John F. Germ
Ein Mann der Pflicht
John F. Germ übernimmt zum 1.Juli 2016 das Amt des RI-Präsidenten. Der engagierte Spendensammler - er leitete 2011 die sehr erfolgreiche "200-Millionen-Challenge" - plädiert für mehr Enthusiasmus und Selbstbewußtsein
Wenn John Germ am 1. Juli sein Amt als Präsident von Rotary International antritt, geschieht das in seinem 40. Mitgliedsjahr bei Rotary. Am besten bekannt ist Germ für seine Leitung bei der 200-Million-Challenge - jener Spendenaktion zur Sammlung von 200 Millionen Dollar, die 2011 zusammen mit der Bill & Melinda Gates Foundation gestartet wurde. Die Rotarier übertrafen damals mit 228,7 Millionen Dollar ihr Ziel und sicherten sich damit nicht nur den Zuschuss der Gates Foundation, sondern auch deren fortlaufende Unterstützung der Polio-Kampagne. „Ich hatte keinen Zweifel, dass wir das schaffen“, erinnert sich Germ. „Nicht bei der Großzügigkeit der Rotarier.“ Es war ein großer Moment für die Organisation, denn damit wurden bahnbrechende Erfolge im Endspurt gegen die Kinderlähmung ermöglicht.
Germ trat 1976 dem Rotary Club Chattanooga im US-Bundesstaat Tennessee bei. „Ich war am Anfang über die wöchentlichen Meetings hinaus nicht sehr involviert“, sagt er. „Doch 1983 wurde ich Clubsekretär, und dann wurde ich darum gebeten, den Vizevorsitz in unserem Distrikt für Polio-Spenden zu übernehmen. Und je aktiver ich wurde, desto mehr sah ich, was wir alles Gutes tun, und desto mehr wollte ich mich engagieren.“ Es folgten Berufungen als Director, Vizepräsident von RI und der Foundation, als Trustee und als Referent des Präsidenten. Mit seiner Frau Judy wurde er Mitglied der Arch Klumph Society. Beruflich war er für die von ihm 1965 gegründete Ingenieursfirma Campbell & Associates in Chattanooga tätig.
John Rezek: Was sind Ihre wichtigsten Führungsregeln?
John F. Germ: Für mich ist es am wichtigsten, ein guter Zuhörer zu sein. Eine Führungsperson muss motivieren, ermutigen, delegieren, inspirieren und kommunizieren können. Zuhören ermöglicht ein besseres Verständnis für die Bedürfnisse anderer.
Was sollte ein Mensch in Ihrer Posi-tion niemals tun?
John F. Germ: Er würde nie jemanden bitten, etwas zu tun, das er nicht auch selbst tun würde.
Welche Eigenschaften und Qualitäten sollte jede Rotarierin und jeder Rotarier haben?
John F. Germ: Der wichtigste Wert ist die Integrität. Ohne sie sind wir nichts.
Einige Präsidenten verbringen den Großteil ihrer Amtszeit auf Reisen. Andere erledigen häufig ihre Geschäfte im Zentralbüro. Zu welcher Gruppe gehören Sie?
John F. Germ: Ich beabsichtige beides. Besuche in Clubs und Distrikten sind wichtig für die Motivation und um einfach Danke zu sagen für die geleistete Arbeit. Und um die Botschaft zu unterstreichen, dass wir gemeinsam mehr erreichen. Gleichzeitig ist es äußerst wichtig, die Arbeit zwischen der Führung von RI, der Foundation und den Mitarbeitern kontinuierlich zu koordinieren. Das erfordert Meetings, die den Präsidenten, Präsidenten elect und nominee, den TRF Chair und dessen Vize sowie den Generalsekretär einschließen. Und das wiederum erfordert Zeit in der RI-Zentrale in Evanston.
Was sind die existenziellen Herausforderungen für Rotary? Und was kann der einzelne Rotarier beitragen?
John F. Germ: Die größte Herausforderung für Rotary ist die Mitgliedschaft. Wir müssen unsere Mitgliederbasis erweitern, damit wir mehr leisten können. Wir müssen attraktiver für jüngere Menschen werden, zum Beispiel für ehemalige Teilnehmer von Rotary-Jugendprogrammen. Aber auch Pensionäre müssen wir vermehrt ansprechen. Wir sind eine Organisation mit hohen ethischen Standards und einem uns eigenen Klassifikationssystem. Diese Standards sollten beibehalten werden. Unseren Mitgliedern müssen wir vermitteln, warum es Aufgabe eines jeden Mitglieds sein muss, neue qualifizierte Mitglieder bei Rotary einzuführen und sie zu halten.
Warum ist es so schwer für die Öffentlichkeit zu verstehen, was Rotary ist und tut? Wie wollen Sie da für Abhilfe sorgen?
John F. Germ: Rotarier haben viele Jahre lang ihr humanitäres Werk sowohl lokal als auch global verfolgt, ohne dafür Publizität oder gar Anerkennung zu wollen. Als wir vor ein paar Jahren eine Umfrage durchführten, war es keine Überraschung für mich, dass niemand in der breiten Öffentlichkeit Rotary zu kennen schien oder wusste, was für Arbeit wir leisten. Wir müssen deshalb die Rotary-Nadel mit mehr Selbstbewusstsein tragen und erfolgreicher und enthusiastischer für unser Image in der Öffentlichkeit eintreten. Wir müssen publik machen, was für fantastische humanitäre Einsätze wir überall in Welt leisten. Wir brauchen gesundes Marketing, damit niemand mehr fragen muss, was Rotary ist.
Was war die schwierigere Entscheidung für Sie: Ihr Jahresmotto oder das Design Ihrer Krawatte?
John F. Germ: Ganz klar die Krawatte. Es ist leicht, ein Motto zu finden, das unserem humanitären Dienst entspricht, denn es wird inspiriert durch das lokale und globale Engagement der Rotarier, den Einsatz in der Polio-Kampagne und in den sechs Schwerpunktbereichen der Foundation. Mit meinem Motto beschreibe ich also nur schlicht, was wir tun: Rotary hilft Menschen.
Was waren die zwei oder drei wichtigsten Schritte auf Ihrem Weg zur Präsidentschaft und welchen Rat würden Sie Rotariern geben, die Ihrem Beispiel folgen wollen?
John F. Germ: Ich glaube, ich wurde durch harte Arbeit Präsident. Ich absolvierte erfolgreiche Amtszeiten im Zentralvorstand und im Kuratorium und ich war an vielen örtlichen und internationalen Projekten beteiligt. Es beginnt alles auf der Clubebene. Man muss erfolgreich als Clubpräsident, Governor und Director gedient haben, um vom Nominierungsausschuss in Betracht gezogen zu werden. Eine breite Erfahrungsbasis und eine Vision zur Verbesserung von Rotary sind ebenfalls notwendig. Aber wesentlich sind der unermüdliche Einsatz und die Arbeit nach bestem Vermögen, Wissen und Gewissen sowie die Bereitschaft, stets dazuzulernen.
Was war Ihre Reaktion, als Sie von Ihrer Nominierung erfuhren?
John F. Germ: Judy und ich waren beim Abendessen, als wir den Telefonanruf erhielten. Wir waren natürlich aufgeregt, aber fühlten uns auch sehr geehrt. Umso mehr, als wir die Kommentare der Mitglieder des Nominierungsausschusses hörten. Da wurde uns klar, welch großes Vertrauen in uns gesetzt wird, Rotary zu führen – und das im Jubiläumsjahr der Foundation!
Welche Jobs haben Ihnen innerhalb Rotarys am meisten Spaß gemacht?
John F. Germ: Da kommt gleich nach der Clubpräsidentschaft der Vorsitz in der 200-Million-Challenge. Auch die Besuche der Clubs und Distrikte, die Begeisterung der Rotarier, unser Versprechen einer poliofreien Welt einzulösen, das war schon überwältigend. Und auch die Teilnahme an National Immunization Days war ein Erlebnis. Die lächelnden Gesichter der Mütter zu sehen, deren Kinder gerade die Schluckimpfung erhalten hatten, da lief mir eine Gänsehaut den Rücken herunter. Was für ein Einsatz könnte schöner sein?
Lassen Sie uns einmal annehmen, dass der Präsident alles erreichen kann, was er sich für das Amtsjahr vornimmt. Was wären die drei Dinge, deren Erfüllung Sie erreichen möchten?
John F. Germ: Erstens: den Sieg über Polio. Zweitens: Zuwachs und mehr Vielfalt bei unseren Mitglieder, sodass wir mehr helfende Hände, offene Herzen und neugierige Geister bekommen. Drittens: mehr Partnerschaften und Sponsorvereinbarungen mit anderen Unternehmen und Stiftungen. Die Arbeit mit der Gates Foundation, WHO, UNICEF und CDC führt vor, wie erfolgreich diese Zusammenarbeit sein kann.
Wenn Sie etwas an Rotary sofort verändern könnten, was wäre das?
John F. Germ: Ich würde Rotary geschäftsmäßiger betreiben, nicht nur als gemeinnützige Organisation, die soziale Dienste leistet. Rotary muss sich darüber im Klaren sein, dass eine Haupteinnahmequelle die Mitgliedsbeiträge sind. Anstatt zu denken, dass wir einfach nur Beitragserhöhungen durchführen können, sollten wir sicherstellen, dass die angebotenen Dienstleistungen auch wirklich das sind, was Clubs und Distrikte wollen – und nicht das, was wir als gewünscht oder notwendig annehmen. Wenn Ausgaben ohne entsprechende ausgleichende Einnahmen steigen, dann sollte man nach Möglichkeiten zur Kostensenkung suchen,
anstatt die Preise oder Gebühren zu erhöhen. Ein Geschäftsbetrieb sucht immer nach Möglichkeiten der Betriebsverbesserung.
Die Rotarier beschäftigen rund 600 Mitarbeiter. Sie haben über die Jahre hinweg viele der Mitarbeiter kennengelernt. Beschreiben Sie deren Funktion für jemanden, der keine Ahnung von Rotary hat. Bekommen die Rotarier das, wofür sie bezahlen?
John F. Germ: Die Unterstützung durch einen Rotary-Mitarbeiterstab ist essenziell für Rotary in dessen Mission. Unser hervorragender Mitarbeiterstab arbeitet intensiv daran, Clubs die Hilfen zur Verfügung zu stellen, die ihnen einen besseren Clubbetrieb ermöglichen. Dazu gehören auch Lernmaterialien, Hilfestellung bei Grants und andere Richtlinien. Also ja, unsere Mitarbeiter sind voll ihr Geld wert.
Wenn Sie fünf wichtige, wenn auch nicht unbedingt offensichtliche Charakteristika von sich beschreiben sollten, was würden Sie sagen?
John F. Germ: Meine Eltern erzogen meine Brüder und mich dazu, allen Menschen respektvoll zu begegnen und in allen Lebensaspekten ehrlich und vertrauenswürdig zu sein. Ich wurde als ein Querdenker, als respektvoll, zuverlässig, vertrauenswürdig und hartnäckig charakterisiert, aber auch als jemand, der motivieren und delegieren kann. Und schließlich als Vertrauensperson und Teambuilder.
Wenn Sie mit jedem einzelnen Mitglied von Rotary ein Gespräch führen könnten, was würden Sie mit jedem zur Sprache bringen?
John F. Germ: Ich würde mich bei jedem Einzelnen für seinen Einsatz bedanken. Dank aussprechen für all das, was er tut, und Dank für all das, was er noch tun wird, um die Lebensumstände von bedürftigen Menschen zu verbessern. Und dann würde ich jeden bitten, die Möglichkeiten, die er durch die Einladung zu Rotary erhalten hat, weiterzugeben und seinerseits wiederum einen andere Menschen zur Mitgliedschaft bei Rotary einzuladen.
John F. Germ
ist seit 1976 Mitglied des RC Chattanooga im US-Bundesstaat Tennessee. Der ehemalige Vorstandsvorsitzende und CEO der Ingenieurberatung Campbell and Associates Inc ist verheiratet mit Judy. Die beiden haben vier Kinder und sechs Enkel.
Das Motto für 2016/17
„Rotary hilft Menschen“ lautet die offizielle Übersetzung der rotarischen Jahreslosung „Rotary Serving Humanity“ ab 1. Juli 2016. John F. Germ sagt: „Mein Motto beschreibt schlicht, was wir tun“. Das Präsidenten-Motto bestimmt jeder RI-Präsident selbst und verkündet es üblicherweise auf der International Assembly in San Diego/USA, wo die Governors des kommenden Amtsjahres auf ihre Aufgaben vorbereitet werden. Die früheren RI-Präsidenten inklusive ihrer Mottos finden Sie auf rotary.de/fotostrecke/32