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… und es hat Zoom gemacht

Rotary Aktuell - … und es hat Zoom gemacht
Am Flughafen, im Krankenhaus, im Auto als Beifahrer – Konferenzsoftware macht die Teilnahme an Clubmeetings fast überall möglich. © Illustration: Martin Künsting

Technische Innovationen wie Online-Meetings sind keine Notlösungen, sondern bereichern das Clubleben und binden Mitglieder – hier müssen wir dranbleiben.

01.08.2023

Diversity, Equity and Inclusion (DEI) – das ist die Formel, mit der Rotary International die Clubs für die ganze Bandbreite gesellschaftlicher Bereiche öffnen will. Beim Council on Legislation (CoL) 2022 wurde eine entsprechende Richtlinie verabschiedet. Dabei geht es keineswegs nur um People of Color oder LGBTQ, sondern um für Rotary ganz naheliegende Gruppen: alte und kranke Rotarierinnen und Rotarier, junge Eltern, Alleinerziehende, Berufstätige im Schichtbetrieb oder Freunde, die häufig auswärts unterwegs sind. Ihnen allen ist gemeinsam, dass sie nicht immer zum Meeting kommen können, selbst wenn sie es wollen. Ein Grund ist, dass ihre Clubs nicht die Möglichkeiten nutzen, die die Digitalisierung heute ohne großen Aufwand bietet.

Moderation muss trainiert werden

Dabei hatte uns Corona doch den Weg gewiesen. Weil im Lockdown nur virtuelle Meetings möglich waren, stellte sich nicht die Frage, ob, sondern nur wie man die bereits vorhandene Technik schnell und einfach für die eigenen Meetings nutzbar machen könnte. Für Berührungsängste blieb gar keine Zeit. Die Distrikte stellten die Lizenzen für Übertragungsdienste zur Verfügung, und die Mitglieder plauderten nunmehr nicht mehr persönlich miteinander, sondern über Laptop und Mikrofon. So musste zumindest bei Rotary das soziale Leben keinen Einbruch erleiden.

Fachkundige wie die Past-Governor Jan Mittelstaedt (RC Konstanz-Mainau) und Henning von Vieregge (RC Frankfurt/M.-Alte Oper) stellen allerdings fest, dass die Lockdown-Erfahrung nichts an einer ambivalenten Einstellung zur Online-Technik geändert hat. Einerseits war man spontan bereit zur Umstellung, andererseits stand dahinter keine Überzeugung, sondern pure Einsicht in das Notwendige. Man nutzte die Technik, weil es anders nicht ging. Und als Live-Meetings wieder uneingeschränkt möglich waren, wurden die Geräte sofort wieder eingemottet.

Für von Vieregge wurde das Problem in einer wenig professionellen Grundhaltung gegenüber Online-Meetings deutlich, die über eine Notlösung nie hinauskamen. „Das bezieht sich zum einen auf die Geräte“, erläutert der Past-Governor. „Eine Rundum-Kamera ‚Owl‘ (Eule) haben sich nur wirklich engagierte Clubs angeschafft, um ihren zugeschalteten Gästen einen möglichst angenehmen virtuellen Besuch zu ermöglichen. Schlimmer noch ist, wie wenig Mühe auf eine angemessene tModeration gelegt wurde. Es ist nämlich durchaus eine Herausforderung, den Austausch zwischen Mitgliedern am Ort und Gästen am Bildschirm so zu steuern, dass alle gleich gut folgen können. Auch was die Disziplin betrifft, etwa bei Zwischenfragen, gab es immer wieder Schwierigkeiten. Offensichtlich müssen solche Fertigkeiten trainiert werden, zum Beispiel in den PETS-Seminaren für zukünftige Präsidenten.“

Unerwartete Perspektiven

Dabei sind die Clubs im Vorteil, die sich von vornherein und ohne äußeren Anlass für Hybrid-Meetings entschieden haben, also mit Internet-Übertragung aus jedem Meeting. „Für uns wäre das anders gar nicht möglich gewesen“, sagt Andrea Strasser vom 2018 gegründeten RC Nürnberg-Connect. „Wir haben viele junge Eltern unter den Mitgliedern.“ So hat sich der Club von Anfang an vergleichsweise professionell aufgestellt, mit einem „Gerätekoffer“ im Wert von 1500 Euro. Sechs, sieben Mitglieder sind als Technikmoderatoren eingewiesen. „Eine oder einer ist immer vor Ort, um sich ausschließlich um die Verbindung zu den zugeschalteten Gästen zu kümmern. Als Präsidentin können Sie das nicht nebenbei mitleisten.“

Über den Nutzen für die eigenen Mitglieder hinaus hat die digitale Öffnung der Meetings manchen Clubs unerwartet neue Perspektiven eröffnet. Auch wenn jeder Rotarier schon immer Teil eines internationalen Netzwerks war und Zugang zu jedem anderen Club auf der Welt hatte – jetzt erst bestand wirklich die Chance, dieses Netzwerk mit Leben zu erfüllen. War man früher bei seinen Kontaktclubs zumeist auf ein oder zwei Besuchswochenenden pro Jahr beschränkt, so wurde nun ein intensiver regelmäßiger Austausch möglich.

180 Online-Vorträge erhältlich

Im RC Wiesbaden-Kochbrunnen möchte man diesen Zugewinn auf keinen Fall mehr missen, berichtet Past-Präsident Thilo von Debschitz: „Über persönliche Verbindungen haben wir Kontakte einerseits zum RC New York City und andererseits zum RC Jerusalem, dem einzigen englischsprachigen Club in Israel, aufgebaut.“ Inzwischen sind die drei Clubs regelmäßig in Verbindung. „Einmal im Quartal“, so von Debschitz, „machen wir ein englischsprachiges Programm für die Freunde. Sie sind aber auch an jedem normalen Meeting willkommen. Im New Yorker Club wie auch in Jerusalem gibt es einige Mitglieder, die Deutsch sprechen. Und es besteht ein großes Interesse an Vorträgen aus Deutschland.“

Die könnten sie auch direkt für ihre eigenen Clubmeetings genießen. Zu den Innovationen der Lockdown-Zeit gehört eine von Mittelstaedt konzipierte Online-Vortragsbörse (rotaryvortraege.de). Sie ist ein einfaches und praktisch kostenfreies Verzeichnis von Vorträgen, die als LiveBeiträge für Online-Meetings gebucht werden können. Ungefähr 180 Angebote aller möglichen Wissensgebiete stehen zur Verfügung, wobei manche Referenten sich inzwischen zurückziehen, weil sie, so Mittelstaedts Vermutung, zu oft angefragt werden. Bis zu 100 Einladungen registrierte etwa Eduard Heindl (RC Furtwangen-Triberg) für seine vier Vorträge, unter anderem zu E-Mobilität und Atomkraft. Solche Online-Börsen gibt es inzwischen auch für Projekte und die aktuelle Ukraine-Hilfe.

Eigene Digital-Lösungen entwickeln

Bereits seit einigen Jahren beschäftigt sich Mittelstaedt mit diesem Thema und ermuntert jeden Club, wünschenswerte „Tools“ selbst zu entwickeln. Er empfiehlt dabei, in vier Schritten vorzugehen: „Zunächst sollte man überprüfen, ob die gewünschte digitale Lösung nicht schon existiert. Auf der Webseite von RI gibt es bereits zahlreiche Angebote, etwa das sehr empfehlenswerte Learning Center. Dann schauen Sie sich um nach anderen Clubs, die vielleicht mitmachen wollen. Planen Sie – Schritt drei – Ihre Lösung nach dem Pareto-Prinzip, das besagt, dass 80 Prozent der gewünschten Leistung schon mit 20 Prozent des Gesamtaufwands erreicht werden. Mit anderen Worten: Halten Sie das Tool so einfach wie möglich. Und viertens schließlich: Wenn das Konzept funktioniert, schauen Sie nach Möglichkeiten, es auch für Nutzer über Distrikt und Region hinaus zu skalieren. Ihr Governor oder auch der RI-Direktor könnten als Multiplikatoren dabei helfen.“

Im Fazit hat die Coronapandemie dazu geführt, bei Rotary einen Innovationsschub auszulösen. Daraus auch einen Motivationsschub zu machen, dürfte eine wesentliche Aufgabe in den nächsten Jahren sein.

Matthias Schütt