgezeichneter Kulturgeschichten der europäischen Küche. Im Rotary Magazin thematisiert er jeden Monat Trends rund um gutes Essen und feine Küche.

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