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Interview

"Impulse und Enthusiasmus in Rotary einbringen"

Interview - "Impulse und Enthusiasmus in Rotary einbringen"
Mitten im House of Friendship in Konstanz: Begegnungen im Umfeld der Deutschlandkonferenz mit RI-Präsidentin Jennifer Jones © Milena Schilling

Jennifer Jones stand dem Rotary Magazin und den Rotaract News auf der Deutschlandkonferenz der Rotaracter Rede und Antwort zu Projekten und Initiativen sowie der Zusammenarbeit von Rotary und Rotaract.

27.03.2023

Woran denken Sie beim Begriff Deutschlandkonferenz oder Deuko?

Hmmh... In letzter Zeit habe ich verschiedene Länder besucht und dabei auch viele Veranstaltungen gesehen. Aber wenn ich dann an einer Rotaract-Veranstaltung wie hier in Konstanz teilnehme, dann ist das wie Batterien aufladen. Es ist wie bei einem Elektroauto, das man  hier bei der Deuko einsteckt und rechargt. Und plötzlich sprudelt die Energie nur so. Ich liebe das: die Impulse und den Enthusiasmus unserer jungen Fachleute — und das, was sie bei Rotary einbringen. Das ist wirklich eine Art von Superkraft.

Rotaract gibt es in der ganzen Welt — aber Sie sind speziell nach Deutschland gereist. Was hat Sie hierher gelockt?

Wir haben hier eine Menge Mitglieder — Rotarier und Rotaracter, deshalb wollte ich hierherkommen. Vorher habe ich einige Freunde gefragt: Wenn ich schon auf dem Weg bin: Wie kann ich am besten Kontakte knüpfen? Wo muss ich dabei sein, um die wenige Zeit optimal für Vernetzung zu nutzen? Wir haben ja Rotarier und Rotaracter in mehr als 200 Ländern und geografischen Gebieten — und ich will noch weitere besuchen. Aber so kamen wir auf die Dutschlandkonferenz mit mehr als 1000 Teilnehmern.

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Bei der Deuko legte die RI-Präsidentin neben Gedanken zu ihrem Jahresmotto auch Gedanken zum Zusammenwachsen von Rotary und Rotaract dar. © Rotary Magazin

Ihr Jahresmotto ist "Imagine Rotary" — hierzulande haben die Rotaracter das übrigens  adaptiert mit "Imagine Rotaract". Wie sind Sie auf Ihr Motto gekommen?

Viele Leute denken, dass ich das Thema "Imagine Rotary" wegen des Liedes von John Lennon gewählt habe. Und ich liebe das Lied, besonders den Teil: "Ihr mögt sagen, dass ich ein Träumer bin, aber ich bin nicht der Einzige." Aber deswegen habe ich das Motto nicht ausgesucht, es wird durch den Song jedoch verstärkt. Ich habe "Imagine Rotary" gewählt, weil es um das Träumen geht, um die Vorstellung jenseits von Grenzen, nicht nur physische. Ich meine auch intellektuelle Grenzen, mentale Grenzen, um unsere größten Träume zu träumen, um alles zu erreichen, was wir anvisieren. Ich möchte, dass die Menschen das Gefühl haben, dass sie über den Tellerrand hinausschauen können, dass alles möglich ist.

Dieses Denken ist das Geschenk, das meine Eltern mir und meinen beiden Brüdern mitgegeben haben: zu wissen, dass wir träumen und alles erreichen können, was wir uns in den Kopf setzen. Sie haben nie gesagt, dass etwas unmöglich ist. Und ich möchte, dass andere Menschen das auch so sehen.

Ein Blick zurück: Mehr als die Hälfte "Ihres Jahres" ist vorüber. Haben Sie Ihre Ziele erreicht?

Nur kurz: Ich habe das Amtsjahr 2022/23 nie als "mein Jahr" bezeichnet. Das war es nie. Es ist unser Rotary, unser Jahr. Und wenn man sich von dieser persönlichen Verantwortung löst, versteht man, dass es um uns alle geht, die wir hier harmonisch zusammenarbeiten. Es ist sowieso ein laufender Prozess. Wir setzen uns Ziele, die wir erreichen wollen, und manchmal übertrifft man sie. Aber manchmal muss man sich eben noch mehr anstrengen, um voranzukommen.

Wichtig war mir in diesem Jahr, unsere Organisation nach außen hin relevant zu machen, damit mehr Menschen außerhalb von Rotary sehen, was wir tun. Und ich habe eine Tour ins Leben gerufen, die "imagine impact tour". Wir schauen an acht Orten große Projekte an und zeigen "People of Action", um den Medien, Journalisten und Social Media Influencern unsere Stories zu erzählen. Wir berichten nämlich viel zu wenig darüber, was Rotary tut. Aber das entwickelt sich.

In ein paar Wochen werde ich einen letzten Tourstopp auf den südpazifischen Inseln einlegen, um zu zeigen, was unsere australischen und neuseeländischen Rotarier auf einer der entlegensten Inseln des Pazifiks in Sachen Immunisierung tun. Wir werden also ein paar Kameraleute und ein Medienteam mitbringen. Und unsere Partner von Unicef und unsere Freunde von Global Citizen helfen auch, Aufmerksamkeit zu erzeugen.

Ihre Amtszeit geht ja noch ein bisschen länger. Welche Ziele visieren Sie noch an? Ist da noch ein Vorhaben offen?

Jennifer Jones suchte überall das Gespräch. Hören Sie hier einen Ausschnitt aus dem Interview mit der Antwort auf die vorangestellte Frage.

Mehrere. Es gibt immer noch eine Reihe von Vorhaben, auf die ich mich konzentrieren möchte. Eines der wichtigsten Dinge ist das Verständnis von Kontinuität in der Führungsarbeit. Daher konzentriere ich mich sehr darauf, dem neuen Präsidenten zu helfen, seine Ziele zu formulieren und ihn vorzubereiten, so dass es einen Übergang gibt. Ein Beispiel dafür: Präsident elect Gordon McInally legt großen Wert auf psychische Gesundheit und mentales Wohlbefinden. Das passt perfekt zu dem, was wir in diesem Jahr in den Clubs angestoßen haben. Gordon wird auch weiterhin über das Wohlbefinden und die Betreuung unserer Mitglieder sprechen, wie wir uns umeinander kümmern. Wie steht es um unsere eigene psychische Gesundheit und die der Menschen um uns herum? Die Präsidentschaft muss also nicht nur einen Anfang und ein Ende haben, sondern auch eine Fortführung der Arbeit, um nicht jedes Jahr etwas Neues zu machen oder zu ändern, sondern auf Vorheriges aufzubauen.

Wenn Sie an die Zukunft denken: Wo steht Rotary und welche Aufgaben werden Rotarier in den nächsten Jahren haben?

Eines der Themen, die ich auch auf der Deuko angesprochen habe, ist: Wir haben die Vorstellung, dass Mentoring eine Beziehung ist, in der es einen Mentor und einen Mentee gibt und zudem ein Hierarchiedenken. Ich glaube aber, dass wir dass Thema aus einer Cross-Mentorship-Perspektive betrachten müssen. Es gibt so viel Wissen aus der Sicht der jüngeren Berufstätigen und so viel Wissen aus der Sicht der langjährigen Rotarier, das geteilt werden sollte. 

Rotaracter haben ihr ganzes Leben lang als Digital Natives gelebt. Sie haben jetzt schon Zugang zu mehr Informationen, als ich es jemals hatte. Und sie besitzen die Fähigkeit, die Dinge globaler zu sehen. Rotaracter sind stärker vernetzt als viele Rotarier. Und Rotaract reagiert schneller als der Rest der rotarischen Familie. Dazu haben die Rotaract Clubs Geschlechtergerechtigkeit erreicht. Was bedeutet das also für Rotarier und wie kann es uns alle weiterbringen?

Ich habe Anfang des Jahres einen Rotaracter aus Japan getroffen. Er sagte: Wir sehen nicht das Geschlecht, wir sehen die Fähigkeiten. Toll! Aber wie bringen wir diejenigen unserer eher traditionell ausgerichteten Rotary Clubs, die das anders sehen, genau dahin?

Wenn Sie darüber sprechen, auf Augenhöhe zu agieren: Wo sehen Sie Rotaract in fünf Jahren?

Eine sehr interessante Frage. Wenn ich von einer perfekten Welt träumen dürfte: Ich weiß, dass Rotaract autonom bleiben möchte, um das Leben aus Sicht der Jungen zu gestalten. Aber eine viel engere Beziehung zu Rotary wäre mein Traum. Ich würde es gerne sehen, wenn sich Rotaract Clubs zu Rotary Clubs entwickeln würden.

Ich schätze sehr, dass die Rotaracter verstehen, was es bedeutet, Teil unserer Organisation zu sein. Und auch, dass Rotaracter sich in der Zukunft weiter engagieren wollen. Ob es nun darum geht, einem Rotary Club beizutreten, ob es darum geht, einen aktiven Rotaract Club aufrechtzuerhalten, der gemeinsam altert — ich möchte Rotaract näher an uns binden. Denn unsere Statistiken sagen: Nur fünf Prozent kommen in einen Rotary Club. Woran liegt das? Ist Rotary nicht attraktiv genug? Finden sie keinen Club, der zu ihnen passt? Oder liegt es daran, dass man ins Berufsleben einsteigt, dass man eine Familie gründet? Rotaracter können meiner Meinung nach viel besser Grenzen respektieren  als andere. Sie verstehen, dass Familie und Arbeit an erster Stelle stehen und unser ehrenamtliches Leben danach kommt. Da können wir voneinander lernen.

Meine Mutter war übrigens in den Sechzigern Präsidentin eines Rotary Clubs. Und es war großartig, ihre Entwicklung als Führungskraft zu beobachten. Und so hoffe ich für uns alle, dass wir in jedem Jahrzehnt unseres Lebens etwas in Rotary finden, das uns hilft, unser Leben zu bereichern.

Sie haben die Deuko als eines der größten und erfolgreichsten Rotaract-Events erlebt: Kann sie ein Beispiel, ein Vorreiter sein für Veranstaltungen dieser Art in anderen Ländern?

Ja, absolut. Die einzige andere größere Veranstaltung, an der ich aus Sicht von Rotaract teilgenommen habe, war in Indien, mit einem Distrikt mit rund 29.000 Rotaractern. — Aber Rotaract ist in den verschiedenen Teilen der Welt unterschiedlich. In Nordamerika, wo ich lebe, ist Rotaract eher institutionell und nicht gemeinschaftsorientiert. In Europa ist es eher umgekehrt — und häufig viel erfolgreicher. Denn nach ein paar Jahren auf dem College oder an der Universität verlassen viele Rotaract, weil sie das nächste Kapitel ihres Lebens in Angriff nehmen. Das ist bei kommunal geprägten Clubs anders, das lernen wir gerade. Darüber werde ich vor allem mit Rotaract Clubs sprechen.

In Australien testen Rotarier dagegen gerade neue Organisationsstrukturen. Was kann dabei herauskommen?

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Vielumjubelt: Jennifer Jones in Konstanz im Plenum © Milena Schiliing

Wir haben zwei Pilotprojekte, die testen sollen, wie Clubs und Distrikte mehr Flexibilität erhalten können, indem sie sich  anders organisieren. Australien und Neuseeland ist der eine Teil der Welt, indem wir uns ausprobieren, Rotary in Großbritannien und Irland ist der andere. Die Distrikte dort haben ein paar Jahre Zeit, um Dinge zu testen und zu sehen, ob es funktioniert oder nicht. Das sind zwei Regionen, in denen wir mit Mitgliederschwund zu kämpfen haben, sowohl bei Rotaract als auch bei Rotary. Die Chance, jetzt etwas zu ändern und zu sehen, ob es funktioniert, ist die Chance, etwas zu lernen.

Was kommt für Sie jetzt? Wohin geht es in den nächsten Monaten?

Ich stehe am Beginn einer zweimonatigen Reise. Mein Mann wird mich begleiten. Wir waren zur Commonwealth-Woche in Großbritannien, haben ein Treffen mit dem Parlament und eine Veranstaltung mit dem Presseklub absolviert, dazu einen Empfang im Buckingham Palast mit König Charles.

Wir werden zunächst nach Spanien reisen und viele unserer rotarischen Familienmitglieder in mehreren Städten treffen. Wir werden wohl auch mit dem spanischen König zusammentreffen, um ihn über unsere Arbeit zu informieren.

Dann werden wir nach Fidji reisen für das Südpazifik-Projekt mit den Impfungen. Kurz danach haben wir in Kapstadt eine wirklich spannende Veranstaltung, wo wir die Champions of Inklusion Awards verleihen. Da wir uns in diesem Jahr auf Vielfalt, Gleichberechtigung und Inklusion konzentrieren, möchte ich einen besonderen Schwerpunkt darauf legen. Die Veranstaltung findet in Zusammenarbeit mit der Lea and Desmond Tutu Foundation statt und wir werden sechs Preisträger auszeichnen. Und dann geht es nach Johannesburg, um auch dort mit der Mandela Foundation zusammenzuarbeiten, die gerne eine engere Beziehung zu Rotary aufbauen möchte.

Dieser Tage habe ich übrigens mit einem Designer in Südafrika überlegt, was ich bei diesen Anlässen tragen werde. Es gibt eine Künstlerin, die ein Gemälde zum Thema Inklusion entwirft und es in Stoff umwandelt. Und daraus wird dann ein Hosenanzug. Auch das gehört zur Arbeit als weibliche Präsidentin. Das ist vielleicht ein bisschen anders als bei meinen männlichen Kollegen, aber es macht auf jeden Fall viel Spaß.

Welche Tätigkeiten als Präsidentin sind ansonsten Ihre liebsten?

Bäume pflanzen zum Beispiel. Ich war Anfang des Jahres mit Rotaractern in Uganda und wir sind in einen abgelegenen Teil des Landes gefahren und haben dort Bäume gepflanzt. Das war eine wirklich tolle Möglichkeit, Zeit miteinander zu verbringen, Spaß zu haben und gleichzeitig etwas zu tun, das den Planeten Erde stärkt. So etwas ist immer gut.

Und dann: Die Unterschiede aufheben. Ich bin 56 und die meisten unserer Rotaracter sind Anfang zwanzig bis Mitte dreißig. Wir haben aber die Chance zu erkennen, dass wir in vielem gleich und gar nicht so verschieden sind. Wir können jederzeit unsere Ideen miteinander teilen.

Und ich liebe es, in einem Raum mit viel Energie zu sein! Am liebsten lasse ich Musik auflegen und alle tanzen wild drauf los: aufstehen und mitmachen und sich von der Energie im Raum mitreißen lassen! Das begeistert und macht glücklich.

Wenn Sie wieder in Kanada sind: Was werden Sie tun, um sich zu erholen?

Ich freue mich darauf, zumindest für eine kurze Zeit in unser Familienstrandhaus zu gehen. Ich habe dort einen schönen Stuhl, in dem ich gerne mit einem guten Buch sitze. Und ich freue mich darauf, dass mein Hund neben mir sitzt und ich ein wenig Zeit damit verbringen kann, über alles nachzudenken, was in diesem Jahr geschehen ist. Mein Mann hat über alles, was wir tun, ein Tagebuch geführt. Aber um ehrlich zu sein: Es gibt so viele Gespräche, so vieles, das ich nicht festhalten konnte, dass ich mich erst mal hinzusetzen muss und wahrscheinlich Wochen und Monate damit verbringen werde, über alles nachzudenken.

Ich werde ab dem 1. Juli zudem Trustee sein und mich auf die Foundation konzentrieren. Im nächsten rotarischen Jahr werde ich also nochmal viel lernen. Ich treffe mich mit allen: von den Rotakids über Interact und die Rotaracter und Rotarier bis hin zu Staatsoberhäuptern und allem, was dazwischen liegt. —  Ich weiß nicht konkret, was als Nächstes kommt, aber da wird was sein... Ich wünschte, ich hätte eine Kristallkugel (lacht).

Das Gespräch führten Annika Budde, Benedikt Hauswirth und Sabine Meinert.

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