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Das Letzte

Konzertbesuch im Netz

Das Letzte - Konzertbesuch im Netz
© Illustration: Burkhard Mohr

Eine Geschichte von Walter Schwarz-Paqué (RC Saarbrücken-Schloss)

01.06.2025

Konzertbesuche gehören zu den Lieblingsveranstaltungen der Deutschen. Über fünf Millionen Menschen gehen jedes Jahr zu einem Rock-, Pop-, Hip-Hop- oder Klassik-Konzert. Dabei ist ein perfektes Outfit von großer Bedeutung.

Bei unserem ersten Online-Club-Konzert Marke Hausmusik mit drei Geigerinnen konnte davon aber keine Rede sein. Kühl, souverän und kontrolliert wirkte nur der Gesalbte, wenn er auf Vollbildgröße über uns kam. Bei der Mehrzahl der Freundinnen und Freunde wurde man das Gefühl nicht los, als hätten sie die Kontrolle über ihr Äußeres verloren. Die Ränge waren reihenweise mit abgehalfterten Konzertfreunden gefüllt, die bei normalen Konzertbesuchen ohne Lorenzo-Cana-Seidenschal und einem Querbinder samt passendem Einstecktuch nicht ihr Heim verlassen hätten. Ungebügelt und unrasiert schauten sie unscharf und ein wenig haltlos aus ihren kleinkarierten Hemden. Die Freundinnen wirkten zwar nicht so haltlos wie die Freunde, lagen dafür aber mit ihrer derangierten Sturmfrisur Windstärke 10“ auf der nach oben hin offenen Beaufort-Skala im Trend des Abends. Wenn unser Freund Sir Francis Beaufort aus dem Club zu Brighton vor 180 Jahren auch nur im Entferntesten geahnt hätte, dass seine Windstärken-Skala irgendwann bei Damen-Frisuren eine Rolle spielen würde, hätte er sicherlich auf feinere Nuancen geachtet.

Schließlich begannen die Fiedeltanten und geigten, was das Zeug hergab. Obwohl man – nach den rotarischen Richtlinien – mit 20 Minuten rechnete, wurde eine volle Stunde daraus. Mittlerweile glotzten einige mit vollen Backen aus ihren Freizeithemden, während auf den meisten Monitoren nur noch das Foto des Nutzers zu erkennen war. Es war nicht das, was man sich vorgestellt hatte. Zum Glück bekamen das die Hausmusikerinnen nicht mit. Unser geliebter Präsident lobte ihre einfühlsamen Striche und zeigte ihnen drei Flaschen Wein, die am nächsten Tag bei ihnen eintreffen sollten.

Manchmal liegt es an den Umständen. Oder anders ausgedrückt: Es war wie in einem richtigen Konzert, nur anders.