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Tutzing half bei Rotary-Start in Vietnam

Aktuell - Tutzing half bei Rotary-Start in Vietnam
Heitere Charter-Szene: Charterpräsident Vu Minh Anh (Vierter von links), President Elect Emilie Cruickshank (Dritte von rechts), Sekretär Christian Brendel (Zweiter von rechts) und weitere Mitglieder des RC Saigon International © RC Saigon International

Das war ein wahrhaft weltumspannendes rotarisches Ereignis: Vietnam ist zurück in der rotarischen Gemeinschaft. Nach über 46 Jahren Pause wurden die ersten beiden Rotary Clubs in Vietnam gechartert – unter aktiver Mitwirkung des RC Tutzing.

17.07.2021

Nach Kriegsende 1975 gab es für eine Neugründung zahlreiche Anläufe, etwa aus Australien, USA und auch vom zuständigen Distrikt 3350 in Bangkok. Die Bemühungen scheiterten regelmäßig an den unterschiedlichen Vorstellungen der vietnamesischen Regierung und Rotary International: Die Rechtslage im kommunistischen System Vietnams sieht eine direkte Informationspflicht an staatliche Stellen und Weisungsbefugnis gegenüber NGOs und lokalen Serviceorganisationen vor. Rotary International dagegen möchte unpolitisch bleiben, seine eigenen Statuten wie auch seine Entscheidungssouveränität verwirklicht sehen.

Einen Versuch, diese unterschiedlichen Positionen zu vereinen, starteten im Sommer 2020 drei Deutsche: Anh Vu Minh, der als Kind mit der Cap Anamur nach Deutschland kam, hier Politologie studierte und mittlerweile eine etablierte Reiseagentur für europäische Unternehmens- und Regierungsdelegationen in Vietnam führt; Christian Brendel, ein erfolgreicher Anwalt für Gesellschaftsrecht mit Kanzleien in Saigon, Nha Trang und Hanoi sowie Wolfgang Czizegg, Mitglied im RC Tutzing.

Als Experte für Gesellschaftsrecht hatte Christian Brendel einen Ausweg in der vietnamesischen Gesetzgebung entdeckt. Statt eines Vereins oder einer Nichtregierungsorganisation (NGO) sollte Rotary ein "Social Enterprise", also eine gemeinnützige Gesellschaft, anmelden. Im Gegensatz zu NGOs oder Vereinen ist ein "Social Enterprise" nicht berichtspflichtig gegenüber den Ministerien, sondern nur dem Finanzamt. Das Management der Gesellschaft ist frei in seinen Entscheidungen, die rotarischen Regeln und Werte können im Innenverhältnis voll umgesetzt werden. Spenden und Mitgliederbeiträge werden nicht besteuert, können zweckgebunden eingesetzt werden, und auch Überweisungen von Gebühren an den Distrikt 3350 in Thailand sind erlaubt.

Mit grünem Licht aus Evanston für diese Konstruktion erweiterte sich der Kreis der Mitstreiter und Mitstreiterinnen enorm. Neben dem bis vor kurzem amtierenden RI-Präsidenten Holger Knaack und seiner Crew kamen nun auch der verantwortliche Distrikt 3350 mit PDG Jason Lim und weitere Aktive der letzten Jahre mit an Bord. Das Konzept wurde nochmals auf den Prüfstand gestellt, zunächst sehr kritisch beäugt und letztlich von allen Beteiligten als aussichtsreich beurteilt.

Bis Mitte Juni wurde in Saigon nun nahezu Tag und Nacht an den Antragsdokumenten gearbeitet, mit den Behörden verhandelt und intern diskutiert. Insgesamt waren über 100 Unterschriften der mittlerweile gewonnenen Gründungsmitglieder notwendig - die Formalien innerhalb von Rotary International für die Charter gar nicht mitgerechnet

Kurz vor Ablauf des Rotary-Jahres wurden gleich zwei Clubs gleichzeitig in Saigon gechartert: ein rein vietnamesischer Rotary Club (RC Saigon) und ein internationaler Rotary Club (RC Saigon International). Das erste offizielle Meeting feierten die Mitglieder zusammen mit ihren Gästen aus Thailand, USA, Indien, Deutschland, Schweiz, Brasilien und Italien zwar nur virtuell über Bildschirm; die Freude war dennoch groß.

Als Sponsor-Clubs haben sich der RC Bangkok Bangna und der RC Tutzing bereit erklärt, den Mitgliedern der jungen Clubs beim Aufbau ihrer Organisation mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. Und diese Unterstützung wird auch dankbar angenommen, wie die aktuelle Kommunikation in Icebreaker-Sessions, Gruppenchats oder Komitee-Meetings zeigt.

Entsprechend der Altersstruktur Vietnams ist das jüngste Mitglied des RC Saigon International gerade einmal 27 Jahre (Vietnamese), das älteste 63 Jahre (Österreicher) alt, der Altersdurchschnitt liegt bei 39 Jahren. Alle Mitglieder sind sehr gut ausgebildet - oft mit Auslandsstudium -, sind gut vernetzte Entrepreneurs mit Start-Ups, Unternehmensführer oder bekleiden andere leitende Funktionen. Ein bemerkenswerter Mix von Menschen mit Erfahrung und einem einzigartigen Esprit.

All das war möglich, weil viele Rotarierinnen und Rotarier weltweit ohne kulturelle oder hierarchische Barrieren eng miteinander am selben Ziel gearbeitet haben. Ein historisches Projekt, das die beiden Clubs, Tutzing und Bangkok Bangna, auch in Zukunft begleiten.

Wolfgang Czizegg