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Standpunkt

Archaisches Eliteverständnis

Standpunkt - Archaisches Eliteverständnis
Karl-Friedrich Küching © Privat

Sich als Rotary-Mitglied zur Elite der Gesellschaft zu erhöhen ist arrogant, realitätsfern und wenig hilfreich bei der Gewinnung von Nachwuchs.

Karl-Friedrich Küching01.04.2021

Gibt man die beiden Begriffe „Rotary“ und „Elite“ im Internet gemeinsam ein, so erhält man – zunächst verblüfft – reihenweise eine mehr oder minder schöne Armbanduhr im dreistelligen Preissegment eines Schweizer Uhrenherstellers angeboten. Auch Blasinstrumente unter dem Namen Schiller „Rotary Elite“, eine Förderkette „Rotary Elite“ und eine „Elite-Rotary“-Tattoo-Maschine stehen zum Verkauf. 

Lässt man jedoch diese Produkte außen vor, so trifft man auf Artikel wie „Elite-Netzwerke: ‚Die Clubs schotten sich ab‘ (Zeit Online), „Rotary & Co.: Können Eliteclubs die Karriere puschen?“ (bildungsXperten.net), „Elitezirkel: Freunde fürs Leben“ (Handelsblatt), „Was Elite-Zirkel wirklich für die Karriere bringen“ (SZ), „Oase der auserlesenen Gutmenschen“ (NZZ), „Rotary: Gepflegtes Understatement“ (WiWo), „Rotarier und Co: Der umstrittene Einfluss der Wohltätigen“ (evangelisch.de), „Rotary: Filz mit Nadelstreifen“ (Spiegel) und so weiter.

Uralte Diskussion: Sind wir Elite oder nicht?

Durchweg zweifelnde, fragende, abschätzende und sogar abschätzige Stimmen also. Aber sind wir denn nun als Rotarier und als rotarischer Club Elite oder nicht? Diese Frage steht seit alters her hinter vielen internen Diskussionen. Dass man uns von außen – also wie oben aus Sicht der Presse und der Öffentlichkeit – mit ehrlicher Überzeugung oder auch bewusst aus Häme oder gar Neid als „Elite“ beziehungsweise „sogenannte Elite“ bezeichnet, ist ein Faktum, das wir nur durch Information über unsere Ziele, unsere Arbeit und unser Engagement aktiv entkräften können. Rotarische Selbstbekenntnisse wie „Wir sind nicht elitär“, „Wir sind kein Klüngelverein“ und „Rotary ist kein Club der Elite“ sind natürlich lobenswert, aber leider nicht hinreichend.

Ein Zitat aus dem Bericht über die Gründung des 1000. Clubs (Rotary Club Stuttgart-International) beschreibt die Situation: „Sie wollen ja nur das Beste. Doch trotz ihres wohltätigen Engagements leiden die Rotary Clubs nach wie vor unter ihrem Image. Den Ruf des Elitevereins möchten sie möglichst loswerden ... Im RC Stuttgart-International arbeiten sie daran.“ Möge dem Club das gelingen. 

Wenn aber bei all diesem Bemühen aus den eigenen rotarischen Reihen genau das Gegenteil erfolgt, so ist das aus meiner Sicht zumindest eines „Aufregers“ wert:

Aus der Zeit gefallen

In der Dezemberausgabe des Rotary Magazins stolperte ich in einem Beitrag eines rotarischen Freundes zur Diskussionskultur über folgenden Satzeinschub: „... dass wir als Rotarier, die sich als Elite der Gesellschaft verstehen ...“ Warum ist diese peinliche Selbsterhöhung noch immer nicht aus rotarischen Köpfen verbannt?

Sich selbst zu einer „Elite der Gesellschaft“ zu erhöhen ist arrogant, selbstverliebt, realitätsfern, völlig aus der Zeit gefallen und bar jeder Tugend der Bescheidenheit und auch bar jeden Verständnisses für den lateinischen Wortursprung des Begriffs Elite, nämlich „eligere“ beziehungsweise „exlegere“, in seiner deutschen Übersetzung „auslesen“. Wohlgemerkt „auslesen“ im aktiven und „ausgelesen werden“ im passiven grammatischen Sinn, aber keinesfalls im reflexiven Sinn „sich (selbst) auslesen“. Es mag immer noch Clubs und rotarische Freundinnen und Freunde geben, die sich durch diese Eigen-Promotion zum Titel „Elite“ bauchgepinselt und geschmeichelt fühlen, aber in jeder Gesellschaft muss man mit Ewiggestrigen leben und man kann sie Gott sei Dank auch verkraften. Aber: Mit diesem archaischen Eliteverständnis kommen wir als Rotarier niemals in der Gesellschaft an, sondern entfernen uns von ihr und damit auch von unserem dringendst benötigten Nachwuchs.

Dem Untergang geweiht

In der Geschichte sind selbst ernannte Eliten jeglicher Couleur schon immer – meist jämmerlich – zugrunde gegangen oder sie warten gerade auf ihr Ende. Ich bitte daher den Verfasser, mich aus seinem Plural in „wir als Rotarier, die sich als Elite der Gesellschaft verstehen“ herauszunehmen, da ich einer selbst ernannten Elite nicht angehören möchte. Denn ich bin schlicht Rotarier und fühle mich in dieser Rolle sehr wohl.

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