Rotary Aktuell
Faszination Taipeh
Heilige Tempel, imposante Wolkenkratzer, Ausflüge in die Berge, fantastisches Essen und ein schillerndes Nachtleben: In Taipeh, der lebendigen Hauptstadt Taiwans, findet die RI Convention 2021 statt.
Vor etwa 500 Jahren tauchte eine Insel im Westpazifik auf, mit hohen Berggipfeln und bedeckt von üppig-grünen Wäldern. Die dortige Zivilisation und Kultur waren mehrere Jahrhunderte alt. Aber für die portugiesischen Seefahrer, die sich im Paradies wähnten, war es eine unerwartete Entdeckung. Schon bald war das Eiland auf den Seekarten mit dem Namen verzeichnet, der ihm von den Portugiesen verliehen wurde: Ilha Formosa, die schöne Insel.
Die in Europa noch als Formosa bekannte, etwa 70 Seemeilen vor der Ostküste Chinas gelegene Insel, heißt heute Taiwan. Taiwan zählt zu den vier Tigerstaaten, jenen vier südostasiatischen Volkswirtschaften, die sich im späten 20. Jahrhundert dank ihres rasanten Wirtschaftswachstums zu Industriestaaten entwickelt haben und weiter wachsen. Symbolisch für das wundersame Wachstum Taiwans steht die Hauptstadt Taipeh, die rund um die Uhr eine atemberaubende Dynamik versprüht. Taipeh bildet daher das perfekte Setting für die RI Convention 2021 mit dem Motto „Feel the Energy“.
Pulsierende Stadt
Die Rotarier in Taiwan – der erste Rotary Club wurde 1948 in Taipeh gegründet – haben lange auf diesen Moment gewartet. Heute, 72 Jahre nach der ersten Gründung, bestehen in Taiwan fast 900 Clubs mit etwa 35.000 Rotariern. Die zwölf Distrikte organisieren gemeinsam die Convention 2021 vom 12. bis 16. Juni. „Die Vorbereitungen laufen bereits seit fünf Jahren“, sagt Kenneth M. Schuppert Jr., Vorsitzender der Convention. „Die Rotarier in Taiwan sind sehr stolz und möchten auf der Convention ihre Hauptstadt und ihr Land von der besten Seite zeigen.“
Schuppert, Mitglied im RC von Decatur in Alabama (USA), unterstützte Past-RI-Präsident Gary C.K. Huang, seit 1976 Mitglied im RC von Taipeh, bei der Organisation. Lynn Schuppert, ebenfalls Mitglied im RC von Decatur, stand Huangs Frau Corinna bei den Vorbereitungen zur Seite. Schuppert und seine Frau Lynn waren bereits mehrere Male in Taipeh und freuen sich auf ihre nächste Reise. „Taipeh ist so interessant“, schwärmt Schuppert. „Zwischen der modernen Architektur tauchen immer wieder wunderschöne historische Tempel auf.“ Schuppert lobt in höchsten Tönen das lebhafte Pulsieren der Stadt, zum Beispiel in Gestalt der Nachtmärkte, die Sauberkeit und die vielen Wunder der Natur, von den Pocket-Parks in der Stadt bis hin zu den Trails in den nahegelegenen Bergen.
Außerdem schwärmt er, wie zahlreiche andere Besucher auch, vom Essen. Taiwan bietet eine abwechslungsreiche Küche und selbst eine einfache Mahlzeit wird zum Ereignis, da Taiwanesen die Gesellschaft alter und neuer Freunde beim Essen schätzen. Schuppert hat einige Tipps für Rotarier parat, die von einem taiwanesischen Gastgeber zum Essen eingeladen werden. „Essen Sie den Teller nur leer, wenn Sie wirklich noch mehr möchten“, erklärt er. „Wenn Sie denken, das Essen sei vorbei, liegen Sie wahrscheinlich falsch. Bestimmt kommt noch etwas auf den Tisch.“ Schuppert betont auch die Freundlichkeit der Bevölkerung und legt Besuchern der Convention 2021 ans Herz, sich von ortsansässigen Rotariern die Wunder von Taipeh zeigen zu lassen. Wir haben diesen Rat befolgt und Tipps von fast einem Dutzend Rotariern und Rotaractern zusammengetragen, die bestens mit der Stadt vertraut sind. Unsere Tour beginnt mit einer ungewöhnlichen Sehenswürdigkeit, die jedoch bei Schuppert ganz oben auf der Liste steht: der Metro Taipei.
Die Metro
In einer unbekannten Stadt müssen Besucher erst einmal herausfinden, wie sie von A nach B kommen. In Taipeh nutzt man hierfür am besten Taipei Mass Rapid Transit, kurz: Taipei MRT oder Metro Taipei. Rotarierin und Rotaracterin Julie Chu erklärt, dass die Metro Taipei mehr ist als nur Beförderungsmittel.
Chu wurde in Taipeh geboren, verbrachte jedoch die meiste Zeit ihrer Jugend im Ausland. Als sie im Alter von 25 Jahren in ihre Heimatstadt zurückkehrte, musste sie sich die Stadt neu erschließen. „Bei meiner Rückkehr nach Taipeh habe ich mich wie eine Touristin gefühlt“, erläutert Chu. „Ich konnte zwar die Sprache, aber vieles war mir fremd. Mit der Metro habe ich nach und nach die Stadt erkundet.“ Die Metro brachte sie in Viertel mit unterschiedlicher ethnischer Zusammensetzung wie Little Manila. Sie fuhr mit der Metro ans Meer und erreichte mit der gleichen Linie in der anderen Richtung die Berge. Mit der roten Linie 2 kam sie zur Mündung des Tamsui. Dort konnte sie den Sonnenuntergang genießen, Livemusik hören und am Strand entlangspazieren. Die Metro hält auch an der Maokong-Gondelbahn, mit der Besucher zum Teehaus und den Plantagen im Dorf Maokong gelangen. In der Innenstadt fahren die Züge meist unterirdisch. Dies ändert sich bei manchen Linien, wenn man sich vom Stadtzentrum entfernt. Chu konnte sich also auf Fahrten aus der Stadt heraus wieder mit der taiwanesischen Landschaft vertraut machen.
Chu lernte auch weitere Vorteile der Metro zu schätzen. In den Stationen gibt es gesicherte Wartebereiche für Frauen, die nachts unterwegs sind. Es wird auch Rücksicht auf Passagiere mit Einschränkungen genommen: Als Chu mit einem befreundeten Rotarier unterwegs war, der sich ein Bein gebrochen hatte, bot Taipei Mass Rapid Transit den Service einer Begleitperson an. Chu und Schuppert betonen beide, wie sauber die Metro Taipei ist. In den Stationen und Zügen ist Essen und Trinken nicht gestattet. Selbst die WCs sind makellos. In den WC-Räumen der Metrostation in der Nähe von Chus Wohnung stehen sogar frische Blumen. Chu hat einen tollen Tipp: Manchmal geht Chu nur in eine Metrostation, um das WC aufzusuchen. „Das Aufsichtspersonal lässt mich häufig umsonst rein, wenn ich sage, dass ich nur schnell auf die Toilette möchte.“
In der Metro findet sich jeder schnell zurecht. Die Pläne stehen auf Englisch zur Verfügung, die Mitarbeiter an den Infoständen der Stationen sprechen ebenfalls Englisch. Die Züge fahren oft und sind pünktlich. Die Teilnehmer erhalten für die Dauer der Convention einen kostenlosen Metropass. Das erleichtert die Anreise zum Taipei Nangang Exhibition Center, dem Veranstaltungsort unserer Convention mit eigener Metrostation.
Der Fahrstuhl in den Himmel
Taipei 101 ist wirklich nicht zu übersehen. Der Wolkenkratzer dominiert die Skyline der Stadt. Bei seiner Eröffnung im Jahr 2004 war der Turm mit seinen 101 Stockwerken das höchste Gebäude der Welt, bis es diesen Titel 2009 an den Burj Khalifa in Dubai abgeben musste. Der Turm thront mit seinen 508 Metern über der Stadt. Fast alle Rotarier, mit denen wir gesprochen haben, nannten Taipei 101 als unverzichtbaren Stopp bei einer Tour durch Taipeh.
Einige sagen, der Turm erinnert an eine Pagode, andere finden, der Turm sehe aus wie ein Stück Bambus. Taiwan wird häufig von Erdbeben und Taifunen heimgesucht. Taipei 101 wurde daher so konzipiert, dass er einem Erdbeben der Stärke 9,0 standhält. Ein 660 Tonnen schwerer Schwingungstilger mit goldfarbener Stahlkugel stabilisiert das Gebäude bei Stürmen. (Der Schwingungstilger befindet sich zwischen dem 87. und 92. Stockwerk.)
Die Fahrt mit dem Fahrstuhl vom 5. bis zum 98. Stockwerk dauert nur 37 Sekunden. Eine Aussichtsplattform befindet sich im 89. Stockwerk im Inneren des Gebäudes, eine zweite im 91. Stockwerk im Freien. Darüber hinaus dürfen Besucher seit vergangenem Jahr auch das 101. Stockwerk besichtigen. Bisher war dies ausschließlich VIP-Gästen vorbehalten. Beim Besuch der Aussichtsplattform im Freien muss ein Sicherheitsgurt getragen werden. Tickets für die Aussichtsplattformen sind online oder direkt im Turm für etwa 20 Dollar erhältlich.
Schauen Sie vor oder nach der Besichtigung der Aussichtsplattform in den exklusiven Geschäften in den unteren Stockwerken vorbei oder gönnen Sie sich eine Zwischenmahlzeit. Das legendäre Restaurant für Teigtaschen in Taipeh „Din Tai Fung“ unterhält eine Filiale in Taipei 101. Die Hauptniederlassung befindet sich in der Xinyi Road. Weitere Restaurants für ein Essen mit ungewöhnlicher Aussicht befinden sich auf den Stockwerken 85 und 86.
Eine Wanderung in den Bergen
Während Taipei 101 einen 360°-Panoramablick über die Stadt ermöglicht, genießt Rotaracterin Vickie Tso vor allem nachts den Blick auf die Skyline gerne vom Elephant Mountain aus, eine Station von Taipei 101 entfernt. Bis zum Gipfel des Elephant Mountain oder Xiangshan müssen 600 steile, aber gepflegte Treppenstufen erklommen werden.
Da sich über Taiwan zahlreiche Berge erstrecken, sind Wanderungen beliebte Freizeitaktivitäten der Einheimischen. Tso empfiehlt auch einen Besuch des Yangmingshan-Nationalparks an der Nordspitze der Insel. Der Nationalpark ist leicht mit dem Bus, Taxi oder Auto erreichbar. Besucher finden hier zahlreiche Wanderwege, Wasserfälle, Wiesen mit Zantedeschien (Calla), dichte Wälder und offene Grasflächen mit Kühen. Für das leibliche Wohl ist gesorgt. Im Yangmingshan-Nationalpark sowie in der unmittelbaren Umgebung warten Cafés und Restaurants, von denen einige einen Panoramablick über die Stadt bieten.
Rotarier Koji Fukuhara bevorzugt Wanderungen auf dem kleineren Guanyinshan, dessen Gipfel in etwa einer Stunde erreichbar ist. Nach einer Wanderung belohnt sich Fukuhara mit einem Brathähnchen in einem der nahegelegenen Restaurants. Dieses in Taiwan beliebte Gericht wird zunächst mit Fett übergossen und dann in großen Tonbehältern geschmort. Zum Schluss wird die Haut bei höherer Temperatur knusprig gebraten. „Es ist saftig und salzig“, erläutert Fukuhara. „Dazu werden Beilagen, Suppe und Bier gereicht.“
Ein Bad in heißen Quellen
Ein Besuch der schwefelhaltigen heißen Quellen ist für Touristen eine beliebte Attraktion, für Einheimische gehört dies jedoch zum Alltag. „Einige meiner Freunde gehen jeden Morgen und Abend zu den heißen Quellen“, so Tony Chang, Past-Governor von Distrikt 3500 (der heute in zwei Distrikte – 3501 und 3502 – unterteilt ist). „Es ist ein Gemeinschaftserlebnis.“
Zu den bekanntesten heißen Quellen in Taipeh gehören die heißen Quellen von Beitou sowie die Yangmingshan-Quellen im gleichnamigen Nationalpark, wo auch aktive und inaktive Vulkane liegen. Chang fährt zum Baden gerne nach Jiaoxi, etwa eine Stunde von Taipeh entfernt: „Jiaoxi ist eine kleine Stadt an der Ostküste“, so Chang. „An den heißen Quellen unter freiem Himmel der dortigen Resorts und Hotels sind Sie von Bergen und Wäldern umgeben und haben gleichzeitig einen wundervollen Blick auf den Ozean.“
„In Taipeh gibt es sehr viele Sehenswürdigkeiten“, sagt Catherine Hsieh, die Frau von Yen-Shen Hsieh, Past-Governor von Distrikt 3480 (der heute in zwei Distrikte – 3481 und 3482 – unterteilt ist). „Wir haben schöne Natur wie Strände und Berge, aber auch eine historische Schatzkammer: das Nationale Palastmuseum.“
Das Museum beherbergt nahezu 700.000 chinesische Kunstgegenstände, von denen einige auf 5000 vor Christus datiert werden. Hsieh, Mitglied und ehemalige Präsidentin des Verbands der Museumsführer, empfiehlt ob dieser Fülle, bei der Jadesammlung zu beginnen. Die Sammlung umfasst filigrane Arbeiten aus Jade – Tiere, Figuren, Vasen und Schmuck. Das berühmteste und wertvollste Stück im Nationalen Palastmuseum ist der Jadekohl, die einzigartige Darstellung eines Kohlkopfs, geschnitzt aus einem einzigen Stück grün-weißer Jade. In einer für ihr Essen bekannten Stadt ist es wohl kein Wunder, dass ein weiteres berühmtes Werk der Sammlung des Museums der Fleischstein aus Jasper ist.
Die renommierte Bronzesammlung des Museums umfasst verschiedene Glocken aus dem 13. Jahrhundert vor Christus sowie rituelle Kessel mit Darstellungen von Kriegshandlungen, Hochzeiten und Landzuteilungen, die bis ins 9. Jahrhundert vor Christus zurückreichen. Ausgestellt wird auch die Schatzkammer des Kaisers, eine Sammlung an Gegenständen, die der kaiserlichen Familie und ihrem Hofstaat vorbehalten waren. Einer der Schätze besteht aus einer Kugel aus Elfenbein, in die eine weitere Kugel geschnitzt ist.
Im Museum werden auch Gemälde, Kalligrafien und Kostüme sowie wunderschöne Seladon- und Ding-Keramiken gezeigt. Um die Hauptattraktionen zu sehen, sollten Sie für Ihren Besuch mindestens drei Stunden einplanen. Der Eintritt kostet etwa 12 Dollar, Führungen sind kostenlos und werden auf Englisch angeboten.
Weitere Highlights
Die Rotaracter und Rotarier wollten uns vor allem Geheimtipps präsentieren, haben aber auch touristische Highlights vorgestellt. Past-Governor von Distrikt 3450, Eric Chin, lebt in Hongkong, ist aber oft in Taiwan zu Besuch. Er empfiehlt einen Besuch des Mengjia Longshan-Tempels. Er hält diesen Tempel in einer Stadt voller Tempel für etwas Besonderes. Der 1738 gegründete Tempel gehört zu den ältesten von Taipeh. In ihm werden verschiedene Volksgottheiten aus drei Glaubensrichtungen verehrt: Taoismus, Buddhismus und Konfuzianismus. Einige Besucher werfen mit dem Wunsch, ihre Zukunft vorherzusehen, rote halbmondförmige Holzstücke in den Innenhof.
Paul Kuo, Past-Governor von Distrikt 3522, schlägt einen Besuch des Zoos in Taipeh vor, insbesondere, wenn Sie mit Kindern zur RI Convention reisen. Sein Lieblingsbereich zeigt in Taiwan beheimatete Tiere. Der Taiwanische Schwarzbär beispielsweise ist für die Taiwaner ein Symbol des Stolzes. Nach dem Zoobesuch lohnt sich eine Fahrt mit der Maokong-Gondelbahn. In Maokong bietet sich Ihnen ein idyllischer Blick auf die Umgebung und Sie können sich vom Trubel der Stadt erholen.
Pauline Leung, Generalsekretärin des Host Organisation Committees für die Convention 2021, empfiehlt einen Spaziergang entlang der Dihua-Straße, einem historischen Handelszentrum voller Märkte, Teehäuser, Kunstgalerien und traditioneller Architektur. Der Xiahai Chenghuang-Tempel für den Gott der Stadt beherbergt über 600 Statuen chinesischer Gottheiten.
Vickie Tso schwärmt von den Radwegen entlang der Flüsse Tamsui und Keelung. Fahrräder können Sie einfach ausleihen: Leihstationen für das Taipei Bike Sharing System, inoffiziell YouBike genannt, finden Sie in der Nähe von Metrostationen, Touristenattraktionen und an anderen Orten in der Stadt. Die Leihgebühr können Sie per Kreditkarte bezahlen, 30 Minuten kosten nur 30 Cent.
In mancher Hinsicht ist das Fahrrad das ideale Beförderungsmittel für die Erkundung von Taipeh und der Umgebung. Wenn Sie sich mit dem Fahrrad durch diese pulsierende Stadt und die umliegende grüne Landschaft bewegen, können Sie vielleicht nachvollziehen, warum die portugiesischen Seefahrer dieser Insel im Südchinesischen Meer den Namen Ilha Formosa verliehen haben. Nach fünf oder mehr Tagen in Taipeh, in denen Sie die Energie der RI Convention und der Stadt in sich aufgesogen haben, finden Sie vielleicht auch einen neuen Namen für dieses Inselparadies: Insel der Sehnsucht.
Die Autorin Susie L. Ma ist Journalistin aus Boston und schreibt regelmäßig für das US-amerikanische Magazin Rotary
Anmeldung und Infos: convention.rotary.org