Diskussion
Ist mehr Bio-Landwirtschaft eine verantwortungsvolle Strategie?
Ein Plädoyer für eine verantwortungsvolle (nachhaltig intensive) Landwirtschaft von Herbert Ströbel
Der Ökologische Landbau wird in Gesellschaft und Politik weithin als idealer Weg zur Bewältigung der vielfältigen Herausforderungen in Landwirtschaft und Ernährungssicherung angesehen. Mit dem Papier "Is more organic farming a responsible strategy? An appeal for responsible (sustainable intensive) agriculture" untersucht Autor Herbert Ströbel, inwieweit diese Sichtweise realistisch ist, und zwar anhand von Kriterien wie Landnutzung, Treibhausgasemissionen, Biodiversität, Lebensmittelqualität, Produktion, Umweltkosten, Rückgang des Fleischkonsums, Bedarf an Agrarimporten und weltweite Verfügbarkeit von Ackerland.
Die Analyse bestätigt, dass der Biolandbau pro Hektar weniger Treibhausgase ausstößt und mehr Biodiversität fördert als die konventionelle Landwirtschaft. Aufgrund deutlich geringerer Hektarerträge benötigt der Ökolandbau jedoch etwa zwei Hektar, um den gleichen Ertrag zu erzielen wie ein Hektar konventionelle Landwirtschaft. Der zusätzliche Flächenbedarf für den Ökolandbau geht zu Lasten natürlicher oder naturnaher Landnutzung wie Wälder, Naturschutzgebiete oder Kurzumtriebsplantagen, die sehr hohe Mengen an Treibhausgasen binden und eine deutlich höhere Artenvielfalt aufweisen. Dieser entgangene Nutzen durch mehr Flächenbedarf muss dem Ökolandbau zugerechnet und als Opportunitätskosten in die Bewertung einbezogen werden. Der positive Effekt des Ökolandbaus bei Betrachtung pro Hektar, verwandelt sich zu einem deutlich negativen Gesamteffekt, wenn der entgangene Nutzen, das heißt die Opportunitätskosten, vollständig berücksichtigt werden. Dieser negative Effekt verstärkt sich noch, wenn die deutlich höheren Produktionskosten des Ökolandbaus berücksichtigt werden. Sowohl der höhere Flächenbedarf als auch die höheren Produktionskosten resultieren vor allem aus dem willentlichen Verzicht auf moderne Technologien wie den Einsatz synthetischer Dünge- und Pflanzenschutzmittel und moderner Züchtungsmethoden. Die umfassende Bewertung zeigt, dass der ökologische Landbau erhebliche negative Auswirkungen auf Klima, Umwelt, Lebensmittelsicherheit und Lebensmittelkosten hat und nur geringe und dazu weitgehend umstrittene Vorteile in Bezug auf Lebensmittelqualität, Geschmack und Pestizidrückstände bietet. In einer Welt, in der die landwirtschaftliche Bodennutzung begrenzt werden sollte, die Nachfrage nach Lebensmitteln nicht nur hoch ist, sondern weiter steigt, und in der die Kaufkraft eines großen Teils der Bevölkerung für Lebensmittel begrenzt ist, eignet sich der ökologische Landbau daher nicht als Modell für die Zukunft.
Die Analyse von Herbert Ströbel kommt daher zu dem Schluss, dass eine technologieoffene Weiterentwicklung einer nachhaltigen intensiven konventionellen Landwirtschaft in Verbindung mit einer moderaten Reduktion des Fleischkonsums der geeignetste Ansatz ist, um die zentralen Ziele einer wirklich verantwortungsvollen Landwirtschaft zu erreichen. Das entwickelte Modell einer nachhaltigen intensiven Landwirtschaft erkennt die positiven Impulse des ökologischen Landbaus an, aber beinhaltet ausdrücklich den Einsatz und die Weiterentwicklung aller verfügbaren Technologien, um landwirtschaftliche Flächennutzung, Treibhausgasemissionen, Verlust an biologischer Vielfalt und die Umweltwirkungen zu minimieren und gleichzeitig die Weltbevölkerung kostengünstig und sozialverträglich mit qualitativ hochwertigen, gesunden und erschwinglichen Lebensmitteln und anderen landwirtschaftlichen Produkten zu versorgen.
Einsatz und Weiterentwicklung aller ertragssteigernden und flächensparenden Technologien wie Dünge- und Pflanzenschutzmittel sowie die moderne Pflanzenzüchtung, verbunden mit einem starken Engagement zur Minimierung negativer Umweltwirkungen, erfüllen die Kriterien einer wirklich verantwortungsvollen Landwirtschaft weitaus besser als die hoch subventionierte und auch sonst stark geförderte Ausweitung des ökologischen Landbaus. Wissenschaft, Politik und Verwaltung sollten sich daher, ohne wertvolle Zeit zu verlieren, auf zukunftsfähigere Formen der Landwirtschaft konzentrieren und die verfügbaren finanziellen und personellen Ressourcen vor allem darauf ausrichten, die bestehende konventionelle Landwirtschaft so zu verbessern, dass sie in ökologischer, ökonomischer und sozialer Hinsicht noch nachhaltiger wird.
Mehr zum Nachlesen:
- Executive Summary in Deutsch – vollständiger Text:
https://www.herbert-stroebel.info/_files/ugd/e73ca8_2687bcbf34b8475a9f1b6415bb1188ac.pdf - Executive Summery in English – complete text:
https://www.herbert-stroebel.info/_files/ugd/e73ca8_ae289b7ca20741f895c761faa042e12e.pdf - Complete Publication in English:
https://www.mdpi.com/2071-1050/16/10/4114
Prof. Dr. Herbert Ströbel ist Agrarökonom und lehrte von 1978 bis 2011 Angewandte Landwirtschaftliche Betriebslehre an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf. Er befasst sich seit den 1970er Jahren mit der deutschen und internationalen Agrarentwicklung und war in einer Reihe von internationalen Entwicklungs- und Forschungsprojekten tätig, unter anderem in Kenia. Anfang der 1990er Jahre initiierte er den Internationalen Masterstudiengang Agrarmanagement. Außerdem konzipierte und leitete er eine Vielzahl von internationalen Projekten zur landwirtschaftlichen Ausbildung an Universitäten und Fachschulen und zum Aufbau landwirtschaftlicher Beratungs- und Informationsdienste, vor allem in Afrika und in Ländern Osteuropas und Zentralasiens. Für seine internationale Tätigkeit wurden ihm unter anderem zehn Ehrendoktoren bzw. Ehrenprofessuren sowie das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen. Seit 1997 ist Herbert Ströbel Mitglied des RC Ansbach.