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Nachfolge im Mittelstand

Was Du heute kannst besorgen …

Jürgen Rilling16.12.2013

Der Mittelstand ist das Herzstück der deutschen Wirtschaft, der Motor für Wachstum und Beschäftigung. Soweit, so gut!. Doch die Zukunftsaussichten sind wenig rosig: Das Institut für Mittelstandsforschung in Bonn (ifm) schätzt, dass in den kommenden fünf Jahren rund 110.000 Familienbetriebe, die wiederum Arbeitgeber für rund 1,4 Millionen Beschäftigte sind, vor der Übergabe stehen. In einer aktuellen Studie berichtet der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK), dass vier von zehn deutschen Firmen der Nachfolger fehlt. Jüngste Untersuchungen zeigen auch, dass Nachfolgen in der Regel erst mit mehrjährigem Verzug geregelt werden. Daraus entstehen erhebliche Risiken für Betriebe, Unternehmer und Mitarbeiter sowie deren Familien und im weiteren Sinne auch für Städte, Regionen und die gesamte Volkswirtschaft. Das mittelständische „Nachfolgeproblem“ stellt somit eine nicht zu unterschätzende Herausforderung dar.

Bei der Suche nach den Ursachen für das Nachfolge-Dilemma wird oft den Unternehmern der schwarze Peter zugeschoben. Doch der Patriarch, der sein Lebenswerk nicht loslassen kann, ist sicher nicht der einzige Grund für den Nachfolgestau.

Die Gründe für eine Verschärfung des Nachfolgeproblems in den vergangenen Jahren sind weitaus vielschichtiger. Eine der Ursachen liegt sicher in der demographischen Entwicklung. Zunächst einmal heißt „weniger Kinder“ natürlich auch „weniger potentielle Nachfolger“. Neben dieser Grundproblematik sind es vor allem die langen Wartezeiten, die zum oben beschriebenen Nachfolgeaufschub führen. Grund hierfür ist der seit Jahrzehnten fortschreitende Trend zum „späten Kinderkriegen“ sowie die allgemein zunehmende Komplexität in Technik und Wirtschaft, die eine längere Ausbildung der Nachfolger (in Schule/Universität und „on the job“) erfordert. Letztendlich sind damit viele Unternehmer auf unbestimmte Zeit zum „Nicht-Loslassen“ gezwungen, wenn sie sich die Option der familiären Übergabe offen halten wollen.

Präventive Maßnahmen

Die allgemein später geplante Übergabe macht es jedoch umso mehr erforderlich, Präventivmaßnahmen für den Fall der „spontanen Nachfolge“ (z.B. bei Krankheit oder Tod) zu ergreifen. Vertretungsvollmachten, Stellvertretungsregelungen etc. sind jedoch bis heute in kleineren und mittleren mittelständischen Betrieben nur äußerst unzureichend etabliert. Die Einführung solcher präventiver Maßnahmen wird zwar allgemein als wichtig angesehen, oft aber mangels Dringlichkeit und anderer Prioritäten im Tagesgeschäft vernachlässigt. Für den Fall des Ausfalles ist entsprechend die Katastrophe nach der Katastrophe oft vorprogrammiert. Auch die Etablierung einer zweiten Führungsebene, die notfalls das Unternehmen interimistisch führen kann, ist hier ein sinnvoller Ansatz, zumal dies auch zumeist zu einer allgemeinen Entlastung des Unternehmers führt.

Auch soziologische Aspekte spielen beim Nachfolgeproblem eine entscheidende Rolle. So wurde früher die Bereitschaft der nächsten Generation zur Betriebsübernahme schlicht als gegeben vorausgesetzt. Heute fühlen sich jedoch potentielle Nachfolger in der Regel nicht mehr verpflichtet, ihr Leben dem elterlichen Familienbetrieb zu widmen. Sie setzen auf Selbstverwirklichung und wählen ihren Beruf nach Interessen, Neigungen und Stärken. All diese Faktoren führen dazu, dass familiäre Nachfolger häufig gar nicht oder erst mit großer Verzögerung zur Verfügung stehen.

Schwierige Abwägungen

Insofern rückt die Option einer externen Nachfolgelösung – also des Verkaufs – in den Vordergrund. Doch der Verkauf des Familienbetriebs stellt für die Unternehmer häufig eine ungeliebte Option dar. Einen unangenehmen Beigeschmack verursacht z.B. die vermeintliche Wahrnehmung als „Ausverkauf“ durch das Umfeld. In diesem Zusammenhang ist auch die allgemeine Diskussion um Corporate Responsibility (CR) bzw. Corporate Social Responsibility (CRS) relevant. Bei der familienfremden Übergabe muss verstärkt auf Nachhaltigkeit geachtet werden. Der Verkauf an das bestehende Betriebsmanagement, ein sogenannter Management Buy Out (MBO), oder externe Manager (Management Buy In, MBI), kann beispielsweise in diesem Zusammenhang als interessanter Lösungsansatz gesehen werden. Eine andere Möglichkeit ist der Verkauf an strategische Käufer. Will man hier jedoch dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit Rechnung tragen, ist ein aufwändiger Analyse- und Auswahlprozess vonnöten. Die Einbindung von Experten ist in Verkaufsfällen meist hilfreich: zum einen aus Gründen der Diskretion, zum anderen zur Professionalisierung des Prozesses und zur Entlastung des Verkäufers. Voraussetzung für den Verkauf an Dritte ist jedoch immer eine entsprechende Attraktivität des Unternehmens.

Auch wenn ein Nachfolger in der Familie existiert: Die Nachfolgeregelung bleibt dennoch ein schwieriger Prozess. Neben der Neigung ist natürlich auch die Eignung des Juniors, bzw. ein gewisses Alter Grundvoraussetzung für eine nachhaltige Übergabe. Sind jene Voraussetzungen erfüllt, erfordert auch diese Art der Übergabe ein klares Vorgehen mit dem Ziel der Übertragung der verantwortlichen Unternehmensführung zu einem absehbaren Zeitpunkt – trotz oder gerade wegen der familiären Beziehungen. Zwar gibt es Beispiele für eine längerfristige gemeinsame Unternehmensführung über mehrere Generationen hinweg. Ausnahmen bestätigen aber bekanntlich die Regel. Ein klarer Schnitt entspricht auch mehr der Natur der Nachfolge, dem Unternehmen durch den Wandel Chancen auf neue Impulse zu geben.

Aber auch der Alt-Unternehmer sieht sich in einer veränderten Gesamtsituation. Die Deutschen werden immer älter – und bleiben dabei immer länger fit. Ein 65-jähriger gehört heute längst nicht zum alten Eisen. Bei der Unternehmensübergabe müssen also auch seine Perspektiven geklärt und berücksichtigt werden. Das Nicht-Loslassen-Können ist in Anbetracht des anstehenden Verlustes des Lebenswerkes und damit auch einem nicht unerheblichen Teil des Lebensinhaltes, eine nur allzu verständliche Reaktion. Angedachte Nachfolgelösungen sollten daher auch immer diesem Aspekt Rechnung tragen. Zumal der komplette Austritt des Unternehmers den Betrieb seiner umfassenden Erfahrung und Kontakte beraubt – eine vermeidbare Verschwendung von Ressourcen! Eine Möglichkeit, eine inhaltlich attraktive Perspektive für den „Alt-Unternehmer“ zu schaffen, ist ein Platz im Unternehmensbeirat. Ein solcher Beirat kann übrigens auch im Qualifizierungs- und Auswahlprozess des Nachfolgers, bzw. Käufers bereits wertvoll unterstützen. Voraussetzung ist dabei jedoch, den Beirat mit wirklich unabhängigen Experten zu besetzen, denn der jahrzehntelange Freund der Familie wird z.B. selten eine objektive Beurteilung zur Eignung des Nachwuchses abgeben können.

Demographische und soziologische Veränderungen machen die mittelständische Unternehmernachfolge zum allgemeinwirtschaftlichen Problem. Denn auch wenn die familieninterne Nachfolge immer noch die favorisierte Lösung im Mittelstand ist – deren Realisierung wird immer schwieriger. Von der schönen Vorstellung, Betrieb und Unternehmensführung automatisch auf die nächste Generation zu übertragen, müssen wir uns verabschieden. Vielmehr gilt es, langfristig auf betrieblicher und familiärer Ebene Konzepte zu entwickeln, die die Perspektiven für alle Beteiligten berücksichtigen und die Nachhaltigkeit unabhängig von einer spezifischen Nachfolgelösung ins Zentrum der Entscheidungen stellen. Der Unternehmer muss sich also frühzeitig mit seinem geplanten oder ungeplanten Ausscheiden, bzw. seinem „Leben danach“ auseinandersetzen und sich Optionen aufbauen.

Und wenn es dann doch klappt mit der Tochter oder dem Sohn – umso besser.

Jürgen Rilling

Jürgen Rilling (RC München-Englischer Garten) ist Gründer und Geschäftsführer der Mirablau Equity & Services GmbH in Gräfelfing. 2013 erschien deren Studie „Herausforderungen bei Unternehmensnachfolgen für mittelständische Unternehmen im Jahr 2013“.

mira-blau.com