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Buch des Monats

Rückkehr an die Lagerfeuer

Buch des Monats - Rückkehr an die Lagerfeuer
Jakob Augstein, Nikolaus Blome: Links oder rechts? Antworten auf die Fragen der Deutschen Penguin Verlag 256 Seiten 13,00 Euro © Deutscher Penguin Verlag

In ihrem Buch erinnern Nikolaus Blome (RC Berlin-Brandenburger Tor) und Jakob Augstein daran, dass eine Demokratie von Gegensätzen lebt.

01.02.2017

Auf dem Höhepunkt der Spaßgesellschaft Mitte der neunziger Jahre und dem allmählichen Verschwinden aller politischen Gegensätze hat der große alte Mann der italienischen Rechtsphilosophie Norberto Bobbio noch einmal mit Vehemenz für eine radikale Unterscheidung von rechts und links plädiert. Wer diesen Unterschied leugne, stehle sich aus der fundamentalen Spannung zwischen Freiheit und Gleichheit, die seit der französischen Revolution besteht.

Man kann das auch schlichter sagen, wie die beiden Journalisten Jakob Augstein und Nikolaus Blome in ihrem gemein­samen neuen Buch „Links oder Rechts“. Auch sie hielten das lange für einen längst überwundenen Gegensatz, der nicht mehr in die politische Landschaft passt. Aber heute, so ihre Einsicht, werde „dieses Muster wieder gebraucht.“

Die beiden Journalisten haben sich schon vor Jahren zusammengetan, um einmal pro Woche im Fernsehen wenigstens noch dramaturgisch daran zu erinnern, dass es politische Gegensätze gibt, die sich nicht einfach auflösen lassen. Die Wirklichkeit hat die Beiden inzwischen überholt, und sie bringen das in einer fast beiläufigen Bemerkung auf den Punkt. „Es werden die Lager sein, die das Land zusammenhalten.“ Ein so gewaltiger wie richtiger Satz, wenn es stimmt, dass die politische Mitte ihre Bindekräfte zu verlieren droht.

Das Buch, das sie jetzt zusammen verfasst haben, und das den programmatischen Titel „Links oder rechts“ trägt, ist der Versuch, in gedruckter Form an ihr Fernsehformat anzuknüpfen. Das ist ­ihnen gelungen! Sie haben sich den Witz und die Schlagfertigkeit ihrer Studiodialoge erhalten und trotzdem eine analytische Tiefe erreicht, die das Buch über das reine Lesevergnügen hinaus zu einem Gewinn für die politische Debatte macht.

Augstein gibt dabei den selbstgerechten Linken, dem man trotzdem seine Empathie und Sorge abnimmt. Und Blome, der eigentlich ein grundliberaler Mensch der Mitte ist – ihn kann man dabei studieren, wie er sich selbstbewusst und schlagfertig einer Position annimmt, die offen rechts zu nennen sich lange Zeit niemand getraut hätte. Dass das in den Textpassagen nicht immer völlig anschlussfähig ist, gehört zum Verfahren und macht die Positionsbestimmungen eher noch glaubwürdiger. Die alten Diskurse müssen eben neu ­gelernt werden, wenn sie nicht in Gefahr laufen wollen, restaurativ oder gar reaktionär zu erscheinen. So wiederholt Augstein seine sinistre Kritik an den Osteuropäern, die sich hartnäckig der (west­lichen) Vernunft ver­weigern würden, was Blome mit der Führungsfähigkeit Deutschlands und der Notwendigkeit ­einer starken Wirtschaft kontert. Es ist gleichwohl Augstein, der an Helmut Kohl erinnert, für den Europa nie eine Machtfrage war.

Positionen haben eine persönliche Temperatur, und die spürt man bei Augstein, wenn er vom Stolz der SPD spricht. Für Blome ist sie dagegen nur noch eine Partei der pathologischen Autoaggression und des klinisch kranken Selbstdementis. So redet man, wenn man den Kadaver längst auf dem Seziertisch hat.

Blome kommt in Rage, wenn es um die „Tabuisierung offenkundiger Missstände“ durch eine „linke Meinungshoheit im ­öffentlichen Diskurs“ und deren Strategie des Beschweigens geht, was Augstein wiederum für ein Ammenmärchen der Konservativen hält und lieber deren „deutschnationales Gen“ bemüht.

Was dieses Buch zu einem wirklichen Lesevergnügen macht, ist die Unbekümmertheit und manchmal auch die gezielte Provokation in vielen Formulierungen. Es ist dadurch ein aufregendes politisches Statement geworden, rauh wie die heutigen Verhältnisse und ein bisschen im Shabby-Look unserer Zeit.

JMM


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