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Thema Wertegemeinschaft

Gemeinsame Erklärung der Governors von 2007/08

Thema Wertegemeinschaft - Gemeinsame Erklärung der Governors von 2007/08
Die Governors der Crew von 2007708 © Rotary

Die Governorcrew von 2007/2008 stieß während ihrer Amtszeit eine Debatte über Rotary als Wertegemeinschaft an. Zehn Jahre später fragen die Past Governors, was aus der Diskussion geworden ist.

31.05.2018

§ 5 TMG, § 55 Abs. 2 RStV und Art. 4 Nr.7 DS-GVO

Die 19 Governors 2007/2008 aus Deutschland, Österreich, der deutschsprachigen Schweiz und Ungarn fühlen sich nicht nur freundschaftlich eng verbunden; vielmehr teilen sie darüber hinaus bestimmte Grundüberzeugungen, die sich auf die Rolle und den Stellenwert von Rotary sowie auf die Konsequenzen beziehen, die sich hieraus für alle Rotarierinnen und Rotarier ergeben.

Die Governors 2007/2008 haben den Versuch unternommen, ihr gemeinsames Verständnis in einigen wenigen Thesen zusammenzufassen, die sie nachstehend wiedergeben und zur Diskussion stellen. Es sind vor allem die Inhalte dieser Thesen, von denen sie sich bei ihren Aktivitäten im kommenden rotarischen Jahr leiten lassen werden.

Rotary ist eine Wertegemeinschaft!

„Where is Rotary going to?” Wohin führt die Zukunft von Rotary? Viele werden die Antwort kennen, die der irische Schriftsteller und Nobelpreisträger George Bernard Shaw auf diese von ihm selbst gestellte Frage gegeben hat.

Ganz so einfach, wie der berühmte Spötter Shaw wollen und können wir es uns nicht machen. Seine Frage ist dennoch gerade heute berechtigter, denn je:

Es sind außerordentlich unterschiedliche Ansätze und Ausprägungen des rotarischen Selbstverständnisses, die sich unter dem Dach von Rotary International zusammen gefunden haben. Erinnert sei etwa an die teilweise anzutreffende Skepsis, mit der die Aktivitäten der Rotary Foundation von europäischen Rotariern beurteilt werden. Erinnert sei weiter an die Diskussionen, welche die Gründung des einen oder anderen neuen Rotary Clubs gerade in Deutschland auszulösen pflegt und erinnert sei schließlich an sehr unterschiedliche Auffassungen darüber, ob Rotarier sich als Elite zu verstehen haben, und, wenn ja, welche Konsequenzen sich hieraus ergeben. Manche ältere rotarische Freunde klagen darüber, dass die clubinterne Pflege der Freundschaft immer mehr abnehme, jüngere, beruflich stark beanspruchte Rotarier fühlen sich eingeengt durch die rotarischen Präsenzregeln, weshalb es keineswegs von ungefähr kommt, dass sich die Delegierten des Council on Legislation in ihrer jüngsten Sitzung mit einigen Anträgen zu befassen hatten, die eine Aufweichung oder gar Abschaffung der Präsenzpflicht zum Ziel hatten.

Mancher mag all diese Erscheinungen für nicht so wichtig halten. Dies ändert jedoch nichts daran, dass sich in ihnen allgemeine gesellschaftliche Entwicklungen spiegeln. Wirtschaftliche Veränderungen im Zuge der Globalisierung haben ein Tempo erreicht, das viele zu überfordern droht; prognostizierte Klimaveränderungen, Bevölkerungswachstum und Energieverknappung dringen in das öffentliche Bewusstsein vor, und Konflikte zwischen Staaten oder Ethnien werden immer öfter mit religiösen Motiven begründet. All dies führt dazu, dass herkömmliche Denk- und Verhaltensmuster nicht mehr wie gewohnt funktionieren und deshalb neu geprüft und gegebenenfalls den geänderten Verhältnissen angepasst werden müssen.

Es bestehen also mehr als gute Gründe, um die Frage aufzuwerfen, wie die Zukunft Rotarys unter diesen Rahmenbedingungen aussehen kann. Wir, die Governors des Jahres 2007/2008, wollen uns nicht anmaßen, eine abschließende Antwort auf diese Frage zu geben. Auch haben wir nicht die Absicht, das rotarische Rad neu zu erfinden. Jedoch sind wir der Meinung, dass es an der Zeit ist, sich an die uns allen gemeinsamen Grundlagen der rotarischen Idee zu erinnern und die Gemeinsamkeiten herauszustellen, die alle Rotarierinnen und Rotarier verbinden.

Zweifelsfrei versammelt sich in der überwiegenden Zahl unserer Rotary Clubs eine Funktionselite. Hierüber freuen wir uns, zeigt dieser Umstand doch, dass sich viele Führungskräfte unserer Gesellschaft nach wie vor für die rotarische Idee gewinnen lassen. Dennoch aber definieren sich Rotarier nicht durch das, was sie sind, sondern durch das, was sie tun. Folglich kann sich Rotary nicht alleine darin erschöpfen, eine Plattform für gesellschaftliche Begegnungen im Kreis der Funktionselite zu bieten. Nach unserem Verständnis ist Rotary mehr, nämlich vor allem anderen eine Wertegemeinschaft. Die Richtigkeit dieser Aussage lässt sich unmittelbar aus der Vier-Fragen-Probe und aus dem „Ziel von Rotary“ ableiten. Diese rotarischen Grundprinzipien benennen die wichtigsten jener Grundwerte, auf die sich unsere Gesellschaft stützt.

Deshalb gilt nach unserer Auffassung

  1. Rotary ist keine Vereinigung von Honoratiorenclubs. Rotarierinnen und Rotarier sind vielmehr Mitglieder einer Wertegemeinschaft. Die Eckpfeiler dieser Wertegemeinschaft ergeben sich aus der Vier-Fragen-Probe und aus dem „Ziel von Rotary“.

    Der bereits erwähnte Prozess der Globalisierung ist in unserer Gesellschaft zwar keineswegs abgeschlossen, aber unumkehrbar. Aus rotarischer Sicht steht dieser Prozess auch im Zusammenhang mit dem rotarischen Grundsatz der Internationalität. Wir alle müssen mehr leisten, wenn wir in diesem Prozess der Globalisierung bestehen wollen. Dies gilt nicht nur für Wirtschaft und Politik, sondern für sämtliche Bereiche unserer Gesellschaft. Gerade die notwendige Fokussierung auf die Steigerung unserer Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit birgt aber die Gefahr in sich, dass unsere Grundwerte aufgeweicht und missachtet werden – und schließlich gar allmählich verschwinden.

    Diese Grundwerte sind nichts Gegenständliches, sondern Ausdruck von Überzeugungen und Einsichten. Um sie nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, um sie als Bestandteil unseres gesellschaftlichen Bewusstseins zu erhalten, ist es deshalb erforderlich, über sie zu sprechen. Wenn man unsere Grundwerte schützen und weiterentwickeln will, wird man also zumindest eine (vielleicht nicht hinreichende, sicher aber notwendige) Voraussetzung erfüllen müssen, nämlich diejenige einer breit angelegten, alle Schichten unserer Gesellschaft einbeziehenden Diskussion eben dieser Werte.

    Deshalb gilt nach unserer Auffassung:
     
  2. Der alle Lebensbereiche erfassende Prozess der Globalisierung stellt unsere Gesellschaft nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht vor große Herausforderungen, sondern birgt auch die Gefahr einer Relativierung oder eines Verschwindens unserer Grundwerte mit sich. Um diese Gefahr abzuwenden, bedarf es - unter anderem - eines breiten, sich auf alle Teile unserer Gesellschaft erstreckenden Diskurses über diese Grundwerte.

    Eine Wertegemeinschaft ohne gemeinsame Werte wäre ein Widerspruch in sich. Wenn man - wie wir - Rotary vor allem als eine solche Wertegemeinschaft begreift, dann liegt es einerseits auf der Hand, dass Rotary als Organisation und Idee durch einen allgemeinen Werteverlust in seiner Existenz und Daseinsberechtigung unmittelbar gefährdet wäre. Wer also die rotarische Idee erhalten und fördern will, der muss auch der Gefahr des Verlustes unserer gesellschaftlichen Grundwerte entgegentreten.

    Andererseits bietet Rotary und bieten die Rotary Clubs geradezu ideale Voraussetzungen, um unsere Grundwerte zu bewahren und aktiv zu fördern. Zu nennen sind zum einen das große intellektuelle Potential, das in den Rotary Clubs versammelt ist, und zum anderen die Prinzipien der Freundschaft und der Fairness als Grundlagen und Rahmenbedingungen für Wertediskussionen in den Rotary Clubs. Es gibt im Übrigen nur wenige Instrumente, die zu einer positiven Einflussnahme auf den Prozess der Globalisierung mit dem Ziel einer Bewahrung unserer Grundwerte besser geeignet wären, als der rotarische Grundsatz der Internationalität und das rotarische Postulat, den Frieden zu fördern und zur Völkerverständigung beizutragen.

    Deshalb gilt nach unserer Auffassung:
     
  3. Als Wertegemeinschaft ist Rotary einerseits von der beschriebenen Gefahr unmittelbar betroffen und deshalb gefordert, ihr entgegenzutreten. Andererseits bietet Rotary ein ideales Forum dafür, die notwendige Auseinandersetzung über unveräußerliche Werte auf hohem Niveau und im Geiste der Freundschaft und Fairness nicht nur intern zu führen, sondern die Diskussion hierüber auch extern anzuregen und zu fördern. Die traditionellen Dienste, die Rotary leistet, sind ein integraler Bestandteil unserer Organisation. In Anerkennung des hohen Wertes dieser Dienste halten wir es gleichwohl für sinnvoll und notwendig, den Charakter von Rotary als Wertegemeinschaft auch programmatisch noch stärker zu betonen, als dies bislang bereits der Fall war.

    Dies soll jedoch nicht bedeuten, dass es unser Anliegen wäre, Rotarierinnen und Rotarier dazu zu bewegen, eine „vereinheitlichte“ oder gar „von oben vorgegebene“ Auffassung zu vertreten. Ganz im Gegenteil: Gerade die Vielfalt der Meinungen und Haltungen ist es, die rotarische Beiträge zum Schutz unserer gesellschaftlichen Grundwerte auszeichnen.

    Deshalb gilt nach unserer Auffassung:
     
  4. Das Bewusstsein, einer Wertegemeinschaft anzugehören, ist für jede Rotarierin und jeden Rotarier selbstverständlich und unverzichtbar. Hieraus folgt die Verpflichtung zum freundschaftlichen und rotarisch vertrauensvollen Umgang miteinander ebenso, wie diejenige zur engagierten Verteidigung und Weiterentwicklung unserer Grundwerte und zur fairen Auseinandersetzung hierüber mit Dritten. Dies gilt auch und insbesondere für die Auseinandersetzung mit Repräsentanten anderer Kulturen, die mit dem Ziel der Förderung der Völkerverständigung zu führen ist. Ihre beruflich herausgehobene Stellung füllen Rotarier auch im Bewusstsein dieser Verpflichtungen aus.

    Nicht völlig ohne Sorge betrachten wir die Art und Weise, wie sich Rotary im Rahmen offizieller Verlautbarungen (Drucksachen, Internet-Auftritt von Rotary International, Werbematerialien für die Rotary Foundation u.a.) präsentiert. Es ist nicht auszuschließen, dass diese Art der Außendarstellung jene Merkmale nicht ausreichend verdeutlicht, die Rotary von anderen Organisationen unterscheidet.

    Deshalb gilt nach unserer Auffassung:
     
  5. Die Kombination aus Wertebezogenheit, hoher beruflicher Verantwortung und persönlichem Engagement eines jeden Rotariers macht Rotary zu einer einzigartigen Organisation. Sie unterscheidet sich durch eben diese Kombination von reinen Serviceclubs und von karitativen Spendenorganisationen. „Rotary Shares“, das Motto des rotarischen Jahres 2007/2008, bringt dies und das in ihr enthaltene Alleinstellungsmerkmal in prägnanter Kürze zum Ausdruck.

    Das Bewusstsein aller Rotarierinnen und Rotarier, einer Wertegemeinschaft anzugehören, reicht jedoch für sich alleine nicht aus. Hinzukommen sollte vielmehr, dass wir diese Zugehörigkeit als Herausforderung begreifen, uns eine Kultur im rotarischen Sinne zu bewahren, die durch die Pflege der Freundschaft und die Respektierung hoher ethischer Grundsätze gekennzeichnet ist. Eine solche Kultur macht Anteilnahme genauso wie Rücksichtnahme erforderlich. Dafür steht für uns als Schlagwort der Begriff der „Kultur des Herzens“.

    Deshalb gilt nach unserer Auffassung:
     
  6. Die praktische Umsetzung des Mottos „Rotary Shares“ setzt Anteilnahme und Rücksichtnahme zugleich voraus. Diesem Postulat können wir nur mit einer entsprechenden Einstellung gerecht werden. Gefordert ist also auch die Bewahrung und Weiterentwicklung einer Kultur im rotarischen Sinne, ein rotarisches Auftreten „mit Herz“, kurz, eine „Kultur des Herzens“.

    Wir würden es sehr begrüßen, wenn unsere gemeinsame Erklärung den Rotarierinnen und Rotariern in den von uns repräsentierten Distrikten Anlass zu einer kritischen und im besten rotarischen Geist geführten Diskussion geben würde.

Jürgen Auckenthaler (1920), Jürgen Axer (1810), Ulrich Baberg (1900), Paul Bösken-Diebels (1870), Harald Bos (1840), Erich Burghardt (1950), Manfred Grabsch (1930), Urs Herzog (1980), Anton Hilscher (1910), Heinrich Köhler (1890), Imre Kovács (1911), Eckhard Mäurer (1860), Charlotte Mori (1820), Walter Müller (2000), Friedmar Teßmer (1850), Carl-Otto Thorwart (1880), Alexander Völker (1830), Max Will (1800), Karl Zieger (1940)