Vergessener Schatz
Konfessionelle Hochkultur
Die Silberbibliothek Albrechts von Brandenburg-Ansbach erinnert an ein vergessenes Kernland der Reformation – das Herzogtum Preußen.
Der silberne Bucheinband zeigt in der Mitte eine Kopie des reformatorischen Schautalers, den der sächsische Kurfürst Johann Friedrich 1536 anfertigen ließ: auf dem vorderen Buchdeckel der Sündenfall, auf dem hinteren die Kreuzigung. Zwei Szenen, die die christliche Heilsgeschichte in Kurzform zusammenfassen – vom Verlust der Unschuld im Paradies bis zur Erlösung des Sünders durch den Tod Christi am Kreuz. Ergänzend treten in feiner Gravurtechnik ausgeführte biblische Szenen, Porträtköpfe und in den Ecken Tugendbilder hinzu.
Auch wenn der Schautaler auf Kursachsen verweist, stammt das Buch aus einem anderen Kernland der Reformation: aus dem Herzogtum Preußen. Der letzte Hochmeister des Deutschen Ordens in Preußen, Albrecht von Brandenburg-Ansbach (1490 –1568), nahm den Ordensstaat 1525 vom polnischen König Sigismund I. (1467–1548) zum Lehen. Aus dem Ordensmann wurde ein säkularer Herzog, der sich offen zur Reformation bekannte. Das Herzogtum Preußen fiel auf diese Weise an die Hohenzollern und wurde zum ersten evangelischen Staat Europas.
Glauben war für den Hohenzollernfürsten keine Privatsache, sondern Staatsangelegenheit. Das Prinzip Cuius regio, eius religio, das im Heiligen Römischen Reich erst 1555 mit dem Augsburger Religionsfrieden eingeführt wurde, galt für das Herzogtum Preußen schon seit 1525: Der Herrscher gab die Konfession vor, die auch für seine Untertanen verbindlich war. Er war Vorbild im Glauben und repräsentierte zugleich das reformatorische Bekenntnis seines Landes.
Der silberne Bucheinband bringt genau dies zum Ausdruck: Er gehört zu einem Corpus, das ursprünglich 20 Bücher mit reformatorischen Schriften umfasste. Üblicherweise bedeutete in der Reformationszeit „Bibliotheken zu versilbern“, dass Fürsten sie zu Geld machten. Dazu war im Zuge der Auflösung der Klöster reichlich Gelegenheit, denn zu den übernommenen Kirchenschätzen gehörten auch kostbare Bücher, die sich zur Mehrung der Staatskasse teuer verkaufen ließen.
Eine Bibliothek als Staatsschatz
Anders Herzog Albrecht. Der erste evangelische Landesherr gründete 1527 eine Bibliothek und versilberte ihren Kernbestand im wörtlichen Sinne, indem er 20 Bücher zum religiösen Hausgebrauch, darunter Bibel, Katechismus und Predigten, in Silber einbinden ließ. Solch eine Aufwertung von Büchern war einzigartig, es gab im 16. Jahrhundert in ganz Europa nichts Vergleichbares. Inhaltlich hatte der Bücherschatz vor allem ideellen Wert, er war ein symbolisches Kapital. Die Silbereinbände werteten ihn jedoch auch materiell auf. Die reformatorischen Schriften wurden durch die mit feinen Goldschmiedearbeiten verzierten Einbände zum Bestandteil der höfischen Schatzkunst, zum Staatsschatz des evangelischen Herzogtums.
Lange Zeit galt die Silberbibliothek als verschollen – so steht es auch noch im Wikipedia-Artikel zu lesen. Am Ende des Zweiten Weltkriegs wurde sie aus Königsberg ausgelagert und verschwand. Heute wissen wir, dass 15 Bände in Polen bewahrt wurden, zwölf davon in der Bibliothek der Nikolaus-Kopernikus-Universität in Thorn (Torun).
Diesen außerordentlich wertvollen Bänden ist nun das deutsch-polnische wissenschaftliche Kolloquium „Konfessionelle Hofkultur Europas. Die Silberbibliothek Albrechts von Preußen (1545–1562)“ gewidmet. Die Universität Thorn richtet es zusammen mit dem Haus der Brandenburgisch-Preußischen Geschichte HBPG am 8. Dezember 2016 im Kutschstall in Potsdam aus. Das Kolloquium steht im Vorfeld der großen Reformationsausstellung im HBPG „Reformation und Freiheit. Luther und die Folgen für Preußen und Brandenburg“. Die Ausstellung präsentiert vom 8. September 2017 bis 21. Januar 2018 auch den abgebildeten Band aus der Silberbibliothek. Gemeinsam mit vielen weiteren Exponaten aus polnischen Bibliotheken und Museen erinnert er an das Herzogtum Preußen – ein vergessenes Kernland der Reformation.
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