Convention 2021
90 Jahre Rotary Convention 1931 in Wien
13 Jahre nach Ende des Ersten Weltkriegs hat Rotary International gezeigt, dass die Feindschaft zu den ehemaligen Kriegsgegnern überwunden ist.
Die Rotary Convention im Juni 1931 in Wien war erst die dritte, die in Europa stattfand, nach Edinburgh 1921 und Ostende 1927, und die erste in einem deutschsprachigen Land. Das war dem Wiener Industriellen Otto Böhler zu verdanken, der in Chicago als Erster Vizepräsident im Zentralvorstand Wien gegen London, Paris und Nizza durchsetzen konnte. Nizza folgte 1937, Paris 1953, London wartet noch immer. Deutschland war erst 1987 mit München an der Reihe.
Reisen durch Europa
Nur sechs Jahre davor, 1925, war der RC Wien gegründet worden. Gegen Österreich scheint Rotary weniger Vorbehalte gehabt zu haben, war es doch in Nationalstaaten zerfallen. Hamburg – als erster Club in Deutschland – folgte 1927, Berlin 1929. Deutschland und Österreich bildeten den gemeinsamen Distrikt 73.
1931 war der RC Wien mit 100 Mitgliedern der größte der 35 Clubs im Distrikt, davon zehn in Österreich und 25 in Deutschland, mit insgesamt 1282 Mitgliedern. 4288 Personen reisten per Schiff, Bahn und Auto aus aller Welt nach Wien. Im Vorfeld der Convention wurden den Gästen Touren durch Europa schmackhaft gemacht. Der Triestiner Lloyd beispielsweise bot nach der Überfahrt von New York nach Triest noch Schiffsreisen nach Spanien, Portugal und Süditalien an. Luxuskabinen und Haubenküche gab es auch nach Griechenland, Zypern, die Türkei, Palästina, Ägypten und Syrien.
Der RC Graz bereitete sich gewissenhaft auf die Convention vor. Ein – Zitat – „sprachkundiges“ Mitglied gab bereits jahrelang vor jedem Meeting Englisch-Unterricht, mit Erfolg. In einem Protokoll ist zu lesen: „Auf der Durchfahrt zur Wiener Convention besuchte uns ein Rotarier mit Frau aus Hilo auf Hawaii. Wir zeigten ihm nicht nur unsere schöne Stadt, sondern führten ihn auch durchs Gesäuse (Anm.: ein Gebirgszug), wo er tatsächlich Gemsen sehen konnte. Das scheint, wie er berichtete, der größte Eindruck der ganzen Convention gewesen zu sein.“
Festlicher Aufenthalt
In Wien unternahm man beispiellose Anstrengungen, den Gästen einen festlichen Aufenthalt zu bieten. Bei der Eröffnung im Wiener Konzerthaus sprachen Bürgermeister Karl Seitz, Bundeskanzler Karl Buresch, Bundespräsident Wilhelm Miklas und RI-Präsident Almon E. Roth (Dekan der Stanford-Universität) aus Palo Alto/Kalifornien. Vortragender beim Punkt „International Co-operation in Art and Music“ war der Begründer der Salzburger Festspiele, Max Reinhardt. Richard Nikolaus Coudenhove-Kalergi sprach über seine Vision von „Pan-Europe“ und Viscount Cecil of Chelwood, der Präsident des Völkerbundes und spätere Friedensnobelpreisträger des Jahres 1937, über „Disarmement“.
Dementsprechend formulierten die Rotarier in Wien einen klaren Appell zur Abrüstung an die internationale Staaten- gemeinschaft. Bilaterale rotarische Komitees sollten Aussöhnung und Zusammenarbeit in Europa unterstützen.
Zum ersten Mal wurde ein Europäer zum RI-Präsidenten gewählt: der Brite Sydney W. Pascall, ein Zuckerfabrikant. Zu seiner Wahl gratulierte ihm in einem Telegramm König Georg V.
Im offiziellen 397 Seiten starken Buch über die Proceedings wird das Rahmenprogramm kaum erwähnt. Die Zeitungen schrieben umso genauer darüber.
Sonntagnachmittag, 21. Juni, war Endpunkt einer Zielfahrt, bei der der weitestgereiste Automobilist geehrt wurde. Es war Konsul Wallner aus Long Beach/ Kalifornien. Das neue Wiener Tagblatt schrieb: „Er hat mit seinem Hupmobil nahezu 10.000 Kilometer durch Amerika, Japan, China, Indien, Ägypten, Italien und Österreich zurückgelegt.“
Montagabend gab es im Burggarten ein Willkommensfest. Der Park war mit Lampions und Fahnen geschmückt, Fanfarentöne kündigten ein Konzert der Extraklasse an. Das Wiener Symphonieorchester spielte unter der Leitung eines Rotariers Melodien von Strauß und Schubert. Sänger und Tänzer des Operntheaters ernteten überaus starken Beifall. Rund um einen improvisierten Heurigen herrschte dichtes Gedränge.
Der Abend des Dienstag stand ganz im Zeichen von Franz Lehár (RC Wien). Man feierte im Theater an der Wien das 25-jäh- rige Jubiläum seiner Operette „Die lustige
Witwe“. Selbstverständlich dirigierte der Meister selbst für seine rotarischen Freunde aus aller Welt und wurde begeistert umjubelt. 1926 hatte Lehár eine Rotary-Hymne komponiert.
Mittwochabend gab es einen Empfang in allen Räumen der Wiener Hofburg. Die gesamte Spitze der Republik begrüßte „sämtliche Teilnehmer des Rotarierkongresses mit ihren Damen“, wie die Neue Freie Presse schrieb.
Donnerstagnachmittag lud Handelsminister Eduard Heinl (RC Wien) zu einer Jause in den Schlosspark von Schönbrunn. Die Neue Freie Presse berichtete: „Die Jause war wienerisch, es gab Kaffee mit Schlagobers, Wiener Bäckereien, Eis, Limonaden und österreichische Zigarren und Zigaretten. Ein Flieger kreiste über dem zum Festsaal umgestalteten, herrlichen, historischen Gartenplatz, kam immer tiefer und warf als Willkomm Blumen über den Tischen ab.“
Am Abend gab es ein Lichterfest rund um die gesperrte Wiener Ringstraße, Straßenbahnen wurden umgeleitet. Wichtige Gebäude wurden in verschiedenen Farben beleuchtet, es spielten sechs Musikkapellen.
Bedeutende Convention
In einer Auflistung von RI der zehn bedeutendsten Conventions findet sich auch Wien 1931, weil damals erstmals ein Satz von Sonderbriefmarken aufgelegt wurde.
Diese Convention war ein voller Erfolg, fand allerdings in einem geschützten Rahmen statt. Man lebte in einer Hochstimmung nach der raschen Ausbreitung von Rotary in Deutschland und Österreich. Rundherum steuerte die Weltwirtschaftskrise auf ihren Höhepunkt zu, das Leben der meisten Menschen in den besiegten Staaten Deutschland und Österreich war geprägt von Armut und Arbeitslosigkeit, doch braune Wolken waren noch kaum zu sehen.
Was die kommenden Jahre brachten, ist allgemein bekannt. In Deutschland wurde Rotary am 15. Oktober 1937 verboten, in Österreich am 18. März 1938, sechs Tage nach dem Einmarsch.
Claus Bruckmann
Zur Person
Claus Bruckmann, seit 35 Jahren politischer Journalist beim ORF, war 1997 Gründungsmitglied des RC Wien-Gloriette, des ersten Clubs im Distrikt 1910, der mit Damen gechartert wurde.