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Kernland der Reformation

Forum - Kernland der Reformation
Katalog zur Ausstellung "Reformation und Freiheit" © Michael Imhof Verlag

Luther und die Folgen für Preußen und Brandenburg

Ruth Slenczka01.09.2017

Als Hochmeister Albrecht von Brandenburg-Ansbach am 10. April 1525 auf dem Alten Markt in Krakau vor seinem Onkel, dem polnischen König Sigismund I. zur Huldigung niederkniete, gelangte das Herzogtum Preußen als erbliches Lehen an die Hohenzollern. Zugleich stand der Belehnungsakt am Beginn des sogenannten preußischen Protestantismus, der die deutsche Geschichte bis hinein ins 20. Jahrhundert prägen sollte, in der autoritären Verflechtung von Thron und Altar ebenso wie im selbstbewussten Bestehen auf Gewissensfreiheit und Handlungsverantwortung jedes Einzelnen, die auch durch staatliche Gewalt nicht außer Geltung gesetzt werden können. Denn das Herzogtum wurde zu einem der ersten evangelischen Territorien Europas und zugleich zum Einwanderungsland für evangelische Religionsflüchtlinge aus Polen und Litauen, aber auch aus den Niederlanden und aus Böhmen.

Blick über die Grenzen hinaus

Die Potsdamer Reformationsausstellung erzählt unter dem großen Thema „Reformation und Freiheit“ von der Mark Brandenburg und dem Herzogtum Preußen, den beiden Hohenzollern-Territorien mit ihren so unterschiedlichen Reformationsgeschichten. Sie öffnet damit den Blick über die Grenzen des römisch-deutschen Reichs hinaus in die europäische Nachbarschaft, den polnisch-litauischen Vielvölkerstaat, der neben den polnischen Kernlanden auch das heutige Litauen, Lettland, Teile Estlands, Weißrussland, russische Gebiete und den Großteil der Ukraine umfasste.

Auch Preußen war ein multiethnisches Land, in dem viele Sprachen gesprochen wurden. Für Herzog Albrecht war die Reformation auch ein groß angelegtes Bildungsprogramm. Er siedelte in Königsberg Druckereien an und ließ religiöse Schriften wie Luthers kleinen Katechismus in den Landessprachen Polnisch, Litauisch und Prußisch drucken, einer Sprache, die im 18.Jahrhundert ausstarb. Die Potsdamer Ausstellung dokumentiert diesen elementaren reformatorischen Sprachbildungsprozess. Wissenschaftler haben dafür das Vaterunser in den alten Sprachen eingesprochen. Da im 15. wie im 16. Jahrhundert die meisten Pfarrer nur Deutsch sprachen, wurden Dolmetscher engagiert, die auf niedrigen Kanzeln standen und die Predigten Satz für Satz übersetzten. Albrecht förderte zudem die Ausbildung polnischer, litauischer und prußischer Pfarrer durch ein Stipendienprogramm.

Luther hatte Kaiser und Papst die Stirn geboten und in seiner Freiheitsschrift 1520 die „Freiheit“ ins Zentrum des Glaubens gestellt. Auch in Preußen wurde der Reformator darin für viele zum Vorbild. Mit neuem Selbstbewusstsein setzten sich die Menschen gegen obrigkeitliche Einschränkungen ihrer Rechte zur Wehr. In der Gegend um Königsberg erhoben sich die samländischen Bauern und forderten evangelische Prediger und zugleich die Abschaffung übermäßiger Frondienste. In Königsberg selbst kam es zu Schulstreik, Studentenrevolte, Ausweisungen und Hinrichtungen, als der Herzog den Nürnberger Reformator Andreas Osiander gegen den Willen der Stände zum Professor und Oberpfarrer erhob. Im benachbarten königlich-polnischen Westpreußen war die Verbreitung der Reformation in den großen Hansestädten mit Aufständen verbunden. Albrecht setzte sich für die evangelischen Anführer der Danziger Rebellion ein. Einer von Ihnen war Hans von Nimptsch, der später an Albrechts Hof Karriere machte und nach seinem Tod ein prächtiges Gedächtnisbild im Königsberger Dom erhielt. Es stammt von Albrechts Hofmaler Heinrich Königswieser, dessen Ausbildung in der Wittenberger Cranach-Werkstatt der Herzog finanziert hatte.

Zu den Highlights der Potsdamer Schau gehören zwei Bände aus der weltweit einzigartigen Silberbibliothek von Herzog Albrecht und seiner zweiten Frau Anna Maria. Die silbernen Einbände zieren reformatorische Schriften, die auf diese Weise zum Staatsschatz Preußens, eines nahezu vergessenen Kernlands der Reformation, wurden.

 


 

Sonderausstellung

Reformation und Freiheit.
Luther und die Folgen für Preußen und Brandenburg

8. September 2017 bis 21. Januar 2018

Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte in Potsdam
Kutschstall, Am Neuen Markt 9

Zur Ausstellung erscheinen ein Katalog, eine Publikation zur Silberbibliothek sowie eine kommentierte Ausgabe von Martin Luthers Freiheitsschrift.

Ruth Slenczka
Dr. Ruth Slenczka ist wissenschaftliche Kuratorin der Sonderausstellung „Reformation und Freiheit. Luther und die Folgen für Preußen und Brandenburg“ (8. September 2017 bis 21. Januar 2018). hbpg.de

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