Globales Nettzwerk
„Wir haben die Macht und den Einfluss“

Auf der Presidential Peace Conference in Istanbul hat Nahla Elshall als Moderatorin mehr als 1000 Rotarier aus 88 Ländern begeistert. Im Interview spricht sie über ihre Ausbildung zum Rotary Peace Fellow und ihre praktische Arbeit.
Nahla, im vergangenen Jahr haben Sie am Rotary Peace Center der Makerere-Universität in Kampala/Uganda ein Postgraduierten-Diplom in Friedens- und Konflikttransformation erworben. Worum ging es in Ihrem Studium, was haben Sie am Rotary Peace Center in Uganda gelernt?
Bevor ich dieses Studium absolvierte, arbeitete ich in der Gemeindeentwicklung. Dann wollte ich etwas über Frieden lernen, und eines der wichtigsten Dinge, die ich lernte, war, dass Frieden viel mehr ist als die Abwesenheit von Gewalt. Frieden kann durch Entwicklung erreicht werden. Gute Bildung ist friedensfördernd, gute Regierungsarbeit ist friedensfördernd. Qualität für alle, Gerechtigkeit, gute Beziehungen zu den Nachbarn – all das nennen wir „positiven Frieden“. Wir lernten, wie jeder Mensch in einer Gemeinschaft eine Rolle spielt und tatsächlich zur Friedensschaffung beitragen kann.
Können Sie bitte ein Instrument zur Erreichung des Friedens nennen?
Die Konfliktanalyse ist ein sehr wichtiges Instrument. Wir können nicht über Frieden sprechen, ohne die aktuelle Situation zu verstehen. In den meisten Fällen gibt es unmittelbare Ursachen für Gewalt, aber es gibt auch immer strukturelle Ursachen. Und diese gilt es zu beseitigen. Wenn wir uns nicht mit den wirklichen Ursachen der Gewalt befassen, kratzen wir nur an der Oberfläche, aber wir müssen tiefer in die Materie eindringen.
Lassen Sie uns über Ihre konkrete Arbeit, Ihr Tagesgeschäft, sprechen. Für wen arbeiten Sie, und wie sieht Ihre Arbeit aus?
Ich arbeite am Institut für Ausbildung und Forschung der Vereinten Nationen in Kairo. Ich arbeite in der Friedensabteilung im Team zur Stärkung der Frauen. In unserer täglichen Arbeit geht es darum, junge Frauen für den Alltag fit zu machen. Wenn wir junge Frauen bilden und ihnen eine Stimme geben, um sich zu beteiligen, kommen wir der Schaffung von Frieden in der Gesellschaft näher. Meine eigentliche Aufgabe ist die Konzeption und Entwicklung von Schulungsprogrammen.
Wie kann Rotary seine globale Wirkung für den Frieden verstärken?
Was mir an Rotarys Ansatz wirklich gefällt, sind die Clubs. Die Clubs sind an der Basis tätig. Sie arbeiten überall in lokalen Gemeinschaften. Als ich in Uganda war, habe ich viele Clubs besucht und gesehen, dass jeder Club verschiedene lokale Projekte hat. Natürlich brauchen wir Leute in der Zentrale, die Entscheidungen treffen, aber die große Mehrheit der Menschen arbeitet an der Basis. Ich würde es sehr begrüßen, wenn Rotary sich für globale Menschenrechte und gegen Vertreibung und Armut einsetzen würde. Ich weiß, dass Rotary eine unpolitische Organisation ist, aber ich würde es begrüßen, wenn Rotary sich hier stärker engagieren würde, denn wir haben so viele Menschen auf der Welt, die an Rotary und seine Werte glauben. Sehen Sie nur, wie viele Menschen nach Istanbul gekommen sind. Rotary hat viel mehr Einfluss, als wir denken.
Rotary betont immer wieder, dass es in politischen Fragen keine Stellung bezieht, aber dennoch haben wir auf der Peace Conference in Istanbul immer wieder über Kriege und Konflikte gesprochen. Wenn Rotary sich mehr und mehr in Friedensfragen engagiert, sollte es dann Ihrer Meinung nach auch Stellung beziehen und sich einmischen?
Ich denke, ja. Und ich denke, es gibt einen Unterschied zwischen Politik und Menschenrechten. Ich möchte nicht, dass Rotary eine politische Partei unterstützt, aber ein Nein zu Zwangsumsiedlungen oder ein Nein zur Tötung von Zivilisten oder ein Nein zu Geiselnahmen ist keine Politik, sondern der Einsatz für Menschenrechte. Über diese Menschenrechte sollte nicht verhandelt werden, sondern Gleichberechtigung muss durchgesetzt werden. Die Tötung von Kindern wird niemals in Ordnung sein, ganz gleich, woher sie kommen. Ich würde es sehr begrüßen, wenn Rotary in dieser Frage ein stärkeres Bewusstsein hätte. Wir haben die Macht und den Einfluss, hier viel mehr zu bewirken.
Das Gespräch führte Björn Lange.
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