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Standpunkt

Runter vom Sofa, ab zum Clubtreffen

Standpunkt - Runter vom Sofa, ab zum Clubtreffen
Wolfgang Boeckh © Privat

Wenn rotarische Freundschaft und Gedankenaustausch eine Zukunft haben sollen, muss das Thema physische Präsenz wieder auf die Tagesordnung.

Wolfgang Boeckh01.11.2021

Wir kannten das alle und viele liebten es: Einmal wöchentlich Meeting mit interessantem Vortrag, Präsenz, na ja, wie immer, aber es war schön, Freundinnen und Freunde in rotarischer Geselligkeit zu treffen. Ab und zu kamen Gäste, einmal im Jahr auch der Governor. Er oder sie erinnerte uns regelmäßig daran, dass da auch ein Distrikt ist, ein RI-Präsident, eine Foundation und die Welt vor oder hinter dem Kirchturm. Aber dann kam Corona und wir lernten das Zoomen im Homeoffice: oben gestärktes Hemd, unten alte Pantoffeln. Spannende Vorträge gab es auch weiterhin, man konnte Projekte besprechen und sah schnell, wer eine Affinität zum Bildschirm entwickelte. Und das waren beileibe nicht nur die Jungen.

Nun scheint diese seltsame Zeit zu Ende zu gehen, 2G sei Dank. Wäre da nur nicht diese Tendenz zu einer sehr technokratischen Auffassung von Effizienz, die uns nicht gefallen sollte. Man besinnt sich vordergründig darauf, Pläne könne man auch weiterhin online schmieden, Zeit und Treibstoff sparen, manche Freunde, sogar der Governor, entdecken plötzlich ihre CO₂-Bilanz, und manche Rotarierinnen und Rotarier schaffen es auf einmal, am Bildschirm gleichzeitig Clubs zu besuchen, einen Beruf gewinnbringend auszuüben, ihre Mails unter dem Tisch zu beantworten, und nebenbei noch Partner und Hund anzusprechen – in dieser Reihenfolge. Aber bringt uns das weiter? Immer wieder hatte ich bei meinen Clubbesuchen diskret darauf hingewiesen, dass „Wining“ und „Dining“ nicht die Hauptthemen bei Rotary seien, aber unsere Freundschaften sehr wohl – im Zusammenhang mit „Service Above Self“. Nun muss ich präzisieren: Unsere Anliegen bedürfen des Gegenübers. Freundschaft und Nähe bedingen einander, das Zögern, das Nachdenkliche gehen ebenso verloren wie das Erfühlen von echt und unecht, wenn wir uns nicht in die Augen schauen. Heikles schafft es nicht über den Bildschirm. Deshalb sind viele Clubs wieder zum physischen Meeting zurückgekehrt, Gott sei Dank. Aber da sind noch unsere Funktionäre, vor allem unsere Governor, die oft viel zu große Distrikte haben.

Eigentlich ist die Gestaltung des Governoramts klar geregelt. Es gab Vorbereitungstreffen der Crew an attraktiven Orten, und natürlich die Assembly in den USA als Vorbereitung für alle Governor weltweit. Der persönliche Austausch brachte enormen Gewinn. Leicht lässt sich sagen: Auch bei der Bildschirmarbeit kann man Wesentliches besprechen. Das Amt des Governors aber enthält nicht nur die harten Faktoren von Mitteilungen und Datentransfer. Die „weichen“ Faktoren sind ein fundamentaler Bestandteil von Rotary, und vor der Krise haben wir sie alle ständig betont: Pflege der Freundschaft, Präsenz, Zuwendung, Wahrnehmung. Wenn wir akzeptieren, dass auch kritisches Erkennen, Nachfrage, Verbesserungsvorschläge und Konfliktmanagement zu den sinnvollen Gepflogenheiten unserer Organisation gehören, müssen alle dringend so bald wie möglich zum physischen Treffen zurück. Übrigens plädiere ich dafür, dass der Governor, männlich oder weiblich, auch den Partner, seine Partnerin, mitbringt. Deren Rolle entlastet, bereichert und erweitert die fachliche und vor allem die soziale Kompetenz.

Gesellige Vergewisserung, zu der man Freunde einlädt

Das Gute können wir ja behalten: von Ferne dem Hybridmeeting beiwohnen, wenn man auf Reisen oder krank ist. Eine Besprechung online ist allemal zielführend. Ein Rotary-Meeting aber darf ruhig etwas von einer Feier haben, eine gesellige Vergewisserung vor oder nach der Arbeit, zu der man auch gerne Freunde einlädt. Unsere großen sozialen Herausforderungen, vor denen wir als Serviceorganisation stehen, können wir nur bewältigen, wenn wir die Rückversicherung durch gute Freunde erleben, die nicht hinter einem Bildschirm verborgen sind. Wir haben uns eine sehr liberale Haltung angewöhnt, ich leider auch, aber jetzt, wo das Ende der Krise in Sicht ist, kann man erwarten, seine Freunde wieder mehr in persona zu hören und zu sehen. Ja, mit Augenmaß, die Berufswelt fordert mehr und mehr, aber auch eine Chefärztin, ein Bürgermeister oder ein Manager haben mal einen Abend frei, und es gibt viele Wege, sich einzubringen. Das Leben verläuft in Phasen, da braucht es Geduld und Verständnis. Es gibt freundliche Wege des Aufsuchens, der Patenschaft, der Nachfrage, auch der Geduld. Aber irgendwann möchte man seine Clubfreunde mal wieder sehen, neue Mitglieder kennenlernen, Pläne schmieden, über Gott und die Welt diskutieren, und zwar persönlich. Und das gilt auch für unsere Funktionsträger.

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