https://rotary.de/mitgliederservice/rdg-drs/hilfe-fuer-kinder-in-ruanda-a-22006.html
Rotary Aktuell

Hilfe für Kinder in Ruanda

Rotary Aktuell - Hilfe für Kinder in Ruanda
Schulung der Gemeindehelferinnen und -helfer. Lehrmaterial hilft den vor Ort Verantwortlichen, die erforderlichen Schritte zur Früherkennung der Osteomyelitis umzusetzen. © Peter Schuler

Sinnvoll geplante Abfolge von Projekten erzielt Erfolg gegen das Krankheitsbild der chronischen Osteomyelitis.

01.06.2023

In Entwicklungsländern sind fast ausschließlich Kinder im Alter von 2 bis 15 Jahren von Osteomyelitis betroffen. Die häufigsten Ursachen sind Mangelernährung und schlechte hygienische Bedingungen. Zusammen mit dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) wurde von Rotary hier ein Projekt initiiert, das das ruandische Gesundheitssystem stärkt.

Ein Meilenstein

Die Bilder vom 25. Januar 2023 sprechen für sich: frohe Gesichter, lachende Menschen. In einem feierlichen Akt wird die neue chirurgische Klinik in Kibogora eingeweiht. Die ländliche Region am Ufer des Kiwusees erhält ein modernes Zentrum für komplexe orthopädisch-chirurgische Eingriffe. Das neue Haus ist jedoch nur ein Ergebnis des jahrelangen gemeinsamen Wirkens von Institutionen aus Deutschland, Ruanda und von Rotary. Ein gut definiertes Projektziel hatte sie zusammengeführt, den RC KarlsruheSchloss, das RDG-Team, die Leitung des Kibogora Hospital und den RC Kigali-Doyen. Begonnen hat alles mit einem gegenseitigen Kennenlernen und dem Wunsch, das Leiden von Kindern zu beenden.

Vermeidbare Auswirkungen

Peter Schuler, Mitglied des RC KarlsruheSchloss, war zum ersten Mal im Jahr 2015 im Kibogora-Krankenhaus als Volunteer Doctor tätig. Vor Ort sah er eine große Anzahl Kinder, die an fortgeschrittener Osteomyelitis litten. Diese Krankheit befällt Patienten mit beeinträchtigtem Immunsystem und führt zu Vereiterungen in Knochen und Gelenken. Es kommt im chronischen Endstadium zum Absterben von Knochengewebe. Teile dieses Knochens durchbrechen die Haut und bewirken eine weitere Verschlechterung des Zustands. Medizinisch bleibt eine sehr schwierige operative Rekonstruktion der betroffenen Gliedmaßen oder in einzelnen Fällen nur die Amputation. Ein solcher Verlauf kann jedoch mit geeigneten Medikamenten vollständig vermieden werden, wenn der Eingriff im Frühstadium, dem akuten Stadium der Krankheit, erfolgt.

Bessere OP-Ausrüstung im ersten Schritt

Als ehemaliger Chefarzt einer Klink für orthopädische Chirurgie widmete sich Peter Schuler zunächst der Verbesserung der chirurgischen Ausrüstung vor Ort und entwarf ein Projekt, das als Global Grant realisiert wurde. Die Klinik erhielt ein neues Röntgengerät, einen sogenannten C-Bogen, mit dessen Hilfe der Operateur den Eingriff an den Knochen verfolgen kann. Dadurch entstanden 2017 vor Ort ganz neue Möglichkeiten zur chirurgischen Versorgung von Patienten.

Das Übel an der Wurzel packen

Besser als Heilen ist Vorbeugen! Das gilt für die Osteomyelitis in besonderem Maße. Aber wie kann erreicht werden, dass allen betroffenen Patienten so früh wie möglich eine angemessene medikamentöse Therapie zuteil wird? Diese Frage war Ausgangspunkt bei der Konzeption der zweiten, sehr umfassenden Initiative für Kinder in dem westlichen Distrikt Ruandas, zu dem Kibogora gehört. Hier leben etwa 380.000 Menschen. Schritt für Schritt entstand der Plan für das Projekt: Verbesserung des Gesundheitssystems durch Aufbau von Strukturen zur Verhinderung der invalidisierenden und lebensbedrohenden chronischen Osteomyelitis bei Kindern in Ruanda.

Die hierfür erforderlichen Maßnahmen bedeuteten weit höhere finanzielle Aufwendungen. Aus diesem Grund machte sich Peter Schuler mit tatkräftiger Unterstützung des RDG-Teams an die Antragstellung für ein BMZ-Projekt. Das Antragverfahren war ein komplexer Prozess, über den Peter Schuler im Rotary Magazin im April 2021 bereits berichtet hat. Das Gesamtvolumen des Projektes beläuft sich auf 600.000 Euro und wird zu 75 Prozent aus Mitteln des BMZ bestritten. Auch kam ein Global Grant zum Einsatz.

Die Schwerpunkte dieses Großprojektes bilden ein umfangreiches Schulungsprogramm zur Früherkennung der Osteomyelitis und der Neubau einer chirurgischen Klinik in Kibogora. Für das Schulungsprogramm mussten zunächst alle Menschen angesprochen und ausgebildet werden, die in der Lage waren, für die Früherkennung der Osteomyelitis tätig zu werden.

7000 Schulungen

Ein breiter Personenkreis wurde in das im Mai 2021 anlaufende Trainingsprogramm einbezogen. Hierzu gehörten die Mitarbeiter des Krankenhauses und der Gesundheitszentren. Darüber hinaus wurden die Gemeindehelferinnen und -helfer angesprochen, die in den Dörfern Ruandas für die erste Diagnose und die Basisversorgung verantwortlich sind. Fast 500 Ortschaften konnten auf diese Weise über das Programm erreicht werden. Jede der zirka 2850 in das Programm integrierten Personen wurde zweimal oder dreimal geschult. Bis März 2023 belief sich die Anzahl der durchgeführten Schulungen insgesamt auf zirka 7000.

Der Erfolg ist messbar

2023, rdg, ruanda,
Junger Patient (13 Jahre) mit chronischer Osteomyelitis © Peter Schuler

Mit Beginn der Schulungen wurde eine begleitende epidemiologische Erhebung eingerichtet, die Aussagen darüber erlaubt, ob sich die Anzahl der in die Klinik eingelieferten Kinder mit chronischer Osteomyelitis verringert. Die Projektpartner haben sich zum Ziel gesetzt, die Anzahl der Einweisungen von Patienten mit chronischer Osteomyelitis im Projektzeitraum drastisch zu senken. Der Ausgangswert lag erschreckend hoch. Von 100 eingewiesenen Kindern mit Osteomyelitis befanden sich rund 90 im chronischen Stadium, in dem ein invasiver chirurgischer Eingriff zwingend erforderlich war. Nur zehn erschienen im akuten Stadium der Erkrankung, in dem eine medikamentöse Behandlung noch möglich ist.

Im März 2023 hatte sich dieses Verhältnis bereits grundlegend verändert. 45 Prozent der eingewiesenen Kinder befanden sich im akuten Stadium und konnten behandelt werden, ohne dass ein chirurgischer Eingriff notwendig war. In der Projektbeschreibung ist als Ziel festgelegt, den Anteil der mit chronischer Osteomyelitis eingewiesenen Kinder im Projektzeitraum bis Ende 2023 auf unter 50 Prozent zu senken. Dieses Ziel ist zwar noch nicht vollständig erreicht, aber bis zum Projektende am 31. Dezember 2023 ist es realisierbar. Die chronische Osteomyelitis ist dank der eingeleiteten Maßnahmen eindeutig auf dem Rückzug.

Die neue Klinik

Parallel zum Präventionsprogramm erfolgte die Planung der neuen chirurgischen Klinik in Kibogora. Heute ist der zweistöckige Bau fertigstellt. Im Erdgeschoss befinden sich Eingriffs- und Funktionsräume, im Obergeschoss die Bettenstation. Überdachte Rampen machen den Transfer von liegenden Patienten von unten nach oben möglich. Auf Aufzüge hat man wegen der unsicheren Stromversorgung verzichtet.

Die Klinik entstand in Handarbeit. Weder Kran noch Bagger konnten für diesen Bau genutzt werden. Es ist für den europäischen Beobachter außerordentlich eindrucksvoll, dass bereits im Oktober 2022 der klinische Betrieb in dem neuen Gebäude aufgenommen werden konnte. Die Bedingungen für den Operationsbetrieb sind als vorbildlich zu bezeichnen. Das Gesundheitsministerium von Ruanda hat, wie bei der Projektplanung bereits zugesichert, die Einrichtung und die medizinischen Geräte im Umfang von rund 400.000 Euro gestellt. Zur feierlichen Übernahme der Klinik im Januar 2023 wurde deutlich, dass Kibogora heute über eine der besten chirurgischen Kliniken Ruandas verfügt.

Begleitende Projekte

Flankierend zum BMZ-Projekt rief der RC Karlsruhe-Schloss weitere Initiativen ins Leben, die der neuen Klinik zugutekamen. Durch Spenden der Mitglieder entstand eine Photovoltaikanlage auf dem Klinikdach, um die Energiesicherheit in wichtigen Funktionsbereichen zu erhöhen. Ferner hat der Verein Osteomyelitis e. V., angeregt durch das Rotary-BMZ-Projekt, im Kibogora-Krankenhaus eine der besten Sterilisationsabteilungen Ruandas aufgebaut. Ein ruandischer Künstler gestaltete die Korridore der Klinik in der Manier der ruandischen Imigongo-Kunst.

Es geht weiter

Im Rahmen der Klinikeinweihung wurde deutlich, dass die Sicherheit der Kinder vor der Bedrohung durch die Osteomyelitis bereits erheblich verbessert werden konnte. Das erfolgreiche Rotary-BMZ-Projekt wird für das Gesundheitsministerium in Ruanda als Blaupause dienen, vergleichbare Programme in Eigenverantwortung in weiteren Distrikten umzusetzen.

Yvonne Heimerdinger


Informationen RC Karlsruhe-Schloss: karlsruhe-schloss.rotary.de
Fragen an RDG zu BMZ-Projekten: Yvonne Heimerdinger,
E-Mail: yvonne.heimerdinger@rdgduesseldorf.de
Website: rdg-rotary.de
Für interessierte Clubs ist für den Herbst eine Online-Schulung durch Engagement Global geplant. Information folgt.