Was bei Praktikumsverträgen zu beachten ist
Ein besonderes Verhältnis
Viele junge Menschen, ob Schülerinnen, Schüler oder Studierende, absolvieren in jedem Jahr weit mehr als 1 Million Praktika in Deutschland. Beim Praktikum steht zwar die Ausbildung im Vordergrund, der Praktikumsgeber kann aber vom Praktikanten auch eine Arbeitsleistung fordern. Der starke Anstieg von Praktikumsverhältnissen in den letzten Jahrzehnten hat dafür gesorgt, dass diese jungen Persönlichkeiten heutzutage zutreffend als „Generation Praktikum“ bezeichnet werden. Rechtlich bedeutsam ist, die zwei Hauptarten von Praktikumsverhältnissen voneinander zu unterscheiden. Denn diese können zum Teil höchst unterschiedliche Rechtsfolgen nach sich ziehen. Zum einen gibt es die Praktikumsverhältnisse mit Bezug zur Schule oder Hochschule, zum anderen die Praktikumsverhältnisse ohne Schul- bzw. Hochschulbezug. Jede Schülerin und jeder Schüler hat während der Schulausbildung ein verpflichtendes Schülerpraktikum zu absolvieren. Erlasse und Richtlinien regeln in den einzelnen Bundesländern ein solches Pflichtpraktikum. Schülerinnen und Schülern soll durch ein derartiges verpflichtendes Praktikum die Möglichkeit verschafft werden, das Arbeits-, Berufs- und Wirtschaftsleben näher kennenzulernen. Rechtlich gesehen handelt es sich nur um eine in einem Betrieb stattfindende Schulveranstaltung. Das ist juristisch sehr bedeutsam, weil dadurch nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts nach einem Grundsatzurteil aus dem Jahr 1974 das Berufsbildungsgesetz, welches insbesondere Auszubildenden spezielle Schutzrechte einräumt, auf verpflichtende Schülerpraktika nicht anwendbar ist. Denn es entsteht kein Ausbildungsvertrag zwischen Schüler und Praktikumsgeber. Auch Studierende sollen während des zeitlich befristeten Praktikums Fertigkeiten, Kenntnisse, Fähigkeiten und berufliche Erfahrungen sammeln. Das Urteil des Bundesarbeitsgerichts von 1974 ist ebenfalls das Grundsatzurteil für das verpflichtende Studierendenpraktikum mit Hochschulbezug. Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts kann das Berufsbildungsgesetz als Bundesgesetz nicht die Berufsausbildung regeln, die den Hochschulgesetzen der einzelnen Bundesländer unterliegt. Sofern also ein verpflichtendes Studierendenpraktikum aufgrund einer Studienordnung als Bestandteil der jeweiligen Hochschulausbildung anzusehen ist, soll das Berufsbildungsgesetz nicht gelten. Das hat weitreichende und nach Ansicht des Verfassers aktuell sehr bedauerliche Folgen für Studierende als Praktikanten in verpflichtenden Studierendenpraktika. Daneben existieren die verschiedenen Praktikumsverhältnisse ohne Schul- bzw. Hochschulbezug. So können auch Schüler während der Schulzeit ein oder mehrere freiwillige Praktika absolvieren, um nach Schulabschluss besser entscheiden zu können, welche Berufs- oder Hochschulausbildung sie anstreben wollen. Ebenfalls können Studierende zusätzliche freiwillige Praktika machen in der Hoffnung, dadurch ihre Startchancen für einen direkten Berufseinstieg ohne Zeitverlust nach erfolgreichem Abschluss des Studiums zu erhöhen. Außerdem sind das Vorpraktikum vor Beginn des Studiums sowie das Nachpraktikum nach erfolgreichem Examen oft üblich. Bei diesen beiden Praktikumsverhältnissen fehlt der Bezug zur Hochschule, da die Praktikanten weder beim Praktikum vor Beginn der Hochschulausbildung, noch nach dem bestandenen Examen an einer Hochschule immatrikuliert sind.
Anwendbares Recht
Zu unterscheiden ist erneut zwischen dem Praktikum ohne Hochschulbezug und dem verpflichtenden Praktikum mit Hochschulbezug. Das freiwillige Schülerpraktikum fällt nach § 26 BBiG als sogenanntes „Anderes Vertragsverhältnis“ unter das Berufsbildungsgesetz. Dann sind nach § 26 BBiG auf ein derartiges Praktikum die §§ 10 bis 23 BBiG sowie 25 BBiG anwendbar. Wichtigste Rechtsnorm für Praktikanten ist § 10 Abs. 2 BBiG. Danach sind auch auf freiwillige Praktikumsverhältnisse grundsätzlich die für einen Arbeitsvertrag geltenden Gesetze und Rechtsgrundsätze anwendbar. Das gilt auch für das Vorpraktikum sowie das Nachpraktikum, weil auch bei diesen Arten mangels Immatrikulation kein Bezug zu einer Hochschule besteht. Auf ein verpflichtendes Schülerpraktikum ist das Berufsbildungsgesetz zu recht nicht anwendbar. Es handelt sich um eine Schulveranstaltung, und der Praktikant sowie der Praktikumsgeber schließen keinen Praktikumsvertrag ab. Dagegen sieht die rechtliche Situation beim verpflichtenden Studierendenpraktikum während der Hochschulausbildung anders aus. Zwar gehen das Bundesarbeitsgericht seit dem Grundsatzurteil von 1974 und in weiteren späteren Urteilen sowie die herrschende Meinung in der Rechtsliteratur bis heute davon aus, dass auf verpflichtende Studierendenpraktika nur die jeweiligen Studienordnungen sowie die landesrechtlichen Bestimmungen für Hochschulen gelten. Daher soll das Berufsbildungsgesetz auf diese Praktikumsverhältnisse nicht anwendbar sein. Dieser Meinung kann aber schon deshalb nicht gefolgt werden, weil die Studierenden Praktikumsverträge mit den Praktikumsgebern üblicherweise schriftlich abschließen und aus Sicht des Verfassers das Privatrecht, hier insbesondere das Bürgerliche Recht sowie das Arbeitsrecht als Sonderprivatrecht zur Anwendung kommen müssen. Allein schon die unterschiedlichen Rechtsfolgen, ob freiwilliges oder verpflichtendes Studierendenpraktikum, sind immens. Handelt es sich um ein freiwilliges Praktikum, ob Vorpraktikum, Nachpraktikum oder ein fakultatives Studierendenpraktikum, gelten dafür nach §§ 26, 10 Abs. 2 BBiG auch die Arbeitsgesetze und arbeitsrechtlichen Rechtsgrundsätze. Das bedeutet z.B., dass Praktikumsgeber mit Praktikanten im Praktikumsvertrag auch Regelungen über eine angemessene Vergütung oder Urlaubstage zu vereinbaren haben. Es gelten außerdem weite Teile des Berufsbildungsgesetzes, so dass beide Vertragsparteien z.B. Regelungen über Probezeit zu treffen und rechtliche Normen zur Kündigung zu beachten haben. Da das Arbeitsrecht mit seinen vielfältigen Gesetzen Anwendung findet, gelten zum Beispiel auch das Arbeitszeitgesetz oder das Entgeltfortzahlungsgesetz. Das ist bis heute vielen Praktikumsgebern und Praktikanten nicht bewusst.
Rechtliche Folgen
Diese positiven rechtlichen Folgen sollen allerdings nicht für das verpflichtende Studierendenpraktikum mit Hochschulbezug gelten, weil nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts sowie der herrschenden Meinung in der Rechtsliteratur das Berufsbildungsgesetz auf derartige Praktika aktuell keine Anwendung findet. Diese rechtliche Situation ist aus der Sicht des Verfassers nicht vertretbar. Dadurch entstehen gravierende soziale Missstände, weil manche Praktikanten bei Pflichtpraktika leider von den Praktikumsgebern als preiswerte oder kostenlose Arbeitnehmer genutzt werden. Um diese sozialen Missstände zu beseitigen, müssen alle Praktikantinnen wie Praktikanten rechtlich gleich behandelt werden, ob diese nun verpflichtende oder freiwillige Praktika absolvieren.Fazit: Für das Vorpraktikum vor dem Studium und das Nachpraktikum nach erfolgreichem Studienabschluss gelten die Arbeitsgesetze und die arbeitsrechtlichen Rechtsgrundsätze zumindest über §§ 26, 10 Abs. 2 BBiG. Denn der Praktikumsgeber und der Praktikant schließen einen Vertrag ab, der als „Anderes Vertragsverhältnis“ im Sinne des § 26 BBiG anzusehen ist. Dasselbe gilt auch für ein freiwilliges Studierendenpraktikum ohne Hochschulbezug, obwohl solche Praktikanten an einer Hochschule immatrikuliert sind. Im Gegensatz zum Bundesarbeitsgericht und der herrschenden Meinung in der Rechtsliteratur muss auch für Studierende bei einem verpflichtenden Studierendenpraktikum mit Hochschulbezug über § 26 BBiG im Rahmen des „Anderen Vertragsverhältnisses“ das Berufsbildungsgesetz zur Anwendung kommen. Klarheit kann hier der Gesetzgeber dadurch schaffen, indem er das Berufsbildungsgesetz dahingehend ändert, dass Teile des Berufsbildungsgesetzes künftig auch für verpflichtende Studierendenpraktika mit Hochschulbezug gelten.