Governorbrief
Was Jörg Wolff im Mai noch sagen wollte
Es sind Ausnahmezeiten; die Clubs, Gremien, Distrikte sind in anderer Art und Weise gefordert, schreibt Governor Jörg Wolff in einem Brief an die Rotarier seines Distrikts.
Liebe rotarische Freundinnen, liebe rotarische Freunde,
der Corona-Ausnahmezustand wird uns voraussichtlich noch länger begleiten. Dass in unserem Land die Lage einigermaßen beherrschbar wurde, ist der Umsicht der eingeführten Eindämmungsmaßnahmen und dem bisherigen Verantwortungsbewusstsein der Bevölkerung zu verdanken. Dazu haben auch wir als Rotary durch den distrikt- und deutschlandweiten „Lockdown“ unserer Zusammenkünfte beigetragen. Allerdings ist die Situation trotz der aktuellen Lockerungen nach wie vor noch nicht stabil. Dies liegt an der Komplexität des Covid-19-Virus. So kann jeder vermeintlich Gesunde unwissentlich als „silent carrier“ das Virus tragen und ansteckend sein. Dies zeigt, wie fragil die neue Bewegungsfreiheit sein kann. Denn über aller Zurücknahme von Einschränkungen schwebt die Gefahr einer zweiten Welle.
Vor dem Hintergrund der aktuellen Lockerungen wird von einigen Clubs erwogen, zu physischen Clubmeetings zurückzukehren, wenn es die an ihren Standorten geltenden Gesundheits- und Sicherheitsvorschriften wieder erlauben. Dies ist aus meiner Sicht verständlich, denn die Pflege der menschlichen Kontakte in unseren Meetings ist ein Kernelement des rotarischen Selbstverständnisses. Es geht auch um die Frage, wie das Clubleben in Zeiten des Übergangs zur Normalität gestaltet werden kann. Allerdings muss bei diesen Überlegungen das Wünschenswerte mit dem Verantwortbaren abgeglichen werden. Als Governor möchte ich deutlich zum Ausdruck bringen, dass wir als rotarische Gemeinschaft trotz aller Lockerungen auch weiterhin das Risiko minimieren müssen. Insoweit sind diese Überlegungen zum gegenwärtigen Zeitpunkt verfrüht. Denn das Bedrohungspotential besteht weiter. Gesundheit und Sicherheit müssen für uns nach wie vor die oberste Priorität haben. Es darf nicht sein, dass ein Rotary Club wegen eines persönlichen Meetings zu einem Corona-Cluster wird!
Der Weg unseres Distrikts seit März dieses Jahres in den „rotarischen Ausnahmezustand“ war notwendig: Die Entscheidungen zur Aussetzung aller physischen Meetings, die Absagen von PETS, DTV, DIKO und RYLA-Seminaren belegten, dass uns als Clubs und Distrikt der Ernst der Lage bewusst war. Und daran werden wir leider in der nächsten Zeit bis zu einer nachhaltigen Entspannung noch festhalten müssen. So wichtig der persönliche Kontakt für das rotarische Leben ist, bitte ich die Clubs ausdrücklich, bis auf weiteres keine physischen Meetings abzuhalten und auch die bevorstehenden Ämterübergaben im gesamten Distrikt noch virtuell durchzuführen.
Wir dürfen kein Risiko eingehen: Dies war auch die Botschaft des RI-Weltpräsidenten 2020/21, Holger Knaack, in einem Rundbrief vom 7. Mai an alle 529 DGs und DGEs. So werden alle RI-Gremien für den Rest des Kalenderjahres 2020 ausschließlich virtuell abgehalten. Folgerichtig hat der RI-Zentralvorstand beschlossen, dass während der Pandemie keine physischen Zusammenkünfte oder Veranstaltungen von Rotary obligatorisch sein sollen. Jedes Mitglied, dem die Teilnahme aufgrund der Pandemie unangenehm ist, hat daher die Möglichkeit auf Präsenzveranstaltungen zu verzichten.
In jeder Krise steckt eine Chance. So sagt ein altes chinesischen Sprichwort. In Corona-Zeiten ist es die Chance, aus überraschenden Erfahrungen zu lernen. Die Quellen dafür sind vorhanden: Es ist die kreative Kraft unserer Clubs und ihr Vertrauen in Eigenverantwortung. Beides klug und neu zu nutzen, war in dieser Ausnahmesituation das Gebot der Stunde, und die Clubs haben es genutzt! So werden mittlerweile im Distrikt, bis auf ganz wenige Ausnahmen, ausschließlich Online-Meetings durchgeführt – und zwar mit einer ausgezeichneten Präsenz, wie mir berichtet wurde und ich auch selbst feststellen konnte! Dies gab uns die Möglichkeit, Rotary im Ausnahmezustand weiterzuführen und ist umso erfreulicher, als vor einem halben Jahr noch fast kein Club virtuell aufgestellt war.
Und mit dieser Erfahrung sollten wir gerade jetzt in der Übergangszeit von dem alten in das neue rotarische Jahr wieder einmal einen Blick auf die eigenen Clubstrukturen werfen, sie einer Überprüfung unterziehen und dabei vor allem auch über die Zukunft unserer Clubs nachdenken. Die SWOT-Analyse des Distrikts, die allen Clubs vorliegt, wird dabei helfen, das zu erkennen, was sich als bewahrenswert erweist oder was wir eigentlich ändern müssten. Dies kann zu vielen Folgefragen zu den bestehenden Clubdiensten führen und der Gegenstand fruchtbarer Debatten sein. Das Präsidentenseminar hat dazu zwei ausgezeichnete und auch anregende Modelle vom RC Stuttgart und RC Stuttgart-Wildpark vorgestellt, die nach wie vor aktuell und sehr nützlich sind. Sie sind hier in der RO.Cloud per Klick abrufbar. Nutzen wir diese Chance!
Neben den virtuellen Clubmeetings führten und führen auf Distriktebene auch das Distriktjugendteam, das Foundation Komitee, der Berufsdienst, der in den nächsten Tagen mit dem aktuell erarbeiteten Papier „Der Berufsdienst in Zeiten der Corona-Krise“ auf die Clubs zukommt, und die Wasserbeauftragten Online-Sitzungen durch, wie auf nationaler Ebene auch die Fachausschüsse des Deutschen Governorrats. Der Rat selbst hat seine virtuelle Frühjahrstagung an zweieinhalb Tagen abgehalten, wie sich auch meine Governorcrew 2019/20 mehrfach über anstehende Fragen online austauschte! Wie nicht anders zu erwarten, stand und steht auch die Governorstafette unseres Distrikts in regelmäßigem telefonischem Kontakt. Rotary lebt trotz Corona!
Erwähnen möchte ich vor dem Hintergrund der Pandemie ganz besonders die vielen, sehr eindrucksvollen Zeichen der „Solidarität der Tat“ unserer Clubs. Die Bekämpfung von Krankheiten ist eines der Hauptanliegen von Rotary. Daher unterstützen in diesen Corona-Zeiten unsere Mitglieder und Clubs die Gesundheitsbehörden, indem sie zum Beispiel Schutzkleidung, Gesichtsmasken und andere Hilfsgüter für Krankenhäuser, Altersheime oder weitere bedürftige Zielgruppen, welche gegenwärtig unter Druck geraten sind, spendeten. Daneben wurden technische Ausrüstungen – wie iPads, Laptops, Software etc. – für therapeutische Hilfen beziehungsweise Kommunikationsverbesserungen im Gesundheitsbereich zur Verfügung gestellt. Die Clubs im Distrikt haben viele konkrete und sichtbare Hilfen, Projekte, Unterstützungen und Hands-on-Maßnahmen durchgeführt, die zeigen, dass Rotary auch in Krisenzeiten präsent und verlässlich ist. Darauf können wir stolz sein.
Ein sehr schönes Zeichen der gelebten Nothilfe setzte der RC Zollernalb für die vom Lockout besonders hart betroffenen beiden Clublokale. So überweist der Club pro Clublokal einen bestimmten Geldbetrag in zwei Tranchen (je nach Dauer der Schließung), der in etwa das ist, was den Lokalen durch die ausgefallenen Meetings entgangen ist. Der Club berichtet: „Da die Gastronomie seit dem Lockout praktisch ohne Einnahmen ist, haben wir uns zu diesem solidarischen Schritt entschlossen, der den Lokalen ein wenig dabei helfen mag, diese Zeiten wirtschaftlich zu überstehen.“ Der RC Stuttgart-Connected unterstützt den Verein Trott-War e. V., welcher mit und für sozial Benachteiligten arbeitet, darunter Obdachlose. Der Verein ist durch die gleichnamige Straßenzeitschrift bekannt, die in vielen Städten des Distrikts verkauft wird. Im Zuge der Coronakrise steht er vor extremen Herausforderungen, da die Straßenzeitung, die Hauptfinanzierungsquelle, einen massiven Einbruch der Verkaufszahlen erlitten hat. Der RC Stuttgart-Connected bittet daher die Clubs, ein gewisses Zeitungskontingent zu übernehmen. Näheres können Sie unter trott-war.de oder direkt durch den RC Stuttgart-Connected erfahren.
Auch Mitglieder unserer Rotaracter stellen innovative Corona-Projekte vor. Da durch den Lockdown lokale Einzelhändler und Restaurants den größten Teil ihrer Umsätze verlieren, entwickelten Linda Wurster und Gabriel Senftle vom RAC Nürtingen eine Plattform als Hilfestellung für lokale Gewerbetreibende. Die über eine App basierte Plattform vereinfachen und optimieren die Bestell-, Liefer-, Abhol- und Abwicklungsprozesse (einschließlich Kommunikation und Werbung) und helfen so dem lokalen Einzelhandel! Eine interessante Neuentwicklung, die auf www.lokalisto-app.de/ näher beschrieben wird.
Auch die rotarische Solidarität mit Europa und der Welt wurde im Distrikt nicht vergessen. So konnte der RC Stuttgart-Solitude mit einer konzertierten Spendenaktion seinem Partnerclub Bergamo-Ovest eine beträchtliche Coronahilfe zur Verfügung stellen, der in der Lombardei mitten im am härtesten getroffenen Corona-Krisengebiet Europas liegt. Auch der Club Ellwangen kam einer Bitte ihres Partnerclubs Hagondange nach, gemeinsam Beatmungsgeräte zur Bekämpfung von COVID 19-Symptomen im dortigen Krankenhaus zu beschaffen. Auch unser Distrikt beteiligt sich an dieser Aktion. Der RC Bietigheim-Vaihingen schloss sich einem internationalen Global Grant an, mit dem ebenfalls Beatmungsgeräte für vier Krankenhäuser im Libanon beschafft werden. Der RC Münsingen leistet in Nepal, Kenia und Indien Corona-Überlebenshilfe für benachteiligte Bevölkerungsgruppen und Kinder, die besonders hart von der Pandemie betroffen sind.
Diese Aufzählung erhebt keinesfalls den Anspruch auf Vollständigkeit, aber verdeutlicht, wie ernst die Clubs unseres Distrikts die humanitären Verpflichtungen Rotarys nehmen. Wie diese Hilfe gesehen wird, zeigt ein Zitat aus dem Dankesschreiben der Präsidentin des RC Bergamo-Ovest an ihren Patenclub Stuttgart-Solitude: „In diesen dramatischen Momenten haben wir immer Ihre Freundschaft und Ihre Unterstützung neben uns gespürt und wir haben gesehen, wie tief und schön die Freundschaft ist, die wir in all den Jahren zwischen uns aufgebaut haben, vielleicht ohne es überhaupt zu merken.“ Daraus spricht der Geist, der Rotary beseelt!
Wir sollten diese eindrücklichen Worte zum Anlass nehmen, uns wieder verstärkt der Internationalität von Rotary, der länderübergreifenden Zusammenarbeit mit europäischen Partnerclubs und der weltweiten Projekte zuzuwenden. Dann erhält trotz oder gerade wegen Corona das Motto des RI-Weltpräsidenten Mark Daniel Maloney für das zu Ende gehende rotarischen Jahr „Rotary connects the world – Rotary verbindet die Welt“ doch noch eine nachhaltige Relevanz.
Lassen Sie mich diesen Brief mit einigen Information abschließen:
1. Versicherungsschutz für die Clubs und ihre Mitglieder
Der Distrikt 1830 hat sich dem neuen Gruppenversicherungsvertrag für die gesamten 15 deutschen Distrikte angeschlossen. Der Versicherer ist nach wie vor die LVM. Wir konnten über den Gruppenvertrag bei einzelnen Leistungen im Verhältnis zu den bisherigen Leistungen nicht unwesentliche Verberungen erzielen. Eine detaillierte Übersicht über die neuen Konditionen (Was ist versichert, wer ist versichert, Versicherungssummen, relevante Ausschlüsse) ist dem Governorbrief angehängt. Bei einem etwaigen Schadensfall ist Stefan Werner vom RC Aalen-Limes der Beauftragte für Verfahrensfragen unseres Distrikts, die Erstkontaktperson. Er ist im Distrikt für alle Versicherungsfragen zuständig.
2. Wahl der CoL-Vertreter des Distrikts 1830 für die rotarischen Jahre 2020/21 – 2022/23
Der Gesetzgebende Rat (Council of Legislation) ist die gesetzgebende Körperschaft von Rotary International, die zur Änderung der Verfassungsdokumente von RI befugt ist. Jeder Distrikt entsendet einen qualifizierten Vertreter in dieses Gremium. Der bisherige CoL-Vertreter, PDG Karl-Eduard von der Heydt von Kalckreuth, hat zugestimmt, sein Mandat zu verlängern. Er ist durch seine bisherige Tätigkeit im CoL bestens geeignet, die dort festgelegten Aufgaben und Pflichten auszuüben. Nach den Regularien ist ebenfalls ein Stellvertreter zu bestimmen. Auch der bisherige Stellvertreter, PDG Wolfgang Kramer, hat einer Verlängerung zugestimmt.
Der mit Beschluss der Rotary Clubs des Distrikts 1830 vom 29. Juni 2014 eingesetzte Nominierungs- und Wahlausschuss hat am 11. Mai 2020 für die rotarischen Jahre 2020/21 bis 2022/23 PDG Karl-Eduard von der Heydt von Kalckreuth zum Vertreter des Distrikts und PDG Wolfgang Kramer als seinen Stellvertreter gewählt. Der Ausschuss besteht aus dem jeweiligen Governor, Governor elect und Governor nominee des Distrikts.
3. Rotary Convention 2020 in Honolulu
Die Rotary Convention 2020 in Honolulu vom 6. bis 10. Juni 2020 ist abgesagt. Rotary International plant, eine virtuelle Convention vom 20. bis 26. Juni durchzuführen und eröffnet uns damit viele neue Gelegenheiten, Ideen und Erfahrungen mit Rotariern weltweit auszutauschen, voneinander zu lernen und neue Freundschaften zu schließen. Dieses Angebot ist auch für solche Freundinnen und Freunde ideal, denen sonst eine Teilnahme an einer RI-Convention nicht möglich ist. Nähere Zugangs- und Ablaufinformationen sind noch nicht bekannt. Ich möchte aber bereits jetzt auf die spannende Möglichkeit hinweisen, an diesen Tagen an der Convention teilzunehmen. (aktuelle Infos siehe rotary.de/a16031)
4. TRF-Chair 2019/20 Gary C. K. Huang: Sendung von Gesichtsmasken an die Distrikte
Über DHL ging dieser Tage bei mir eine Sendung mit zehn „protective face masks“ aus Taiwan ein, die für unsere drei Inbounds im Distrikt gedacht sind. Die Gesamtmenge von 20.000 Masken soll den 6.800 rotarischen In- und Outbounds zugutekommen, die sich derzeit als Austauschschüler in 135 Ländern befinden. Die hi-tech Gesichtsmasken sind taiwanesischen Ursprungs und wurden vom Rotary Club of Taipei Fuling gespendet. Der TRF-chair 2019/20 und Past-RI Präsident Gary C.K. Huang würdigt in einem Begleitschreiben die großen Leistungen, welche in der Covid-19-Pandemie von den rotarischen Jugenddienstbeauftragten und -teams geleistet werde. Er schreibt: "We do hope that you can help deliver the masks to the RYE students in your district. I hope they can feel more safe by receiving these masks, knowing that we are thinking of them. My thoughts are with you and the entire Rotary Youth Exchange family during this challenging time. Thank you for your leadership and commitment to protecting our students."
Liebe rotarische Freundinnen und Freunde, dieser Governorbrief ist länger als normal. Aber er will einen Überblick darüber geben, dass Rotary, unsere Clubs, die Gremien und die Mitglieder die gegenwärtigen Ausnahmezeiten bislang sehr gut bewältigt haben und auch bewältigen werden. Es zeigt, dass das rotarische Miteinander, der Zusammenhalt, die Freundschaft, die Offenheit und der Wunsch nach Gemeinschaft ungebrochen ist und die rotarischen Netzwerke, auch international, funktionieren.
In diesem Sinne verbleibe ich mit ganz herzlichen Grüßen und dem Wunsch auf eine weiterhin gute Gesundheit.
Ihr Governor
Jörg Wolff