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Leser-Reportage

Alpencross mit der Familie

Saskia Wehler ist Fotografin und hat mit ihrem Mann Markus (Mitglied im Rotary Club Ausgburg) und ihren zwei Kindern in diesem Jahr eine Alpencross-Tour unternommen – eine Leser-Reportage.

16.05.2014

»Mit meinem Mann und zwei Kindern wählten wir dieses Jahr eine Alpencrossroute, die uns durch die einsamen Sarntaler Alpen von Sterzing nach Bozen, bzw. bis zum kleinen Ort Terlan führte. Täglich mussten 1000 bis 1600 Höhenmeter hinauf und meist ebenso viele Höhenmeter wieder herunter bewältigt werden.

Der Weg führte über das Penser Joch, mit Weitblick auf die Zentralalpen und in das Sterzinger Becken; weiter auf der Hufeisenroute bis ins Herz der Sarntaler Alpen über grün-graue Hochalmen mit Seeaugen und eiszeitlich geprägten Hochkaren mit schwarz-grauen Schieferbergen.

Übernachtet haben wir in der urgemütlichen kleinen Flaggerschartenhütte am Flaggersee. Als einzige Übernachtungsmöglichkeit weit und breit bot diese Hütte bereits am Nachmittag nur noch Schlafplätze am Boden, sodass bald jeder Quadratmeter Hütte mit Matratzen und Decken belegt war. Nur hier bemerkten wir, dass wir uns die beliebteste Ferienwoche ausgesucht hatten. Nach dennoch gut verbrachter Nacht war das nächste Ziel die Latzfonser-Kreuzhütte, die mit Wallfahrtskapelle am Latzfonser Kreuz eine bilderbuchhafte Idylle mit Blick auf die Zinnen der Geislergruppe vorführt.

Das Latzfonser Kreuz ist auf 2300 Metern eine der höchstgelegenen Wallfahrtsstätten in Europa, wo auch noch Gottestdienste stattfinden. Am letzten Sonntag im September wird der Schwarze Herrgott wieder nach Latzfons getragen, nachdem er im Juni aus der Jakobskirche in Latzfons geholt wurde. Über die Jocherer, Rauschgel- und Villanderer Almen, Latschenfelder und sumpfige Wiesen wanderten wir hinab nach Sarnthein.

Von dort ging es zum Möltner Kaser nach Langfenn, und der Kirche St. Jakob – ein Stück des berühmten E5 Weges. Parkartige Landstriche und Lärchenwälder prägen hier das Relief der Bergwelt. Danach folgt ein langer Abstieg ins Etschtal bis nach Terlan.

Trotz Ferienzeit trafen wir auf diesen Wanderwegen kaum Menschen. In den weiten Hochebenen und in den karstig grauen Steinwüsten schien sich die Wanderschar, die noch auf der Flaggerschartenhütte zur Überbelegung geführt hatte, aufzulösen. Wo saftiges Grün zwischen Wasserläufen und viel Himmel wuchs, trafen wir auf Haflingerherden und Schafe, nicht auf Menschen.

Auch in den Lärchenwäldern, auf dem südlichen Teilstück des E5 nach Verona, begegneten wir niemandem.
Umso weniger hätte einen das Aufkreuzen irgendeines Feenwesens, Trolls oder Hobbits wirklich verwundert. In dem knorrigen, haarig sich windenden Geäst der Lärchen und in den Schluchten, dicht bewachsen mit urwaldartigen Baumwesen, war man leicht gewillt Landschaften aus dem Reich der Orks, Elben und Hobbits zu sehen, ganz ohne 'Herr der Ringe-Fan' sein zu müssen...

Je näher wir Terlan kamen, desto schmaler wurden die Wege. Sie kreuzten zwar eine Passstraße, aber auf den Zwischenstücken schien 30 Jahre niemand gegangen zu sein. Hohes Gestrüpp mussten wir zur Seite schlagen, um den Weg als Weg zu erkennen. Sintflutartiger Regen und ein über der Schlucht polterndes Gewitter tauchten zudem diese steilen Pfade in dunkelstes einsames Waldgrün. Wider Erwarten verließen wir jedoch dieses Reich der Mythen und Sagen ohne bemerkenswerte Begegnungen mit dem Fiktionalen!

In Terlan angekommen beglückten freundliche Palmen vor herrschaftlichen Weingütern aus dem 15. Jahrhundert und beeindruckten, aus den Weinbergen herrausragend, mit aristokratischem Charme.«

(c) Text Saskia Wehler