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Standpunkt

Erkennen, erproben, einführen – rechtzeitig!

Standpunkt - Erkennen, erproben, einführen – rechtzeitig!
Peter Iblher © Privat

Im April wird über eine Reorganisation rotarischer Strukturen in einem Pilotprojekt in der Region um Australien entschieden. Hoffentlich, meint Peter Iblher

Peter Iblher01.02.2022

Schon vor dem Ausbruch der Pandemie haben sich bei Rotary weltweit Probleme offenbart, die vor allem die Entwicklung der Mitgliedschaft betreffen. Nicht überall in gleicher Weise – die deutschsprachigen Länder etwa zeigten weniger Ermüdungserscheinungen als andere –, aber bei insgesamt ungünstiger Tendenz müssen wir rechtzeitig mit Strukturanpassungen entgegenwirken und zukunftsstarke Perspektiven realisieren.

Bedenklich ist vor allem, dass unsere weltweite Mitgliedschaft in den letzten Jahren stetig abgenommen hat, obwohl die Weltbevölkerung stark wuchs. Im vergangenen Jahrzehnt haben mehr als 1,3 Millionen Mitglieder unsere Organisation nach kurzzeitiger Mitgliedschaft verlassen („Drehtüreffekt“). Auch die schon lange angestrebte Geschlechterbalance hat sich noch immer nicht eingestellt. Dies spricht für ein Motivations- beziehungsweise Bindungsproblem. Übrigens treten bei unserer Jugendorganisation Rotaract derlei Probleme nicht auf.

Unsere Führungsstruktur ist durch eine Vielfalt von Ebenen gekennzeichnet, die für Mitglieder und Clubs undurchsichtig ist und zu geringe Nutzwirkungen erbringt. Verbesserungsmaßnahmen und Dienstleistungsangebote von Rotary International dringen oft nicht bis zur Handlungsebene durch und werden trotz erheblicher Aufwendungen zu wenig genutzt. Häufig werden Führungspersonen einfach ernannt und gehen nicht aus einem qualifikationsorientierten und wettbewerblichen Wahlverfahren hervor. Und die Wahlperioden sind zu kurz, denn einjährige Ämter führen leicht zu kurzfristigen, unzusammenhängenden Handlungsperspektiven, verengen diese auf eine Innensicht und schaffen zu wenig dauerhafte Bindung und kaum ein positives Image für Mitglieder und das gesellschaftliche Umfeld. Ausgerechnet dann, wenn es um unsere humanitäre und ethische Außenwirkung geht.

Folgende Änderungen der organisatorischen Rahmenbedingungen könnten helfen:

• Regional differenzierte Gestaltung entsprechend der jeweiligen Mitgliedersituation und den gesellschaftlichen Bedürfnislagen je nach geografischen Räumen, Kultur und Sprache. In dünn besiedelten Regionen von Brasilien funktioniert Rotary anders als in deutschen oder österreichischen Großstädten.

• Verringerung der Hierarchieebenen, um Rotary beweglicher und effektiver zu machen. RI-Kommunikation und -Dienste müssen die Mitglieder direkt erreichen.

• Neudefinition von Führungspositionen, um sie transparenter, besser zugänglich, stärker fokussiert und leistbar zu machen.

• Auswahl von Führungspersonen durch demokratische Wahlen aufgrund von Fähigkeiten und Qualifikationen.

Ein erstes Organisationskonzept, wie es bisher mit dem Vorstand von RI entwickelt wurde, ist für eine Umsetzung noch zu schemenhaft. Es sieht vor, Distrikte in größere Regionen zu fassen, die von einem gewählten Vorstand geleitet werden. Solche Regionen könnten dann in Sektionen mit jeweils zehn bis 30 Rotary und Rotaract Clubs untergliedert werden. Für die Besetzung der Leitungspositionen gäbe es transparente, auf Qualifikationen gestützte und durch Wahlen legitimierte Wege. Alle Beteiligten könnten sich bei einem weltweit aktiven Beratergremium (Global Volunteer Cadre) Unterstützung für Mitgliedschaftsentwicklung, Projektorganisation, Spendenwerbung und Imagepflege einholen. Ein direkterer Zugriff auf zentrale Ressourcen würde möglich. Der Nutzen für die Mitglieder könnte sich wesentlich verbessern und unser Image intern und extern gewinnen.

Pilotverfahren ist vorbereitet

Natürlich muss ein solcher Organisationsentwurf tiefer ausgestaltet, erprobt und – nach inzwischen erfolgter Zustimmung des RI-Vorstandes – parlamentarisch durch das Council on Legislation (CoL) abgesichert werden. Vorstand und Management von RI haben deshalb einen Pilotversuch vorbereitet. Er würde in Zone 8 (Australien, Neuseeland, Papua/Neuguinea und südpazifische Inselstaaten) durchgeführt, da hier die oben beschriebenen Probleme besonders eklatant zutage treten. Das dort bereits aktiv gewordene regionale Planungs- und Umsetzungsteam will bis 2026 in evaluierten Versuchsschritten zu einem detaillierten Konzept kommen und eine regionale Reorganisation testen. Voraussetzung dafür ist, dass nicht nur das CoL in der kommenden Session vom 10.–14. April grünes Licht gibt, sondern dass auch die Gremien von Zone 8 dem Pilotverfahren zustimmen.

Wesentlich ist bei allen Überlegungen die Feststellung, dass die anvisierte Umgestaltung unsere grundlegenden Prinzipien, unsere zentralen Werthaltungen, unsere ethischen und Integritätsverpflichtungen, die Vier-Fragen-Probe und die Ziele von Rotary nicht verändert.

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