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Modernes Stadtmarketing am Beispiel Münsters

Schick verpackt reicht nicht

Gutes Stadtmarketing ist nicht „City in der Tüte“, also bloß attraktive Verpackung, sondern das Organisieren von Gemeinsinn?

Bernadette Spinnen12.02.2013

Der erste (und leider häufigste) Fehler ist der: Stadtmarketing mit bloßer Stadtwerbung gleichzusetzen. Dabei geht es beim klassischen Marketing darum, das eigene Produkt so zu entwickeln, dass es sich von der Konkurrenz abhebt und die Kunden dazu bewegt, sich für eben dieses Produkt zu entscheiden. In der Betriebswirtschaftslehre nennt das Klaus Backhaus vom Marketing Center Münster den „komparativen Konkurrenzvorteil“. Den Sinn des Stadtmarketings in Münster begreifen wir darin, möglichst viele verschiedene Menschen dazu zu bewegen, sich für unsere Stadt zu entscheiden. Solche Entscheidungen erfolgen in der Regel, ohne dass wir besonderen Einfluss nehmen könnten. Das heißt, jede Kundenentscheidung beruht auf dem, was man an unserem „Produkt“ erkennen kann: eben die (vorteilhaften) Eigenschaften der Stadt Münster. Diese sichtbarer zu machen hilft freilich. Aber etwas anderes muss vorausgehen: die Arbeit daran, das Produkt im Vergleich zur Konkurrenz tatsächlich besser zu machen. Dazu fragen wir uns zunächst, für wen wir Münster besser machen wollen. Ohne die Kenntnis unserer „Anspruchsgruppen“ (Heribert Meffert) ist ein effektives Marketing nicht möglich. Also: Wer soll sich für diese Stadt entscheiden? Dazu zwei Beispiele: Städtereisen sind Trend. Wer schon in Berlin, München und Hamburg war, möchte vielleicht eine kleinere, aber ebenso attraktive Stadt besuchen. Das Ehepaar oder die Familie sollen sich statt für Bremen, Freiburg oder Lübeck für Münster entscheiden. Münster hat acht Hochschulen und die viertgrößte Universität in Deutschland. Renommierte Wissenschaftler, die sich ihren Arbeitsplatz auf der ganzen Welt aussuchen können, werden dringend gesucht. Ein wichtiges Argument bei der Auswahl ist der Standort: Gelingt es dem Wissenschaftler, seine Familie davon zu überzeugen, dass Münster eine gute Wahl für alle ist? Die gleiche Frage stellt sich für andere Anspruchsgruppen: für Unternehmen, für junge Studierende, die nicht in einer langweiligen Stadt leben wollen, und nicht zuletzt auch für die Bürger der Stadt selbst. Wer sich um Attraktivität bemüht, muss wissen, für wen und für wessen Bedürfnisse er das tut.

Es liegt auf der Hand, dass Werbung allein keine Antwort darauf geben kann. Ein Flyer ändert nichts an der Substanz. Eine Stadt kann ihre Wettbewerbsvorteile nur dann sinnvoll entwickeln, wenn alle Beteiligten eng zusammenarbeiten. Zum Beispiel: Um ein bevorzugter Kongress-Standort zu sein, braucht es nicht nur eine geeignete Halle, sondern ebenso eine passgenaue Hotellandschaft mit angemessenen Preisen und eine optimale Erreichbarkeit. Oder: Um eine Innenstadt mit Anziehungskraft für das Umland und für Touristen von überallher zu schaffen, braucht es mehr als die Anstrengungen eines städtischen Planungsamtes. Vielmehr müssen Handel, Eigentümer, Gastronomen, der ÖPNV, die Stadtgestaltung und viele einzelne Fachkompetenzen zusammenarbeiten. In die Terminologie der Betriebswirtschaftslehre übersetzt: Nur im „Management der Anspruchsgruppen“ (Professor Meffert) einer Stadt sind Wettbewerbsvorteile zu entwickeln, die man anschließend kommunizieren kann. Gutes Stadtmarketing ist nicht „City in der Tüte“, also bloß attraktive Verpackung, sondern das Organisieren von Gemeinsinn. Dazu einige Beispiele für unsere Arbeit in Münster:

Münster ist kein 1A-Kongress-Standort. Das sind Berlin, München, Hannover und Städte ähnlicher Größe. Wir haben zwar ein Messe- und Congress-Centrum; aber wer gemeint hatte, wenn man es nur ausreichend bewerbe, strömten die Kongressveranstalter in unsere Stadt, der sah sich getäuscht! Wir haben uns daher gefragt: Wer sind überhaupt die Kongressveranstalter? Wer sind unsere Konkurrenten und wo sind sie besser als wir? Und schließlich: Wie entwickeln wir unseren Wettbewerbsvorteil?
Die exakte Analyse ergab folgendes: Unsere Kunden, die Kongressveranstalter, kommen aus der Wirtschaft und vor allem, zu etwa 80 Prozent, aus der Wissenschaft. Und das Wichtigste: Die Menschen, die entscheiden, ob ein Kongress in Münster stattfindet, sind Bürger unserer Stadt, Angehörige der Hochschulen, die sich regelmäßig mit der (meist eher lästigen) Frage konfrontiert sehen, wo ihr nächster Kongress stattfinden – sprich, ob sie als Ausrichter fungieren sollen.

Zusammenbringen der Entscheider

Was nun könnte diese Menschen daran hindern, „bei sich zu Hause“ zu tagen? Die einfache Antwort: Die Sorge, damit überfordert zu sein. Und statt auf brauchbare Informationen, stoßen sie zudem oft auf folkloristische Legenden, die im Zweifel gegen ihre Heimatstadt sprechen: „In Münster kann man keinen großen Kongress veranstalten“ – faktisch können hier Kongresse mit bis zu 3000 Personen organisiert werden. Oder: „Das Messe- und Congress-Centrum ist eine ehemalige Viehauktionshalle und riecht streng“ – faktisch handelt es sich um ein hochmodernes und elegantes Haus. Etc. etc. Schließlich mussten wir lernen, dass der Kunde den Standort als Ganzen bewertet. Ein noch so schönes Gebäude lockt nicht, wenn die Stadt schlecht erreichbar, die Hotelkapazität zu gering, die Preise zu hoch sind etc. Und das hieß: Ob ein Kongressmarketing erfolgreich ist, hängt von allen ab, die von Kongressen profitieren: vom Veranstaltungsort, von den Hotels, dem ÖPNV, dem Flughafen, den Hochschulen. Daher mussten alle, die die KongressInitiative Münster bildeten, gemeinsam an der Verbesserung unseres Produktes arbeiten.

Um die Entscheider aus Wissenschaft und Wirtschaft dazu zu bewegen, ihren Kongress in unsere Stadt zu holen, fungiert jetzt bei Münster Marketing ein Kongressbüro (kostenfrei) als Ansprechpartner. Wir nehmen Arbeit ab, schulen Mitarbeiter und informieren potentielle Veranstalter jährlich in eigenen Informations-Trips über Möglichkeiten der Kongress-Stadt Münster. Alle Partner unserer KongressInitiative bringen dazu das Budget auf; wir entscheiden gemeinsam über die Marketingmaßnahmen und bewerten sie. In Deutschland hat dieses Projekt bereits Vorzeigecharakter.

Und ein zweites Beispiel: das Citymanagement für unsere Innenstadt. In einem integrierten Stadtmarketing- und Stadtentwicklungsprozess haben Politik und Bürger vor Jahren ein Entwicklungsziel für unser Zentrum formuliert: „Wir werden das unverwechselbare Stadtbild bewahren und die City als Ort der Begegnung, als Marktplatz und als Motor der Stadtentwicklung stärken.“ Unser gemeinsames Ziel ist es, eine attraktive Innenstadt zu entwickeln, in der gehandelt, flaniert und gelebt wird und die ein Magnet für Gäste ist. Es geht nicht allein darum, den Handel zu fördern. Es geht vielmehr um die dauernde Arbeit an der Attraktivität der Stadt für alle. Auch das ist nur im Management von Einzelinteressen möglich. Denn mangelnder Service in den Läden und renovierungsbedürftige Gebäude schmälern ebenso die Attraktivität der Stadt wie schmutzige Straßen oder mangelhafte Verkehrsinfrastruktur.

Die Innenstadt Münsters hat sich in den letzten zehn Jahren hervorragend entwickelt. Sie zieht Gäste von weither an und wird von ihren Bürgern heiß geliebt. Sie zeigt ihre lange Geschichte und funktioniert zugleich als moderne City. Das alles ist Resultat einer Gemeinschaftsleistung, das Ergebnis einer konsequent betriebenen Kooperation zwischen der Stadt und allen Innenstadtakteuren. Zwei große Bündnisse von Eigentümern, Händlern und Gastronomen investieren in engstem Schulterschluss mit Stadtmarketing und Stadtverwaltung ihr privates Geld und vor allem ihr Engagement und ihre Kreativität in die Stadtentwicklung. Auf diese Weise sind uns zahlreiche Optimierungsmaßnahmen in der Innenstadt und im Bahnhofsviertel gelungen, so etwa ein passgenaues Lichtkonzept für die Nachtansicht, große profilbildende Veranstaltungen im öffentlichen Raum, die Einrichtung von Kinderbetreuungsangeboten, der Einsatz von Servicekräften oder das Baustellenmanagement. Vor allem aber gewinnt unser Standort durch den vertrauensvollen Umgang miteinander und den Verzicht auf die Durchsetzung von Einzelinteressen. Und der Erfolg gibt uns Recht: Alle Kennziffern, von der Zentralität bis zur Kaufkraft, sind über dem Durchschnitt; Münster liegt auf Platz drei im Ranking der deutschen Wirtschaftsstandorte. Also noch einmal: Stadtmarketing steckt nicht die City in die Tüte, sondern bindet wichtige Teile der Stadtgesellschaft in eine organisierte Zusammenarbeit und verpflichtet sie auf ein gemeinsames Bild der Stadt.

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Bernadette Spinnen
Bernadette Spinnen  (RC Münster Westfalen) gründete 2001 Münster Marketing, ist seitdem dessen Leiterin und außerdem stellvertretende Vorsitzende der Bundesvereinigung City- und Stzadtmarketing Deutschland e.V. www.muenster.de/stadt/tourismus