Meinung & Debatte
Ab nach Hause
Beim Thema Drogen im Jugendaustausch gibt es null Toleranz, sagt Carola Kupfer
Zugegeben: Das klingt hart. Aber es ist richtig – und meiner Meinung nach eine wichtige Voraussetzung, um im rotarischen Sinne Jugendliche in die Welt zu schicken. Denn nur so nehmen wir unsere große Verantwortung gegenüber allen Beteiligten wirklich ernst: den Eltern, die uns ihre Kinder anvertrauen, den Jugendlichen, die wir als Rotarier im Jugendaustausch begleiten, den Gastfamilien, die unsere Kinder freundlich aufnehmen – und den vielen YEOs, In- und Outbound-Koordinatoren, MDs und Rotex’ern weltweit, die sich ehrenamtlich um gelungene Austauschjahre kümmern.
Fakt ist: Die Jugendlichen unterschreiben im Rahmen ihrer Bewerbung zum Austausch einen Verhaltenskodex, in dem (neben vielen anderen Regeln) ganz klar steht: „no drugs“ und „no alcohol“. Ohne Unterschrift geht es nicht in den Austausch – ganz gleich, ob in Short- oder Longterm-Programme. Das ist eine eindeutige Ansage, sollte man meinen, doch in der Praxis schwächelt sie immer wieder. Denn beim Thema Drogen stelle ich häufig „Interpretationsspielräume“ fest – und das nicht nur bei den Austauschschülern! Frei nach dem Motto „einmal ist keinmal“ werden Haschisch und synthetische Drogen ausprobiert oder der Alkoholvollrausch – augenzwinkernd – toleriert. Wer das auch nur ein einziges Mal zulässt, macht meiner Meinung nach einen folgenschweren Fehler. Denn wie soll ich nachfolgenden Austauschgenerationen eine Ausnahme plausibel erklären? Weder das Alter noch das Herkunftsland dürfen hier als Argumente dienen – auch, wenn ein Austauschschüler bereits 18 Jahre alt ist und damit nach unserem Recht volljährig. Es bleibt nämlich die Unterschrift unter den „Rules and Conditions of Exchange“ – und die müssen alle leisten.
Toleranzgrenzen überschritten
Das Problem: Jugendliche und Erwachsene überschreiten in ihrer vermeintlichen Toleranz gleichermaßen Grenzen, die fatale Folgen haben können. Crystal Meth zum Beispiel gehört zu den Drogen, die bereits mit dem ersten Konsum Abhängigkeiten und messbare gesundheitliche Schäden nach sich ziehen. So harmlos das Zeug auch aussieht – die Konsequenzen sind schlimm und für die Jugendlichen gar nicht abzuschätzen.
Auf den ersten Blick unkomplizierter erscheint vielen der Umgang mit Alkohol, das erlebe ich immer wieder: Gerade in einem Bundesland wie Bayern, wo das Bier irgendwie zum Gesamtpaket „Bayerische Gemütlichkeit“ dazu gehört, sollen ausgerechnet unsere jungen Gäste aus aller Welt davon ausgeschlossen werden? Also keine durchgefeierten Nächte auf dem Oktoberfest, keine fröhlichen Runden im Biergarten? Kein Deutschland aus dem Bilderbuch?
Richtig! Oktoberfest, na klar, aber ohne Alkohol – und auch im Biergarten gibt es alkoholfreie Alternativen, die der Stimmung keinen Abbruch tun. Im Übrigen gelten innerhalb der Gastfamilien zu besonderen Anlässen meist eigene Regeln.
Ja, ich bin mir dessen bewusst: Nicht überall stößt das unmissverständliche Alkoholverbot auf Begeisterung. Dabei ist gerade der Alkoholkonsum von Inbounds in unserem Distrikt immer wieder ein Ärgernis – für Gasteltern und Jugenddienstbetreuer gleichermaßen. Wie praktisch, dass die meisten Austauschschüler ihre gefühlte große Freiheit im Ausland gern in Facebook & Co. dokumentieren und so mancher auf diesem Weg eindeutig überführt werden kann ...
Und dann? Was macht man mit jungen, vergnügten Menschen aus Argentinien, den USA, Mexiko oder Australien (um nur einige zu nennen), die nachweislich betrunken durch die Stadt torkeln oder mit Drogen in der Tasche erwischt werden? Für mich gibt es auf diese Frage nur eine Antwort: Man schickt sie nachhause. Natürlich nicht, ohne mit allen Verantwortlichen geredet und die zwingend erforderlichen Entscheidungswege eingehalten zu haben. Als zertifizierte Austauschorganisation muss der rotarische Jugenddienst auch in solchen Fällen bestimmte Anforderungen erfüllen. Doch am Ende steht in jedem Fall der „Early Return“ – also das, was wir im Jugenddienst am wenigsten mögen.
Natürlich ist es für jeden von uns bitter, Austauschschüler, die uns möglicherweise ans Herz gewachsen sind, wegen eines einzigen Vergehens zurück in die Heimat fliegen zu lassen – aber es ist notwendig. Nur mit dieser vermeintlich harten Konsequenz werden wir es auf Dauer schaffen, das schwierige Thema im Jugendaustausch klar zu kommunizieren und Grauzonen abzuschaffen. Wichtig ist allerdings, dass alle Verantwortlichen immer wieder darüber reden, auch Negativbeispiele benennen und den Jugendlichen unmissverständlich vermitteln, dass diese Regeln ernst gemeint sind.
Wie so etwas nachhaltig funktionieren kann, hat unser Distrikt 1880 im Austauschjahr 2013/14 ausprobiert – mit Erfolg: Auf der ersten Orientation der neuen Inbounds fand eine Schulung zum Thema Drogen statt, die von jungen Mitarbeitern des Hauptzollamtes Regensburg in englischer Sprache durchgeführt wurde. Anschauungsmaterial (ja, tatsächlich Drogen!) und viele Details aus dem Alltag des Zolls konnten unseren Gästen offenbar eindringlich vermitteln, wie wichtig der souveräne Umgang mit diesen Dingen für ihren Austausch ist. Mit einem verblüffenden Ergebnis: Mussten wir im vergangenen Jahr noch fünf Inbounds wegen Alkohol- bzw. Drogenvergehen frühzeitig nachhause schicken, gab es in diesem Jahr keinen „Early Return“.
Ja, vielleicht ist das ein Zufall, vielleicht aber auch nicht. Dennoch: Wir werden auf jeden Fall an diesem Konzept festhalten und unsere nächsten Inbounds wieder mit den Zollbeamten zusammenbringen. Denn beim Thema Drogen gibt es – wie gesagt – null Toleranz!