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Recherchereise Tag 2

Plötzlich internationaler Hotspot

Recherchereise Tag 2 - Plötzlich internationaler Hotspot
Christina Tschiderer nach seiner langen Tour, um Hilfe an die polnisch-ukrainische Grenze zu bringen. © Rotary Magazin

Am zweiten Tag seiner Tour Richtung polnisch-ukrainische Grenze trifft Florian Quanz vom Rotary Magazin rotarische Helfer aus Österreich, die Hilfsgüter dorthin bringen, wo sie am nötigsten sind.

03.04.2022

Tag 2

Am zweiten Tag geht es für mich nach Ost-Polen. Ich fahre zunächst mit einem Mietauto von Krakau nach Zamosc, nahe der polnisch-ukrainischen Grenze. Dreieinhalb Stunden bin ich unterwegs, zunächst auf einer gut ausgebauten Autobahn, später über Landstraßen, bei denen ich irgendwann aufgehört habe, die Schlaglöcher zu zählen. Mir scheint, je weiter ich nach Osten fahre, desto schlechter ist der Zustand der Straßen. Nahe der Grenze kommen mir einige Fahrzeuge mit ukrainischen Kennzeichen entgegen, darunter auch ein Krankenwagen. Mit mir gen Osten fährt ein Jeep des ukrainischen Militärs, an Bord zwei Soldaten. Mit jedem Kilometer rückt auch der Krieg näher. 

In Zamosc fahre ich auf einen großen Parkplatz eines Einkaufzentrums. Von der Schönheit der Altstadt werde ich nichts zu sehen bekommen. Ich bin außerhalb der Innenstadt und gegenüber dem Einkaufszentrum liegt mein erstes Etappenziel: ein Industriegebiet. Ich bin mit Mitgliedern des Rotary Clubs Zamosc-Ordynacki verabredet. Diese unterhalten auf dem Firmengelände des Obst- und Gemüsehandels Fructos ein Lager für Hilfsgüter. Freundlich werde ich von Andrzej Górski, Wlodzimierz Bentkowski und zwei weiteren Mitstreitern empfangen. Sofortiges Thema: der Ukraine-Krieg. "Alle zwei Tage kommt ein neuer Hilfstransport an", erklärt mir Wlodzimierz Bentkowski. In wechselnden Teams seien sie dann vor Ort. "Wir entladen die Lkws und sortieren die Ware im Lager." An ein schnelles Ende des Krieges glaubt hier niemand. "Wir werden noch lange Hilfe leisten müssen", sagt Wlodzimierz Bentkowski mit sorgenvollem Blick voraus. Wie eingespielt das Team des Rotary Clubs inzwischen ist, wird beim Ausladen sichtbar. Jeder Handgriff sitzt und schnell ist der Lkw, der Hilfsgüter des RC Sangerhausen bringt, leer.

Für mich geht es im Anschluss weiter nach Przemysl. Die Kleinstadt mit 60.000 Einwohnern, nur unwesentlich kleiner als Zamosc, liegt zwei Autostunden südlich. Ich fahre an der polnisch-ukrainischen Grenze entlang. Immer wieder begegnen mir Hilfstransporte. Deutsche Autokennzeichen entdecke ich genauso wie spanische, niederländische und französische. Die enorme Hilfsbereitschaft aus ganz Europa, im Straßenverkehr in Ost-Polen ist sie sichtbar.

In Przemysl fahre ich an der Stadt vorbei in ein weiteres Industriegebiet nahe der Grenze. Ich bin dort mit Christian Tschiderer vom Rotary Club Reutte-Füssen verabredet. Der Österreicher hat gemeinsam mit Dominik Schatz aus Heiterwang einen voll beladenen Kleintransporter bis an die polnisch-ukrainische Grenze gesteuert. "Die Fahrt verlief einwandfrei", erklärt mir Tschiderer erschöpft, aber glücklich angekommen zu sein. Am Lager für Hilfsgüter werden sie sofort von Mitgliedern des RC Jaroslaw in Empfang genommen. Zbigniew Dziedzic und seine Mitstreiter freuen sich auf den Besuch aus Österreich und helfen beim Ausladen. Anschließend gibt es für alle ein verspätetes Mittagessen, bei dem sich die Rotarier besser kennenlernen. In beiden Städten wurde mir am heutigen Tag klar: Rotarische Hilfe für die ukrainische Bevölkerung funktioniert dank der Zusammenarbeit der Clubs hervorragend. Die Rotarier aus Polen sind bestens organisiert und sehr gastfreundlich.

Am Abend beziehe ich mein Hotelzimmer. Dass ich überhaupt noch eins bekommen habe, kann als großes Glück bezeichnet werden. Die Region rund um Przemysl ist keine Touristenhochburg, die Bettenkapazitäten gering. Doch in diesen Tagen ist der Ansturm aus dem Ausland enorm. Fast jeder, der Hilfsgüter bringt, bleibt eine Nacht. Einzelne Hotels sind seit Wochen ausgebucht.