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Der „Neue“ läuft sich warm

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Zur Ansicht der Galerie bitte Foto klicken. © Gundula Miethke / Rotary International

Am 1. Juli 2020 übernimmt Holger Knaack als erster deutscher Rotarier das Amt des Präsidenten von Rotary International. Zur Vorbereitung sind er und seine Frau Susanne schon seit Monaten unterwegs zu internationalen Veranstaltungen und Besprechungen im Hauptsitz von Rotary in Evanston.

01.01.2020

Dienstag, neun Uhr morgens im Büro im 18. Stock. Die Brille sitzt. Holger Knaack trinkt zusammen mit seiner Frau Su­sanne Kaffee und geht dabei das Programm des Tages durch. Gerade gestern sind sie aus Manila gekommen, davor waren sie in Atlanta und davor in Dubrovnik. Insgesamt haben sie schon fünf GETS und Zonenkonferenzen in Nordamerika absolviert und drei in Europa, Afrika und Asien. Das Reisepensum ist bereits im Jahr vor der Präsidentschaft intensiv.

Redetraining
Die Presidential Aides erscheinen. Jedem Präsidentenpaar werden Rotarier als sogenannte Aides zur Seite gestellt. Das ist in der Regel ein Ehepaar, das bei allen Aspekten des anstrengenden Besuchsprogramms berät, aushilft und manchmal mitreist. Für Holger und Susanne Knaack sind dies Andy und Anita Smallwood aus Texas. Die beiden Männer kennen sich bereits aus dem Board of Directors (RI-Zentralvorstand). Seit der Zeit sind auch die Ehefrauen befreundet.

Der erste Arbeitstermin steht an: RI-Mitarbeiter Dan Conley kommt vorbei, um die letzten Details zur Hauptrede für die International Assembly im Januar zu besprechen, bei der Holger Knaack als Präsident elect zu den neu ins Amt kommenden Governors sprechen wird. Dan Conley hilft bei der englischen Formulierung der vielen Reden, die zu halten sind, aber auch bei anderer Kommunikation.

Dan und die Aides ebenso wie Frau Susanne kommen auch zum nächsten Termin mit – als kritisches Publikum, denn als Nächstes steht Redetraining auf dem Programm. Im großen Auditorium probt Holger Knaack den Auftritt vor Rotariern. Er ist es gewohnt, vor großen Gruppen zu sprechen, doch Kommunikationsberaterin Anne Linehan achtet auf die Feinheiten. Sie gibt Tipps für den Vortrag, macht Vorschläge für die Struktur spontaner Reden und achtet auf Körpersprache. „Wenn Sie ein Thema abgeschlossen haben, bewegen Sie sich einfach an eine andere Stelle auf der Bühne und fangen Sie dort mit dem neuen Thema an“, rät sie. Trainee Knaack probiert es gleich einmal aus.

Zu Rotary-Mitgliedern zu sprechen ist ein wichtiger Teil der Aufgaben eines Präsidenten elect, aber längst nicht alles. „Der Präsident elect ist reguläres Mitglied des Board of Directors. Er hat also weitgehend die Aufgaben, die auch Direktoren haben“, sagt Andrew McDonald, Deputy General Counsel, der für alles rund um Board Meetings zuständig ist. „Dazu kommen dann noch 15 weitere Pflichten speziell als Präsident elect, die im Code of Policies im Abschnitt 30.010 aufgelistet sind.“ Dazu zählen Planung und Benennung der Ausschüsse sowie deren Besetzung, Vorlage des Jahresbudgets, Benennung der Präsidenten-Repräsentanten auf den Distriktkonferenzen und die Auswahl der zu besuchenden Zonenkonferenzen.

Mittag. Höchste Zeit für eine wohlverdiente Mahlzeit im hauseigenen „Café International“. Es ist Sushi-Tag, es gibt aber auch amerikanische Klassiker wie Cheeseburger und Pommes. Holger und Susanne Knaack halten sich lieber an die Salatbar. Wie ist es mit dem Essen auf Reisen, wollen wir wissen. „Im Zweifelsfall vegetarisch“, sagt Holger Knaack. Damit liege man immer auf der sicheren Seite, habe ihm RI-Past-Präsident Ravi Ravindran geraten. Und was, wenn ihm fern der Heimat einmal der Sinn nach deutschem Brot und Brötchen steht? Zumindest in Evanston machen sich die Knaacks da keine Sorgen, haben sie doch gleich in der Nähe eine kleine Bäckerei mit europäischen Spezialitäten entdeckt.

Straffe Terminorganisation
Zum Nachtisch gibt es eine Runde E-Mails auf dem Diensthandy und dazu Kaffee und eine Tüte Haribo-Goldbären, die Ehefrau Susanne organisiert hat. Und ab zum nächsten Termin. Apropos Termin – wer plant eigentlich all die Meetings und gibt es eine Art „Fahrplan“ für das Präsident-elect-Jahr?

Hier kommen Büroleiterin Kate Yonan und Assistentin Clarice Cottrell ins Spiel, die bei Terminplanung und Organisation genereller Aktivitäten wie zum Beispiel Reisen und Meetings rund um das Präsident-elect-Amt helfen. „Für das Jahr als Präsident elect gibt es eine terminliche Abfolge von Treffen, Aufgaben und Entscheidungen, die sich über Jahrzehnte aus der Praxis entwickelt hat“, erläutert Kate Yonan. Das sorge für die reibungslose Zusammenarbeit mit den einzelnen Abteilungen der RI-Zentrale.

Außerdem koordiniert sie die Orientierungstreffen. Die erste und wichtigste Einheit ist im Oktober und betrifft Grundlegendes zu Budget und Finanzen, International Assembly-Programm, Präsidentenmotto und Reisen. „Da das meist auch die Partnerin des Präsidenten elect betrifft sowie die Aides, nehmen auch sie an der Orientierung teil“, so ­Kate Yonan. Wie involviert jedoch die Partnerinnen in die Präsidentschaft sind, ist ganz individuell.

Für Susanne Knaack ist bei einer Partnerschaft grundsätzlich die Teamarbeit das Wichtigste. Deshalb ist es für sie keine Frage, dass sie die Vorbereitungszeit sowie das Amtsjahr ihres Mannes engagiert begleitet. Mit Rat und Tat (und manchmal auch mit Gummibärchen). Dabei hilft ihr, dass sie selbst Rotarierin ist und ihr die Organisationsstrukturen von Rotary International nicht völlig fremd sind. Einige Rede-Auftritte hat sie im Rahmen der kürzlich besuchten Institute schon hinter sich – meist drehte es sich darum, ihren Mann öffentlich vorzustellen, ein anderes Mal hielt sie eine „Invocation“, ein überkonfessionelles Gebet zu Anfang einer Veranstaltung. Und das Design für den Partnerschal zur Präsidenten-Krawatte hat sie ebenfalls mitentwickelt.

Detailreiche Planung
Am Nachmittag steht der Jahreskongress in Taipeh 2021 auf dem Programm. Schon jetzt läuft die Planung an, denn es sind Tausende von Programmdetails zu klären. Zuerst schaut man sich im Videoraum die neueste Version des Promo-Videos an. Im nachfolgenden Treffen vermittelt Präsident elect Knaack den Mitarbeitern seine Vorstellungen, was auf der Bühne passieren sollte. Es geht um die Abfolge von Rednern und Themen, um Prominente, Zeitabläufe und vieles mehr.

„Der Präsident elect arbeitet vor allem mit den Teams ‚Leadership Development and Training‘ und ‚Meetings and Events’ zusammen, um den Inhalt und zum ­Beispiel die Breakout Sessions für die International Assembly und später die International Convention zum Abschluss seines Präsidenten-Jahres zu entwickeln“, erklärt Kate Yonan. Dazu komme noch das Regional Leaders Support Team, da der Präsident elect auch die Regional Leaders ernennt, sowie das Mitarbeiter-Team, das für den Schwerpunktbereich zuständig ist, den der Präsident elect setzen möchte. Bei Holger Knaack sind das die Rotaract- und die Membership-Experten.

19 Uhr, endlich Feierabend. Der Jetlag macht sich bemerkbar und Ehepaar Knaack ist froh, sich in der Dienstwohnung ausruhen zu können. Für die amtierenden Präsidenten hält Rotary International in Evanston nämlich solche Wohnungen bereit – möbliert und nur wenige Minuten Fußweg vom Hochhaus mit dem Zentralbüro entfernt. Wir dürfen auch mal schauen, aber erst morgen Mittag.

Mittwoch, wieder neun Uhr morgens, wieder im Präsident-elect-Büro. Knaacks und Smallwoods sitzen am Besprechungstisch und warten auf das nächste Meeting – ein Update zu den Friedenszentren. Auf dem Schreibtisch liegt ein riesiges Paket aus Fernost. Darin die Devotionalien, die ein Präsident elect auf seinen Reisen so geschenkt bekommt. Nach dem Meeting wird ausgepackt: eine Glasschale, eine Art Turban, eine Intarsien-Schatulle, eine Mini-Rikscha und jede Menge große Banner und Clubwimpel. Noch ist Platz im Büro und die Sachen wandern erst einmal in ein Regal.

Mittags steht unser Fototermin in der Dienstwohnung an. Der Eingang ist unauffällig. Durch eine kleine Eingangshalle geht es an der Pförtnerin vorbei in den Fahrstuhl. Die Wohnung ist hell und gemütlich eingerichtet: zwei Schlafzimmer mit Bad und kleinem Balkon, eine Kochzeile, Ess-/Wohnzimmer. Die Knaacks haben nichts von zu Hause mitgebracht. Nur zwei kleine Digitallautsprecher mussten sein, damit sie den Heimatsender NDR 2 hören können.

Hier können die Knaacks nicht nur entspannen, sondern auch Gäste empfangen. So kommen zum Beispiel bei den Sitzungen der Ausschüsse und des Boards die Mitglieder vor dem Dinner auf einen Drink vorbei. „Wir haben schon vier dieser Empfänge mit bis zu 20 Personen bei uns veranstaltet“, meint Susanne Knaack. „Für den Board, das Membership Committee, Elevate Rotaract und das Partnership Committee. Meistens gibt es dann Chips, Erdnüsse und Käsewürfel, manchmal auch Fingerfood vom Catering Service.“ Und Holger Knaack fügt hinzu: „Die Ausschussmitglieder kommen halt schon mal ganz gerne schauen, wie der Präsident untergebracht ist.“

Abstimmung und Kontinuität
Wie hat er seine bisherige Einarbeitungszeit als Präsident elect empfunden, wollen wir wissen. Kann man gar einige Unternehmerkompetenzen in so einem Amt gebrauchen? „Sicher fällt es einem leichter, mit vielen verschiedenen Mitarbeitern professionell umzugehen. Und es hilft natürlich, dass man gelernt hat, mit Zahlen umzugehen und Bilanzen zu lesen“, stimmt Holger Knaack zu. „Auf rotarischer Ebene hat mir auch die Tätigkeit als Direktor im Board und der Kontakt zu anderen Präsidenten einen Eindruck vermittelt von den Aufgaben, die auf mich zukommen.“ Zu denen gehört zum Beispiel auch so etwas wie Termine, Dauer und Orte für die Board-Meetings in seinem Präsidentenjahr im Voraus festzulegen (was der Board dann aber noch genehmigen muss).

Die Arbeit im Board of Directors ist eine wichtige Arbeit, die der Präsident elect dank der Kontinuität und Abstimmung in der Führungsarbeit mitprägt. Dazu treffen sich die Präsidenten nominee, elect und der amtierende Präsident viermal im Jahr mit dem Generalsekretär. „Wenn wir unsere Ziele abstimmen, dann kann man gemeinsam auch etwas erreichen. So verstehe ich das Amtsjahr auch nicht als ,mein‘ Jahr“, erklärt Holger Knaack.

Auch bei der Entwicklung des Jahresmottos und der Jahresziele durch den Präsidenten elect setzt Rotary auf Abstimmung und Kontinuität. „Die Ziele entwickelt der designierte Präsident gemeinsam mit dem designierten Vorsitzenden der Foundation Trustees – und in enger Abstimmung mit Tom Thorfinnson, dem Chief Strategy Officer von RI“, beschreibt Andrew McDonald. Und auch Rotarys Strategischer Plan stellt natürlich eine gewisse Kontinuität sicher, wobei Holger Knaack großen Wert darauf legt, die Ziele des Plans auf jede Region anzupassen. „Wenn wir mit dem Plan Erfolg haben wollen, müssen wir die Vielfalt, mit der Rotary gelebt wird, berücksichtigen. Der Board, in dem Direktoren aus unterschiedlichen Regionen vertreten sind, ist da genau das richtige Instrument“, ist Knaack sicher.

Arbeitsreiche Zeit
Morgen ist der letzte Arbeitstag für die Knaacks in Evanston. Sie reisten mit einem relativ überschaubaren Terminkalender an, doch der füllte sich schnell. „Die arbeitsreichste Zeit ist das Präsident-elect-Jahr. Dort laufen die meisten Vorbereitungen, Planungen und Entscheidungen“, weiß Kate Yonan. Eigentlich ein stressiges Amt also. Warum strebt man es dann an?

Weil er sich den Mitgliedern von Rotary von Anfang an verbunden fühlte. „Es ist einfach toll, auf interessante Menschen zu treffen mit ganz anderen Blickwinkeln, Berufen und Kulturen, zu denen man durch die gemeinsamen Werte und das Engagement gleich einen guten Draht bekommt“, so Knaack, der seit 27 Jahren dabei ist. „Aus diesem Grund liegt mir viel daran, unsere Organisation und ihre Mitglieder auf einen guten Weg in eine Zukunft zu bringen, in der sich Junge wie Alte generationsübergreifend wohlfühlen, und natürlich brauchen wir mehr junge und mehr weibliche Mitglieder.“ Und da er durch sein Engagement als Leiter des Jugendaustauschs in Deutschland und dann als Direktor im Board erfahren konnte, dass man in einem Amt bei Rotary wirklich etwas bewirken kann, war das die Grundlage, sich zur Wahl des Präsidenten zu stellen.

Die nächsten Reisen sind schon geplant: Im Januar zur International Assembly nach San Diego und im Februar in Sachen Polio nach Pakistan zu einem Gespräch mit dem dortigen Premierminister. Sieht aus, als müsste Susanne Knaack für eine Großration Gummibärchen sorgen …

Aufgaben des Präsidenten elect von RI

1. Zusammenarbeit mit Präsidenten und Präsidenten nominee
2. Vom Präsidenten übertragene Aufgaben, inkl. Teilnahme an Rotary-Instituten
3. Vorbereitung auf Führung von RI
4. Bezug des Büros des Präsidenten elect im Hauptsitz von RI. Er erhält angemessene finanzielle und
personelle Unterstützung von RI.
6. Leitung, Planung und Überwachung aller Aspekte der International
Assembly, inkl. Budget
7. Mitwirkung an Vorbereitung des RI-Budgets für sein Präsidentenjahr
8. Mitgliedschaft im Finanzausschuss von RI
9. Zusammenarbeit mit Generalsekretär und RI-Mitarbeitern bezüglich Planung seines Präsidentenjahres
10. Teilnahme an allen Board-Sitzungen
11. Entwicklung von Zielen in Zusammenarbeit mit dem Trustee-Vorsitzenden elect
12. Planung seiner Convention

a Abstimmung mit dem Generalsekretär bezüglich Personal für Planung
b
Termine für Convention-Ausschusssitzungen
c
International Assembly: eventuell Richtlinien für die Governors elect bezüglich Werbung für Convention

13. Ernennung des Moderators für International Assembly und Sicherstellung ordnungsgemäßen Trainings
14. 
Entschuldigt Governors elect, die an International Assembly nicht teilnehmen können
15. 
Abstimmung mit dem Board über Ausschüsse für sein Amtsjahr

 

Gundula Miethke und Stefan Meuser


Gundula Miethke und Stefan Meuser arbeiten als Regional Communication Specialists Europe/Africa (German Team) im RI-Hauptsitz in Evanston/USA.