Standpunkt
Verdient oder gekauft?
Rund ums Jahr, aber vor allem auf Distriktkonferenzen werden zahlreiche Paul Harris Fellows verliehen. Meist als Anerkennung und Dank, manchmal als Spenden-Nachweis.
Meine Naivität auch im hohen Alter hat mich bis jetzt glauben gemacht, dass die Verleihung eines Paul Harris Fellows ein Akt der Anerkennung und des Dankes für besonders herausragende Dienste im Clubleben, im Einsatz für Projekte und für selbstloses Dienen für andere ist. Heißt es doch ehrfurchtsvoll in blauem Einband: „(…) in appreciation of tangible and significant assistance given for the furtherance of better understanding and friendly relation among peoples of the world“. Welch ein Balsam für die rotarische Seele. Doch mit dem Beitrag von Hans Christoph Atzpodien in der Aprilausgabe des Rotary Magazins hat mich mein naiver guter Glaube vehement in die Irre geführt. Lese ich doch auf S. 26/27, dass die Verleihung eines Paul Harris Fellow „nicht nur wegen Verdiensten im eigenen Club, sondern auch wegen Spenden an die Rotary Foundation erfolgen kann, und zwar schon bei einer Spende in Höhe eines 1000-Dollar-Betrages“. Sic!
Natürlich ist mir bewusst, dass diese für mich ungeheuerliche rotarische Praktik aus den spendengetriebenen USA stammt. Aber auch hier wie in vielen anderen Bereichen passt ein amerikanischer Habitus eben nicht zu unserem Denken und zu unserer Kultur, und es geht mir nicht in den Sinn, dass wir als deutsche Rotarier diese Foundation-Spendenregel offensichtlich irgendwann vorbehaltlos eins zu eins adaptiert haben. Nun denn, der Paul Harris Fellow ist wohlfeil, heutiger Verkaufspreis: 936,54 Euro. Sehr gut für unsere Mitrotarier, die sich vor Diensten, Ämtern, Präsenzen und aktiver Freundschaft eher drücken, kann man doch mit einer goldfarbenen PHF-Medaille am Revers – das in Meetings immer seltener wird – mit seinen „Verdiensten“ glänzen. So bekommt die unschöne, aber zunehmend hörbare Bezeichnung des Revers-Rotariers ihren tatsächlichen Hintergrund. Ein Freund berichtet, dass in seinem ehemaligen Club die Ehefrau eines Rotariers 1500 Dollar in dessen Namen gestiftet und ihrem Ehemann den Paul Harris Fellow zu Weihnachten geschenkt hat. Und nach welchen Kriterien wird bei uns der PHF verliehen? Offiziell laut Rotary „für besondere Verdienste“. Wer wertet das Wort „Verdienst“ und den Begriff „besonders“? So ist beispielsweise die Verleihung eines PHF an einen Rotarier, der genau ein Mal ein Kind zu einem KidsCamp von Rotaract chauffiert hat, sehr fragwürdig. Hier sollte man sich bei Rotary International konkrete Kriterien überlegen, um den Clubvorständen Hilfestellung bei ihrer Bewertung zu geben und einer inflationären Streuung des PHF damit Grenzen setzen. Aber auf jeden Fall sollte für unseren Kulturraum eine eindeutige Trennung von „verdientem“ PHF und „bezahltem“ PHF geschaffen werden, um wieder eine Abkopplung vom amerikanischen Rotarydenken hin zu unserem rotarischen Denken zu schaffen. Ob dazu jedoch bei unseren Oberen genug Mumm vorhanden ist, mag die Zukunft zeigen.
Eindeutige Identifikation durch zwei Varianten
Es wäre sicherlich – zugegeben bissig bemerkt – möglich, die PHF-Medaillen und Anstecknadeln zur eindeutigen Identifikation des Trägers in zweifacher Form zu prägen: Die eine mit eingeprägter Hand für das Dienen und die andere mit eingeprägtem Dollarzeichen für das Bezahlen. So kann sich auch der Wunsch desjenigen Rotariers oder derjenigen Rotarierin, sich ob seiner oder ihrer Spendenfreudigkeit rühmen zu lassen, sichtbar erfüllen. Dass dieser Wunsch offensichtlich bei uns Rotary-Mitgliedern besteht, beweist der Hinweis von Atzpodien auf die Seite 57 unseres Mitgliederverzeichnisses. Staunend bekomme ich dort – gleichsam als rotarisches Spenden-Walhalla – bei voller Nennung von Namen, Clubzugehörigkeit, Spendenund Nachlassumfang die Großspender aufgezählt, denen – da sie ja offensichtlich nicht anonym bleiben wollen – ein „Chapeau!“ gebührt.
Dazu fällt mir der Vorreformations-Spruch ein: Sobald das Geld im Kasten klingt, die Seele in den (rotarischen) Himmel springt. Aber es gibt – Gott sei Dank auch in meinem Club – Freundinnen und Freunde, die still und ohne Leaderboard- und Medaillenwunsch ihr Scherflein zum Guten in der Welt beitragen. Denen gebührt Dank. Ich werde jedenfalls die zwei Paul-Harris-Medaillen, über deren Verleihung ich mich sehr gefreut hatte, dort belassen, wo sie seither sind: in der Schublade. Ich möchte mich ab jetzt nicht der Frage stellen wollen: verdient oder bezahlt?
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