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Standpunkt

Jung, männlich, lost und unrotarisch?

Standpunkt - Jung, männlich, lost und unrotarisch?
Michael Schulte-Markwort © NINA GRUETZMACHER

Die Teilnahme von Jungen am Langzeitaustausch ist von 33 auf 25 Prozent gesunken. Was bedeutet das? Solange wir den Anspruch haben, die Gesellschaft in unseren Reihen zu repräsentieren, ist es keine gute Idee, Langzeitaustausche mehrheitlich mit Mädchen zu besetzen

Michael Schulte-Markwort01.08.2025

Die Jungen sind lost. Das möchte niemand hören, und schon gar nicht glauben. Tatsächlich sind die Jungen in den letzten 15 Jahren leistungsmäßig von den Mädchen deutlich überholt worden. Die Mädchen sind klug, „nerdig“ und selbstbewusst. Die Mädchen studieren Medizin und die Jungen BWL. Die Röcke der Mädchen sind nicht länger geworden, und der stereotype Anspruch an den ersten Schritt liegt bei den Jungen.
Wir unterschätzen, dass diese Welt nicht automatisch bedeutet, dass die Jungen ihr (im doppelten Wortsinn) gewachsen sind. Daraus entsteht ein Gefühl des Lost-Seins – verloren in einer komplizierten Welt, die man am ehesten ertragen kann mit Fantasien des großen Geldes (BWL) und einer mindestens vorübergehenden Flucht in das Dasein als Gamer. Die Mädchen tummeln sich stattdessen auf dem Catwalk der sogenannten Social Media, aber wissen am Ende, was sie wollen, auch wenn es einen Teil unter ihnen gibt, der zu den mutlosen Mädchen gehört. Die Jungen hingegen werden nicht wirklich gesehen, geschweige denn gefragt, wie es ihnen wirklich geht. Und mutlos sind sie teilweise inzwischen auch.

Wie steht’s um unser Männerbild?
Könnte da ein langer Weg, ein „Long Term“, zu Rotary eine Perspektive sein? Rotary ist Establishment, und Rotary ist grau. In unserem Selbstverständnis ist es eine Ehre, bei uns aufgenommen zu werden. Ausgesucht und auserwählt – so wie wir. Vermeintlich. Selbst das Prinzip der Gleichberechtigung – auch wenn es auf unseren Fahnen steht – wird nicht wirklich gelebt. Wie ist es aber um unser Männerbild bestellt? Sind wir da wirklich besser? Was für Jungen möchten wir fördern? Und vor allem: Wie könnte eine nach wie vor etablierte Männerdomäne sich um die Jungen kümmern, die gerade nicht kommen möchten? Was könnte das alles für den Jugenddienst bedeuten?

Der Jugenddienst muss sich vermutlich binnendifferenzieren und geschlechtsspezifisch aktiv werden. Wir sollten Jungen (und auch Mädchen) fragen, was sie möchten, suchen, sich wünschen. Wenn das auf Augenhöhe, respektvoll und mit ehrlichem Interesse erfolgt, dann gibt es hilfreiche Antworten. Partizipative Konzepte sind hierbei hilfreich und sinnvoll. Partizipation bedeutet eine Begegnung auf Augenhöhe. Partizipation bedeutet Teilhabe von Jungen und Mädchen an allen Prozessen, an denen sie teilnehmen. Das bedeutet auch, Jugendliche, die vom Jugenddienst betreut werden, regelmäßig in die Clubs einzuladen. Außerdem sollten sich Paten aus den Clubs für die Jugendlichen und die Aspiranten für den Exchange zur Verfügung stellen. 

Nicht automatisch attraktiv
Die Antworten sollten kompatibel für Inhalte auf Tiktok- und Youtube sein, und wir sollten uns trauen, zu formulieren, warum ausgerechnet Rotary gute Angebote liefern könnte und warum sich die Mühe eines Long Term Exchange – der nicht automatisch jedem als attraktiv erscheint – lohnt. Wenn wir mehr darüber wissen, was die Jungen sich wünschen und brauchen, ist es einfacher, andere Antworten zu finden – und zwar keine aus moralischen Kategorien. Für den Nachwuchs von Rotary wird es keine bessere Werbung geben, als frühzeitig mit uns in einen guten, spannenden und bereichernden Kontakt zu kommen.

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