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Ian Riseley

Australische Frohnatur

Ian Riseley - Australische Frohnatur
Ian Riseley (RC Sandringham) ist Wirtschaftsprüfer und Geschäftsführer der Kanzlei Riseley and Co. in der Nähe von Melbourne/Australien. Risely ist seit 1978 Rotarier. Er und seine Frau Juliet sind mehrfache Paul Harris Fellows, Großspender und Mitglieder der Bequest Society. © Monika Lozinska

RI-Präsident elect Ian Riseley überdie Gewinnung neuer Mitglieder, den Aufbaustarker Clubs – und bleibende Freundschaften.

John Rezek01.03.2017

Ian H. S. Riseley steht von seinem Schreibtisch auf, und er ist groß. Weißes Haar, fester Handschlag, keine Krawatte. Man spürt, dass er Themen gerne energetisch angeht, wobei der Austausch schnell von ernst auf fröhlich umschwenken kann. Das macht ihn zu einem sehr guten Umgang. Dazu strahlt er Kompetenz aus. Man möchte sich fast Rat bei ihm in Steuerfragen holen – und das ist gut so, denn das macht er seit 40 Jahren beruflich.

Riseley ist Chef seiner eigenen Steuerberaterfirma nahe Melbourne. Für seine humanitäre Arbeit in der demokratischen Republik Timor-Leste erhielt er 2002 den australischen AusAID Peacebuilder Award und 2006 den Australischen Verdienst­orden für sein kommunales Engagement.

Seit 1978 ist er Mitglied des RC Sandringham. Er diente auf RI-Ebene als Schatzmeis­ter, Director, Trustee, Mitglied des RI-Exe­kutivausschusses, in Task Forces und anderen Ausschüssen und als Governor. Er erhielt den Regional Service Award for a Polio-free World sowie den Distinguished Service Award der Rotary Foundation.

Auch seine Frau Juliet ist Rotarierin, allerdings nicht im gleichen Club, und Past Governorin. Die Riseleys sind dazu mehrfache Paul Harris Fellows, Großspender und Mitglieder der Bequest Society.

Rotarian-Chefredakteur John Rezek traf sich mit Ian Riseley in seinem Büro in Evanston:

Wie erfuhren Sie zuerst von Rotary und wann wurden Sie Mitglied?
Ein paar Jahre nachdem ich mein Steuerbüro aufgemacht hatte, war mein Hauptkunde ein Privatkrankenhaus ganz in der Nähe meines Büros. Der Geschäftsführer war Rotarier, und sie müssen sehr verzweifelt gewesen sein, denn eines Tages luden sie mich zu einem Mittagessen ein, um einen Vortrag über aktuelle Entwicklungen bei der Einkommensteuer zu ­hören. Und, ja, sie blieben währenddessen sogar mehr oder weniger wach. Ein paar Wochen später rief der Kunde mich an und sagte, dass sie einen Club in der Nähe chartern würden. Und ich fragte: „Was heißt das: Chartern?“ So viel zum Thema Rotary-Jargon. Er erklärte, dass sie einen neuen Club in Sandringham gründen würden, und fragte mich, ob ich Interesse hätte, zum ersten Treffen zu kommen. Na klar, ich sagte zu. Und dann ging ich doch nicht, das war dumm. Doch ich besann mich und ging zum zweiten Meeting, bei dem ich die circa 20 Leute traf, die beim ersten Treffen gewesen waren. Hier war die Geschäftselite von Sandringham versammelt und ich dachte, wow, was für eine Truppe. Also kam ich weiterhin und wir erhielten die Charter – was übrigens bedeutet, dass wir den Club gründeten – im November 1978.

Passte Rotary gleich gut zu Ihnen oder brauchten Sie einige Zeit, um sich darin wohlzufühlen?
Ich traue mich fast nicht, das zuzugeben, aber ich habe mich sofort wohlgefühlt. Das sagt einiges über die Chartermitglieder unseres Clubs aus. Das sind alles ­Leute, die extrem erfolgreiche Unternehmen hatten, aber sie waren alle so nett, absolut erstklassige Freunde, die nie auf mich als den kleinen Steuerberater von Down the Road herunterschauten. Das ist das Schöne an unserer Organisation auch auf globaler Ebene – wir sind als Freunde einfach alle auf einer Ebene. Ich finde, das ist sehr wichtig.

Sind die meisten Ihrer Freunde Rotarier?
Meine Freunde von Rotary kommen nicht nur aus meinem Club, sondern auch aus anderen Clubs des Distrikts. Das ist einer der Hauptgründe, warum Leute bei Rotary sein sollten – man findet einfach tolle Freunde. Mein engster Freundeskreis stammt indes gar nicht aus den Reihen von Rotary. Wenn ich darüber nachdenke, viele von ihnen wurden Rotarier und ­wären das vielleicht nicht geworden, wenn ich nicht involviert gewesen wäre. Es besteht immer die Gefahr, dass Rotary dein Leben komplett übernehmen kann. Man kann auch zu sehr auf Rotary fixiert sein. Unsere Tochter, die einen Studienabschluss in Public Relations hat und mehr von der Sache versteht, hat dafür einen Begriff geprägt: Rotarama. Das ist, wenn Rotary völlig von unserem Leben Besitz ergriffen hat. Alles andere wird zurückgestellt, mein Golf-Handicap leidet, was sehr traurig ist. Und so weiter. Auf der anderen Seite ist die Mitgliedschaft bei Rotary solch ein Privileg und so aufregend.

Was war der Moment, in dem Sie die Bedeutung Ihres Engagements bei ­Rotary erkannten?
Ich war mit 34 Jahren der dritte Präsident unseres Clubs. Ich besuchte das PETS, das in einem riesigen Auditorium stattfand. Und da war der Senior-Partner der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, für die ich vormals gearbeitet hatte.

John Hepworth war unter australischen Wirtschafts­prüfern berühmt und beim PETS als ­incoming President des 1921 gegründeten RC Melbourne, des ersten Rotary Clubs in Australien. Viele der Macher und einflussreichen Personen Melbournes sind Mitglied im RC Melbourne. Und hier war ich, der neue Präsident des kleinen Rotary Clubs Sandringham mit seinen 35 Mitgliedern, und wir waren ebenbürtig.

Wenn eine junge Person Sie fragen würde, warum sie Rotary beitreten sollte, was würden Sie antworten?
Da gibt es vier Elemente. Das erste ist Freundschaft. Rotary bietet die Gelegenheit, Leute in einer zwanglosen Umgebung kennenzulernen und dabei zugleich gute Dinge erreichen zu können.

Das zweite Element ist die persönliche Weiterentwicklung. Ich wurde sehr jung Präsident unseres Clubs, als ich gerade dabei war, meine Firma aufzubauen. Ich sprach nicht unbedingt gern vor Leuten. Doch in einem Rotary Club wird man ­ermutigt – manche sagen sogar gezwungen –, in einer freundlichen Umgebung Erfahrungen im öffentlichen Vortrag, mit der Leitung von Meetings, der Motivation von Mitgliedern, all diesen Dingen zu sammeln. Ihre rotarischen Freunde nehmen Ihnen einen kleinen Fauxpas nicht übel. So erhalten Sie Übung, Sie verbessern sich stetig. Ich bin jetzt nicht mehr so schüchtern, das ist also ein großer Vorteil.

Das dritte Element ist der Geschäftsvorteil. Wir haben uns eine Zeitlang darum herumgedrückt, und ich glaube, das sollte nicht sein. Als ich in den RC Sandringham eingeladen wurde, erzählte ich das Juliet: „Also, die haben mich in diese Gruppe eingeladen, was weißt du darüber?“ Sie wusste genauso wenig wie ich, aber sie betonte, dass wir neue Freunde kennenlernen würden, die hoffentlich keine Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater sein würden, weil schon viel zu viele ­unserer Freunde Wirtschaftsprüfer und Steuerberater wären. Jedenfalls ist Rotary auch gut fürs ­Geschäft. Warum sollten wir uns scheuen, auch das zu betonen?

Das vierte Element ist bei Weitem das wichtigste, und das ist die Chance, etwas auf der Welt bewegen zu können. Wenn mich jemand bitten würde, die Kinderlähmung auszurotten, dann wären meine Möglichkeiten da eher begrenzt. Aber wenn sich 1,2 Millionen Leute zusammentun und die sich dann auch noch die Unterstützung von Leuten wie Bill und Melinda Gates holen, dann ist die Erfolgschance schon ein wenig größer.

Was war Ihre Lieblingsaufgabe bei Rotary?
Das war ohne Zweifel die Vertretung des Präsidenten bei einer Distriktkonferenz. Ich liebte diese Aufgabe. Daher wähle ich meine Vertreter auch sehr sorgfältig aus, wenn ich diese Verantwortlichkeit für meine Amtszeit 2017/18 verteile. Das ist eine Aufgabe, die einem die Möglichkeit gibt, an einen anderen Ort zu reisen, entweder im eigenen Land oder woanders auf der Welt, und eine Einsicht zu bekommen, wie Rotary sein großartiges Werk zustande bringt.

Während Sie sich für das höchste Amt bei Rotary vorbereiten, ist es da schwer, ein normales Gespräch mit Ihren Freunden im Club zu führen?
Wer ist denn halb gescheit und sagt dazu ja? (lacht) Die Antwort ist: überhaupt nicht. Das liegt vielleicht daran, dass ich Australier bin. Wir in Australien haben eine sehr gute Technik, damit Leute auf dem Boden der Tatsachen bleiben. Wenn jemand zu abgehoben wird, nennen wir das das tall poppy syndrome. Und wenn jemand zu groß für seine Schuhe wird, da bringen einen die anderen ganz schnell zurück auf den rechten Platz im Leben. Aber im Ernst: Eine der großen Freuden dieser Rolle, die ich nun ausführe, ist es, so viel herumzukommen, so viele Menschen zu treffen – und herauszufinden, wie sie denken.

Was steht auf Ihrer Aufgabenliste?
Drei Sachen: Planung, Planung und noch mal Planung. Jetzt ist Planungszeit, und ich freue mich, dass ich die Gelegenheit habe, darüber nachdenken zu können, wie ich Dinge anders anpacken will. Ich suche insbesondere nach Ideen, wie Rotary bes­ser auf junge Leute zugehen kann.

Ich möchte so viele der Governors elect 2017/18 wie möglich kennenlernen – und die Kommunikationswege offenhalten. Und natürlich möchte ich Ihnen sagen: Hey, kein Druck, aber ich verlasse mich auf jeden von ihnen und dass sie sich ebenso auf mich verlassen können.

Was funktioniert gut bei Rotary – und was nicht?
Also, was wir bestimmt ganz besonders gut machen, ist unser humanitärer Dienst. Gibt es noch Raum für Verbesserung? Selbstverständlich. Können wir uns noch besser organisieren. Bestimmt. Können wir ein besseres Verhältnis zur allgemeinen Gesellschaft haben? Ja, auch da können wir einiges tun. Aber die tatsächliche Hilfsarbeit, die wir leisten, die macht uns so schnell keiner nach, das ist wirklich wunderbar.

Was ist noch gut? Nun, die Mitgliedschaft wächst in Indien, in Korea. In Ländern mit einer starken beziehungsweise sich entwickelnden Mittelklasse rennen uns die Leute die Türen ein, die Mitglied bei Rotary werden wollen. Die Kehrseite ist, dass in Ländern wie den USA, Großbritannien, Australien, Neuseeland die Mitgliederzahlen fallen. Hier ziehen wir nicht genug neue Mitglieder an – und wir können die bestehenden Mitglieder nicht halten.

Unser demografisches Durchschnittsalter steigt, und auch das ist nicht gut. Wir ­erfinden unsere Clubs nicht neu, das sollte wirklich ganz oben auf unserer Liste stehen. Satellitenclubs, also die von einem traditionellen Club gesponserten Ableger­clubs, sind ein Weg, jüngere Mitglieder einzubeziehen, die mehr Flexibilität brauchen.

Weibliche Rotarier machen einen echten Unterschied, und wir brauchen mehr von ihnen. Und die besten Clubs sind schließlich diejenigen, die am engsten mit ihren Gemeinwesen verbunden sind.

Haben Sie spezifische Vorschläge für Clubs?
Eine Überprüfung des Berufsspektrums unserer Mitgliedschaft ist ein guter Weg, Schwächen auszumachen und zu bestimmen, wer verstärkt eingeladen werden sollte. Wir verpassen meines Erachtens auch eine große Möglichkeit, wenn wir nicht mehr Frauen in unsere Clubs einbringen. Es gibt immer noch einige, die leider immer noch keine weiblichen Mitglieder haben. Wir brauchen auch mehr Frauen in den Reihen der Führungsebene bei den Trustees und im Zentralvorstand.

Wie könnte ein Club oder Distrikt Sie dazu bringen, dass Sie ihnen während Ihrer Amtszeit einen Besuch abstatten?
Schicken Sie eine Einladung! Ich habe es mir zur Priorität gemacht, Teile der Rotary-Welt zu besuchen, die sonst etwas abseits der Aufmerksamkeit eines Präsidenten oder Präsidenten elect liegen. So habe ich zum Beispiel schon Teile von Kanada und der Karibik besucht, auf die das zutrifft. Mein Terminkalender füllt sich schnell. Ehrlich: Laden Sie mich ein, und wenn es möglich ist, komme ich wirklich gerne.

Das Gespräch führte John Rezek.