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Raus aus den postkolonialen Schützengräben

Forum - Raus aus den postkolonialen Schützengräben
© Schnell & Steiner

„Kolonialismus in den Dingen“-Ausstellung

01.05.2025

Das „Museum Fünf Kontinente“, wie sich das traditionsreiche Münchner Museum für Völkerkunde heute nennt, hat seine Bestände aus der Kolonialzeit unter die Lupe genommen und dazu eine Ausstellung unter dem Titel „Kolonialismus in den Dingen“ kuratiert, die sich sehen lassen kann. Schon wieder dieses Thema, möchte man vielleicht meinen, denn es hat seit Jahren schon Konjunktur. Die jahrzehntelang verdrängte, um nicht zu sagen: vergessene deutsche Kolonialgeschichte erfährt plötzlich eine Aufmerksamkeit, die noch immer erstaunt – jene paar Jahre um die Jahrhundertwende, in denen sich das Deutsche Reich seinen Platz an der Sonne sichern wollte und sich weiß Gott nicht vom rücksichtslosen Vorgehen der anderen Kolonialmächte unterschied. Ganz im Gegenteil. Die Blutspur, die Deutschland damals im südlichen und östlichen Afrika hinterließ, reicht bis in die Gegenwart. Und die Frage ist schon berechtigt, warum das so lange nur wenige interessierte. Denn ungeachtet der fehlenden Öffentlichkeit existiert seit Langem eine gründliche wissenschaftliche Beschäftigung mit der Geschichte des Kolonialismus. 

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Leopardenfigur, Benin City (Nigeria), vor 1897 © Marianne Franke/Museum fünf Kontinente

Doch mittlerweile ist das Thema fast zum Schlüssel unserer Beschäftigung mit der eigenen Vergangenheit geworden. Es ist erstaunlich, wo sich überall noch Zeugnisse finden lassen.

Bayern als Schauplatz der deutschen Kolonialgeschichte ist im Katalog der Münchner Ausstellung ein eigenes Kapitel gewidmet, und man staunt tatsächlich, wie wenig man davon weiß.

Aber während in anderen dieser längst neue Namen tragenden ehemaligen Völkerkundemuseen noch immer die Frage von kolonialer Schuld, von Raubgut, Rückgabe oder Provenienz dominiert, kann man in der Münchner Ausstellung eine spannende Akzentverschiebung erkennen: weg von der bislang dominierenden Aneignungsgeschichte und wieder hin zu den vorhandenen Objekten und der spannenden Frage, wie sich der Kolonialismus in ihre Betrachtung eingeschrieben hat.

Sich dieser Stücke durch Rückgabe zu entledigen, enthebt eben nicht der Frage, wie ein andersartiger Umgang mit ihnen aussehen soll, wenn man nicht auf Dauer in den postkolonialen Schützengräben verharren will. Oder anders gesagt: Wie sieht eine kollaborative Beschäftigung mit solchen Sammlungen heutzutage aus, über die sich moderne Gesellschaften in Zukunft wechselseitig verständigen müssen? In dieser noch bis zum 18. Mai laufenden Münchner Ausstellung finden sich kluge Hinweise dafür.


Ausstellung: „Kolonialismus in den Dingen“ im Museum Fünf Kontinente, München. Der Katalog ist im Verlag Schnell & Steiner erschienen und kostet 38 Euro