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Queen-Sänger

"Wie ein fürsorglicher älterer Bruder"

Queen-Sänger - "Wie ein fürsorglicher älterer Bruder"

Queen-Frontmann Freddie Mercury — begnadeter Musiker und Sänger © Peter Hince (alle Fotos)

Peter Hince war zehn Jahre lang Chef-Roadie von Queen und begleitete den Aufstieg der Band, der sich Anfang der 1980er Jahre in München vollzog. Hince war begeisterter Fotograf und dokumentierte das berufliche und private Leben der Rocklegenden.

24.11.2021

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Peter Hince im Studio © Peter Hince

Anlässlich des 30. Todestages Freddie Mercurys (24. November 1991) und des 50. Bandjubiläums zeigt Hince nun eine Auswahl seiner Fotografien aus der Münchner Zeit (1979-1985). Zu sehen sind sie vom 26. November bis zum 4. Dezember in der Galerie Stephen Hoffman in München. Wir sprachen vorab mit Hince.

Sechs Jahre lebte Freddie Mercury in München. Manche sprechen von der wichtigsten oder besten Zeit seines Lebens, immerhin entstanden in dieser Zeit fünf Queen-Alben und ein Soloalbum. Sehen Sie das auch so?

Freddie hat nicht sechs Jahre lang in München gelebt – Queen verbrachten in den sechs Jahren von 1979 bis 1985 viel Zeit in München. Vielleicht ein Jahr insgesamt. Aber während dieser Zeit tourten sie auch durch die Welt und nahmen an anderen Orten auf. Ich denke, dass Freddie mit seiner deutschen Partnerin vielleicht sechs bis neun Monate dauerhaft in München gelebt hat. Auf jeden Fall haben sie in dieser Zeit ihre erfolgreichsten Platten produziert, als sie anfingen, mit dem Münchner Produzenten Reinhold Mack zu arbeiten.

Die Zeit in München muss für Freddie auch deshalb so wertvoll und befreiend gewesen sein, weil er hier seine Homosexualität ausleben konnte …

Freddie fühlte sich in München sehr wohl – wie alle von Queen. Niemand störte sie und sie konnten ihr Leben so leben, wie sie wollten. In Zeiten lange vor sozialen Medien oder Telefonkameras.

Er verbrachte aber auch viel Zeit mit Barbara Valentin. Die Wirtin des Heiliggeiststüberls am Viktualienmarkt erzählte einmal, wie Barbara Valentin und Freddie Mercury morgens um viertel nach fünf beim Aufräumen halfen und sich so ihr Weißwurstfrühstück verdienten.

Ich weiß nicht viel über Barbara Valentin, daher kann ich nicht wirklich etwas dazu sagen. Sie war Freddies Freundin in den späteren Münchner Jahren, aber hatte mit Queen nichts zu tun.

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Legendär: die Rockband Queen, die in den 80ern und 90ern die Stadien füllte, mit Peter Hince © Peter Hince

1984 soll Elton John bei seinem Konzert in der Olympiahalle dem im Publikum sitzenden Freddie Mercury den Song "I’m still standing" gewidmet haben, und zwar mit den Worten "Für Melina, die arme Kuh". Was hatte es damit auf sich?

Elton und Freddie waren gute Freunde, also scherzte er wahrscheinlich mit Freddie – dessen schwuler Spitzname Melina war.

Vor 30 Jahren, am 24. November 1991, verstarb Freddie Mercury, und vor 50 Jahren wurde die Band gegründet. Nun würdigen Sie den Queen-Frontmann und die Rockband mit Ihrer Ausstellung. Welche Fotografien zeigen Sie und was verraten uns diese?

Die Fotos in der Ausstellung konzentrieren sich auf Queen in München und diese besonderen Jahre – sie wurden also größtenteils in den Musicland-Studios aufgenommen. Sie spiegeln die Band und ihre Arbeit und den Blick auf die damalige Zeit wider.

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Immer für eine Inszenierung gut — Queen © Peter Hince

Sie waren lange Jahre Roadie der Band und waren Freddie und den anderen darum so nah wie kaum ein anderer. Dabei entstanden auch sehr persönliche Bilder.

Weil ich so lange Freddies Roadie war und wir eine sehr enge Beziehung hatten – es gab eine Menge Vertrauen. Ich glaube also, dass ich intimere Fotos machen konnte als andere.

Erzählen Sie uns gern mal eine Anekdote aus der Münchner Zeit, die nur Sie erzählen können.

Bei der Landung auf dem Flughafen München-Riem wurden wir von einem einheimischen Fahrer mit einem großen Mercedes empfangen, der für die Zeit Freddies persönlicher Fahrer sein würde. Freddie hat nie fahren gelernt. Er hatte kein Interesse daran. Er war ein Rockstar, und Stars wurden gefahren, damit sie sich darauf konzentrieren konnten, kreativ und wunderbar zu sein.

Als wir in seiner Suite im Hilton-Hotel ankamen, wollte sich Freddie nach der Reise frisch machen und ein Bad nehmen. Als er das tat, wies er mich an, im Studio anzurufen und die anderen zu informieren, dass "er selbst" zurück sei.

Während ich auf Fred wartete, hatte ich einen Drink und redete mit seinem Fahrer, als ich Laute aus dem Bad hörte. Mr. Mercury murmelte und summte. Dann rief er aus: "Ratty! (Hinces Spitzname, d. Red.) Komm her, komm her!"

"Fred, du willst, dass ich zur dir ins Badezimmer komme?"

Dann erschien Freddie – noch nass und triefend – in einem Bademantel.

"Nein! Bring mir nur eine Gitarre, ich brauche eine Gitarre, jetzt gleich!"

Ich zog eine alte akustische Gitarre unter einem Sofa hervor, stimmte sie kurz und gab sie ihm.

Er begann, die Saiten D, G und C zu spielen, klopfte dabei mit der Hand rhythmisch auf die Gitarre, wobei er seine Inspiration von irgendwoher bezog, wie es nur Genies wie Freddie Mercury können. Er hatte diese Angewohnheit, mit den Händen an der Seite des Kopfes zu winken, als ob sie Antennen wären, die sich auf eine unbekannte Kraft ausrichten. Plötzlich hatte er es.

"Richtig! Ruf das Studio an und sag ihnen, sie sollen mit allem aufhören. Ich komme und wir werden das jetzt aufnehmen!"

Ich tat, was er mir sagte. 

Ich kann mich nicht daran erinnern, dass Freddie irgendwelche schriftlichen Notizen gemacht hatte, aber als wir ins Studio kamen, war er irgendetwas zwischen hoch konzentriert und hektisch. Er musste das kreative Geschöpf, das er entfesselt hatte, einfangen und zähmen, bevor es für immer entschwinden würde.

Er spielte den Song John Deacon und Roger Taylor auf einer Martin-Gitarre vor. Ihnen gefiel die Idee. Und sie alle begannen sofort mit der Arbeit am Backing Track.

"Wie lautet denn der Titel, Fred?" "Crazy Little Thing Called Love."

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Drummer Roger Taylor - immer für einen Scherz zu haben © Peter Hince

Warum eigentlich findet man bis heute im Münchner Stadtbild kein Denkmal oder einen Hinweis auf Freddie Mercurys große Zeit in der Stadt? Hat München ihn vergessen?

Eigentlich ist Freddie in München sehr gut in Erinnerung geblieben. Es gibt jetzt eine Freddie-Mercury-Straße, und er ist auch auf einem Wandgemälde zu sehen, das berühmte Münchner feiert, Freddie neben Fassbinder und Einstein.

Haben Sie noch Kontakt zu den anderen Bandmitgliedern Roger Taylor, Brian May und John Deacon?

Nein, nicht viel.

Warum trug Freddie Mercury eigentlich ausgerechnet in München diesen merkwürdigen Schnurrbart?

Freddie ließ sich in München zum ersten Mal einen Schnurrbart wachsen – und ich habe das allererste Bild von ihm. Er bat mich, ein Polaroid im Studio zu machen. Das ist in der Ausstellung zu sehen. Er war gerade dabei, sein Aussehen und seinen Stil zu ändern, und der Schnurrbart war damals ein wichtiger Teil des schwulen Looks.

An welchen Münchner Moment mit Freddie erinnern Sie sich am liebsten?

Ich habe so viele schöne Erinnerungen an ihn. Vielleicht hat er sich manchmal auf der Bühne bei mir bedankt – oder mir einfach ein Lächeln oder ein Augenzwinkern der Dankbarkeit geschenkt. Wie ein fürsorglicher älterer Bruder.

Das Gespräch führte Björn Lange


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Ausstellung:
26.11.21–04.12.21 in celebration of Freddie Mercury – „Queen in Munich“ – photographs by Peter Hince, erstmals in Deutschland, Galerie Stephen Hoffman, Promenadenplatz 2 (im Hotel "Bayerischer Hof")


Buchtipp: