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Aktuell

Im Zoom der Zeit

Aktuell - Im Zoom der Zeit
Für die Übersetzung der WHO-Projekttexte und -videos traf sich eine Arbeitsgruppe: Ingrid Maaß, Sonja-Maria Klauss, Andrea Becht, Michael Scheer, Clemens Witt © RC Berlin Potsdamer Platz

Wie der Rotary Club Berlin Potsdamer Platz auf Corona reagiert: unbürokratisch, direkt, persönlich, schnell. Im Fokus der Unterstützung stehen global operierende Institutionen wie die WHO, aber auch Kulturträger auf Bali.

17.06.2020

Lesen Sie hier den Bericht aus dem Club:

"Verstreut über das gesamte Stadtgebiet Berlins treffen wir uns regelmäßig zu unseren Meetings. Trotz Corona. Natürlich nicht im Hotel Marriott am Potsdamer Platz, wo wir gewöhnlich sitzen. Sondern wir sitzen nun, jede und jeder für sich auf dem selbst erwählten Platz. Vereinzelt, zusammengeführt im digitalen Raum. Dank Zoom. Das betreiben wir sehr konsequent und recht diszipliniert. Unsere Beobachtung: Die Präsenzzahlen im digitalen Raum sind höher als im realen. Das lässt über neue Meeting-Tableaus nachdenken. Und doch, und da sind wir uns, auch nach interner Umfrage, alle einig: Diese Form virtuellen Treffens ist kein Ersatz physischer Meetings: 'Alles wirkliche Leben ist Begegnung.' (M. Buber)

Die geschlossenen Türen eines Hotels haben uns ins offene Netz geschubst. Und in der Tat, hier muss sich jeder wieder aufs Neue seinen eigenen Platz suchen. Die Positionierung zwischen Vielfalt von Möglichkeiten, Flexibilität und Verbindlichkeit fordert jeden persönlich heraus, verbunden mit Vertrauensfragen an und in unterschiedlichen Räumen. Jede und jeder richtet sich in diesem Raum selbst neu ein. Das bindet Energien – aber es setzt auch neue frei.

Und so entschlossen wir uns als Rotary Club Berlin Potsdamer Platz, die eigenen Türen zu öffnen mit der Frage: Wer braucht jetzt akut und sofort Hilfe, die wir als Club über das Wissen aus persönlichen Netzwerken direkt und unbürokratisch leisten können. Dank Vielfalt und Gemeinsinn unseres Clubs, ließ sich innerhalb kürzester Zeit entscheiden und veranlassen, was global operierenden Institutionen, wie die der Weltgesundheitsorganisation WHO, bis hin zu einem lokalen Träger traditionsreicher Kultur auf Bali helfen kann. Von Hands-On-Aktionen bis zu spontanen Spenden mit Zielrichtung für Gesundheit, Soziales und Kultur.

Online Hands-on-Aktion für die WHO

Der WHO kommt inmitten der Corona-Pandemie eine besondere Bedeutung und auch Rolle zu. So klärt die WHO über das Coronavirus auf und gibt Tipps, wie sich Menschen vor einer Infektion schützen können. Das macht die WHO weltweit und in vielen Sprachen. Auf der offiziellen Website fehlten jedoch bei einigen der mehrsprachigen Info-Materialien zu Corona die deutschen Übersetzungen.

Mitglieder und Freunde des Rotary Clubs Berlin Potsdamer Platz, die auf der Suche nach geeigneten Lehr-Videos zum Thema Corona und nach einer Möglichkeit auch zu Corona-Zeiten aktiv zu helfen waren, ergriffen spontan die Initiative und boten der WHO Unterstützung in Form von deutschen Übersetzungen an. Umgehend nahm die Organisation das Angebot an und bat konkret um die Übersetzung von englischen Lehr-Videos zu Corona ins Deutsche, die für Interessierte auf ihrer Online-Lern-Plattform OpenWHO bereitgestellt werden. Hier erklären WHO-Experten online unter anderem Symptome und Infektionswege des Coronavirus und was jeder Einzelne tun kann, um sich selbst und andere zu schützen. Interessierte können sich kostenlos für eine Vielzahl von Aufklärungskursen in mehreren Sprachen zu verschiedenen Themen – wie aktuell Corona – online anmelden.

Im Rotary Club formierte sich schnell eine 'WHO-Arbeitsgruppe', die sich in Übersetzer und Sprecher für die verschiedenen Lehr-Videos unterteilte. Im ersten Arbeitsschritt wurden mehrere Fach-Präsentationen und Transkripte von einem Teil der Gruppe ins Deutsche übersetzt, die im Anschluss als Audio-Dateien von den restlichen Gruppenmitgliedern besprochen wurden. Freund Scheer, der die Aktion auf Seiten Rotarys koordinierte, fasst die Online-Hands-On-Aktion zusammen: 'Alle Beteiligten waren sich über die insgesamt gut 70 investierten Arbeitsstunden einig: Die Aktion hat allen viel Spaß gemacht – insbesondere verbunden mit dem Gefühl, als Team innerhalb von Rotary einen individuellen und geeigneten Beitrag für eine Organisation wie die WHO in diesen Zeiten leisten zu können.'

Link zur offiziellen Website der WHO-Lernplattform: openwho.org
Link zum Projekt: openwho.org/courses/einfuehrung-to-COVID-19/items/39coH8ZcpdrSv4JSfTdQMf

Ersatz für gemeinsames Speisen: Gemeinsam spenden

Und zwar für die Überlebenshilfekiste von ShelterBox und Schutzausrüstungen für Kliniken und Krankenhäuser in der Region Bergamo.

Bedingt durch die coronabedingten Auflagen und Vorschriften schickte uns das Hotel Marriott seit Mitte März an den privaten Esstisch anstelle der Verköstigung am gemeinsamen Meeting-Tisch. Jeder versorgt sich also selbst auf eigene Kosten. Aber anstelle des Einspargedankens, der in normalen Zeiten anfallenden Hotelgebühren kam Freund Back die Idee, dieses Geld in von jedem selbst bestimmter Höhe zu spenden. Und siehe da: Es funktionierte. 4.620 Euro kamen bislang zusammen, die wir zu gleichen Teilen zwei uns nahestehenden Projekten spendeten.

Mit einer Shelterbox kann eine Familie zunächst überleben: Zelt, Kocher, Werkzeug, Lampe etc. sorgen dafür. © Shelterbox

2.310 Euro gingen an den ShelterBox Germany e.V.. ShelterBox hilft notleidenden Menschen in Krisen- und Katastrophengebieten weltweit - schnell und effektiv. Seit Gründung im Jahr 2000 hat die internationale Organisation schon mehr als 1,5 Millionen Menschen in 97 Ländern mit Nothilfe unterstützt. Viele Einsätze werden von ehrenamtlichen ShelterBox Response Teams begleitet, die die Verteilung der Hilfsgüter vor Ort koordinieren, den Einsatz im Nachgang evaluieren und dafür sorgen, dass die Spendengelder verantwortungsvoll eingesetzt werden. Zu den Hilfsgütern gehören unter anderem Zelte, Decken, Wasserfilter, Moskitonetze, Solarlampen, Geschirr und vieles mehr. Sehr häufig erhalten Betroffene sogenannte 'ShelterKits', die Werkzeuge und Planen enthalten, damit die Betroffenen eigenständig mit dem Wiederaufbau von Unterkünften beginnen können. Für Menschen, die aufgrund von Konflikten oder anderen Katastrophen obdachlos geworden sind, stellt das Coronavirus eine neue und tödliche Bedrohung dar. Millionen von Familien auf der ganzen Welt haben kein sicheres Zuhause und damit auch keine Möglichkeit, sich und ihre Kinder zu schützen. Viele von ihnen haben keinen oder nur eingeschränkten Zugang zu medizinischer Versorgung. Es gibt oft keine Möglichkeit zur sozialen Distanzierung, wenn es nicht genug Decken gibt, die Kinder warmhalten. An regelmäßiges Händewaschen nicht zu denken, wenn kein sauberes Wasser vorhanden ist. Und auch die Zubereitung nahrhafter Mahlzeiten stellt die Betroffenen vor Hürden. In diesen Situationen hilft ShelterBox.

www.shelterbox.de/corona-pandemie/

Den zweiten Teil unserer umgewandelten 'Essensspende' schicken wir nach Italien, in die Region um Bergamo in der Lombardei, die sich bis zuletzt als Epizentrum der COVID-19-Pandemie in Italien zeigt. Aus unserer hiesigen Sicht ist es dabei kaum vorstellbar, wie dort unter Bedingungen des Mangels an vielen medizinischen Verbrauchsgütern immer noch in teils schnell errichteten Not-Krankenhäusern um menschliche Leben gekämpft wird.

Freunde aus einem Dutzend Rotary Clubs in und um Bergamo (Distrikt 2041) engagieren sich im Projekt 'Bergamo X Bergamo' durch die Generierung von Spenden und deren schnellen Eins-zu-Eins-Umsetzung für die bedarfsabhängige Beschaffung von Verbrauchsgütern, wie Masken oder Einmalkitteln. Diese kommen nicht nur dem medizinischen Personal in den Gesundheitseinrichtungen zugute, sondern auch den vielen ehrenamtlichen Helfern, die sich in der Krise in ihrem Umfeld sozial engagieren (unter anderem auch Rotaracter, die dort beispielsweise Nahrungsmittel zu Menschen bringen). Wir unterstützen die Akteure vor Ort mit unserer Spende ganz direkt und ohne Verwaltungs- und Bearbeitungskosten.

 Strom und Wasser für eine traditionsreiche Kulturinstitution in Indonesien

Wimmelbildartige Szenen auf den Straßen von Ubud, der Künstlerkolonie auf der Paradies-Insel Bali. Die Blumenmeere der Märkte, knatternde Roller in engen Gassen, die metallen-perkussiven Klangteppiche der Tempellandschaften. Szenen wie aus einer anderen Zeit – der Zeit vor Corona.

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Die Straßen in Ubud und anderen Orten auf Bali sind leer.
© Ingrid Allwardt

Jetzt ist es still. Die Straßen gespenstisch leer. Wie vom Erdboden verschluckt die farbenfrohen geselligen Zeremonien, mit denen die Einheimischen ihren Göttern huldigten. Verschwunden auch die Touristen auf der Suche nach dem Zauber der Insel. Die Ruhe, die diese hier einst suchten, ist nun eine andere: überlebensbedrohlich bei traumhafter Naturkulisse. Bali, die Insel der abertausend Tempel (pura) als lebendige Stätten der Verehrung und des Gebets. Die gelebte Spiritualität in der praktizierten Form des Hinduismus ist für die Einheimischen Motor und Straße zugleich, bestimmt sie das Leben vom Morgen zum Abend, von Geburt über Tod zu Wiedergeburt. Ein vom morgendlichen Opferritual bis zum abendlichen Einschlafen religiösen Regeln gewidmetes Leben mag uns hierzulande fremd oder gar bizarr erscheinen, doch für die Balinesen stellt es weder Zwang noch Schranke dar. Es ist ihnen Rückhalt und Stütze in einer sich wandelnden Welt. Sicherlich auch ein Grund, warum die Balinesen sich auch in modernen Zeiten ihre Traditionen und ihre Identität bewahrt haben. Sie glauben an die allmächtigen Kräfte der Natur und an die Beseeltheit der Umwelt sowie die Verehrung der Ahnen. Sie sind stets ersucht mit den vergöttlichten Vorfahren in dauernder Verbindung zu bleiben, was in zahlreichen Zeremonien zum Ausdruck gebracht wird.

Allen religiösen Zeremonien und Ritualen gehen Tänze voraus, mit denen sie die

Gottheiten und die Vorfahren willkommen heißen, die in diesen Momenten herabsteigen. Den Auftakt bilden oft Tänze voller Grazie und Anmut. Es gibt strenge Regeln, welcher Tanz zu welcher Zeremonie ausgeführt werden darf. Sie vermitteln wichtige religiöse und soziale Botschaften. Sie halten uralte Volksepen lebendig, kommunizieren das Wertesystem, bringen das Gute wie das Böse zur Anschauung und setzen, jenseits von Didaktik, auf Vermittlung grundlegender sozialer Botschaften. “Gut” und “Böse” gelten im Kosmos der Einheimischen als gleichwertige Kräfte – es geht immer darum, sie in Balance zu halten. Die Balinesen erkennen das Dämonische als Teil ihrer Welt an, ohne dabei in Schwarz-Weiß-Muster zu verfallen.

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© Semara Ratih

Diesen Ausdruck durch eine lebensdurchtränkte Kunst zum Ausdruck zu bringen braucht jahrelanges Lernen, Disziplin und Körperbeherrschung bis ins kleinste Detail. Jede Fingerbewegung, jedes Augenrollen, die Mimik und Koordination der einzelnen Gliedmaßen sind genau festgelegt und werden von Lehrenden zu Lernenden weitergegeben. Es ist eine unfassbare Leistung, all diese Bewegungen isoliert voneinander und gleichzeitig zu bewältigen. Es braucht ein jahrelanges Studium, in dessen Verlauf erst allmählich bei aller Formalität der eigene Ausdruck entsteht: um die transzendentale Qualität des Ausdrucks, bei dem es darum geht, Kontakt zu einer anderen Welt aufzunehmen – und alle Generationen mitzunehmen.

Begleitet, gestützt und getragen, werden diese Tänze durch Musik. Live. Immer ist eine Formation dabei, die organisiert ist wie unsere Orchester, aber doch ganz anders kommuniziert. Diese Gamelan-Musik gehört zu den faszinierendsten musikalischen Schöpfungen und bedeutenden Musiktraditionen der Welt. Es handelt sich um höchst komplexe Rhythmus- und Melodiestrukturen, die auch westliche Komponisten und Musikproduzenten fasziniert und beeinflusst haben. Diese Musik hat eine lange Tradition, die aber im Gegensatz zu vielen anderen Musikvermächtnissen von der oralen Weitergabe lebt: von Mensch zu Mensch. Das macht sie besonders – und aktuell besonders schützenswert. Denn sie ist bedroht.

Die Institution 'Gamelan Semara Ratih' bildet ein Zentrum der Künstlerkolonie. Seit drei Jahrzehnten befasst sie sich sorgsam mit diesem kulturellen Erbe auf allen Ebenen: Zeremonien, Rituale, Nachwuchsausbildung, Situierung und Pflege der Kultur im eigenen Land, aber auch Performances für Touristen auf hohem Niveau.

Wir wissen aus engen persönlichen Kontakten von Freundin Ingrid Allwardt, dass auch hier zur Zeit alles stillsteht. Damit wenigstens Strom und Wasser fließen können, haben wir uns entschlossen, derlei Kosten für ein halbes Jahr zu übernehmen und Unterstützung bei der Anschaffung von Medikamenten und ärztlicher Versorgung zu übernehmen. Mit einer Summe in Höhe von 1000 Euro unterstützen wir den Überlebenskampf von 'Gamelan Semara Ratih'.

www.semararatih.org

All diese Aktivitäten sind innerhalb kürzester Zeit als Idee entstanden und prompt umgesetzt worden: unbürokratisch, direkt und auf persönlichen Kontakten basierend. Wir freuen uns, welche Nähe in Corona-Zeiten auch im Zwischenmenschlichen - physisch auf Abstand gehalten - entstehen kann und nehmen diese positive Erfahrung, die uns vielleicht selbst etwas überrascht hat, mit in die Zukunft. Nichtsdestotrotz fiebern wir der Zeit gemeinsamen Treffens im realen Raum entgegen."

Ingrid Allwardt