Interview
Rotary in allen Ecken der Welt erleben
Auf Reisen kann jeder Rotarier Rotary Clubs in anderen Regionen und Ländern besuchen. Klaus Fehske vom RC Hagen nutzte diese Chance und sammelte über mehr als zwei Jahrzehnte Eindrücke von mehr als 200 Treffen mit rotarischen Freunden.
Herr Fehske, wie kamen Sie auf die Idee, so viele Clubs zu besuchen?
Zunächst als wissenschaftlicher Mitarbeiter eines internationalen Pharmakonzerns und später 35 Jahre als Leiter einer großen "internationalen Apotheke" schätzte ich die Stärken von „Diversity Management“ und habe dies auf Geschäftsreisen und mit der Familie gern wahrgenommen. Sehr schnell habe ich mich über die Einzigartigkeit von RI gefreut, dass wir weltweit in allen Ländern bei Clubmeetings nicht als Touristen, sondern als gleichwertige Freunde aufgenommen werden und wertvolle Informationen bekamen neben Rotary, Beruf und Gastfreundschaft auch über gute Restaurants, Radarfallen, Ausflugsziele etc..
Was sind Ihre stärksten Erinnerungen? Woran erinnern Sie sich am häufigsten?
In Apulien traf ich nur zwei Mitglieder abends zum Apero an der Bar, die sich über einen deutschen Gast so sehr freuten, dass sie innerhalb von einer halben Stunde 25 Mitglieder des Clubs aktivierten. Beim spontanen Meeting im neuen Restaurant gegenüber mit reichlich Antipasti und gutem Wein sollte ich über die Wahlaussichten von Angela Merkel berichten. Später fuhren sie mein Auto 30 km heim, damit ich nicht in eine italienische Polizeikontrolle gerate.
In Costa Rica lernte ich einen inner-amerikanischen Projekt-Austausch kennen: Nordamerikanische Clubs haben wohl Geld, aber kaum Projekte. Bei südamerikanischen Clubs ist es andersherum. Deshalb findet in Costa Rica jährlich eine Messe zum Projekt-Austausch statt. Ich habe spontan für unseren Club ein angebotenes Hands-on-Projekt zur Eingliederung von jungen Strafgefangenen festgehalten – ein Matching Grant. Drei Jahre später haben wir im Hochsicherheitstrakt des örtlichen Gefängnisses eine Unterstützer-Marmor-Tafel enthüllt und mit Orangensaft die ersten beeindruckenden Erfolge gefeiert.
Am Viktoria-See in Tansania traf ich einen jungen Rotarier, der spastisch gelähmt war und wie eine Schlange auf dem Boden und die Treppen hinauf glitt. Er hatte mit fünf Jahren von einem Rotarier ein Spezialfahrrad bekommen, war von ihm unterwiesen worden, hat durch diese Unterstützung einen enormen Lebenswillen entwickelt, alle Ausbildungsschritte bis zu einem Master-Stipendium in den USA mit Auszeichnung absolviert und ist heute Integrations-Minister in Tansania. Er ist in diesem Rotary Club übrigens der einzige Tansanier, alle anderen sind ausländische Manager, die Rotary mit sozialen Projekten als PR-Maßnahme für ihre Firmen nutzen. Es war das fulminanteste Abendessen, das ich erlebt habe: 2 Liter Wasser für die zwölf Mitglieder und ein Glas Rotwein für den Gast.
In der Toskana gab es ein für mich wenig attraktives Essen „Riso Nero“ und ich musste mit viel Wein nachspülen. Als ich vier Jahre später wieder im gleichen Club war, wurde ich freudig wiedererkannt und gebeten, spontan einen Vortrag zu halten, was das Deutsche Weinbaugesetz mit der italienischen DOCG-Qualifizierung zu tun habe - ich hätte damals erzählt, dass ich als Gründungsmitglied des deutschen Chapters der Rotarian Wine Fellowship etwas davon verstände. Es wurde sehr fröhlich…
Wie unterscheiden sich die Clubs in aller Welt?
In fast allem. Hier einige Extreme:
- Kleidung: Vom Buschhemd bis zur Paradeuniform war alles dabei.
- Kosten fürs Essen: Einmal waren 35 Euro für einen Aperitif fällig, am Meeting durften die Gäste aber nicht teilnehmen. Andernorts war der Club fast beleidigt, als ich als Gast etwas fürs Essen bezahlen wollte.
- Mitgliederzahl: In Brasilien gab es Clubs mit 3 bis 5 Mitgliedern, in Mexiko dagegen mit 250. Trotz der vielen Mitglieder war die Organisation perfekt inclusive des Abspielens von 10 Sekunden der Nationalhymnen der ca. 50 Gäste.
- Dauer: Manchmal wurde innerhalb weniger Sekunden eine Präsenzkarte zum Selbstausfüllen vom Hotelportier überreicht, während das Meeting in der Vandée mit Großeltern, Enkeln, Muscheln braten, Karussell und mehr organisiert war und fünf Stunden dauerte.
- Präsenzkarten: … gibt es bei vielen Clubs nicht mehr, bei anderen hingegen sind es echte Kunstwerke. So wurde einmal mein Name in eine Quarz-Scheibe eingraviert.
- Projekte: Von Scheckbuch-Projektförderung bis zu großem persönlichem Einsatz war alles dabei.
- Fundraising-Ideen: Einmal hatten Rotarier 100.000 Sardinen-Dosen mit einem Künstler-Etikett versehen und mit 50 Cent Aufschlag für den Club verkauft. Andernorts organisierten die Clubs Geschenke, die man nicht kaufen kann: zum Beispiel ein Essen mit dem örtlichen Oberbürgermeister, Whiskey-Tastings mit dem Kämmerer, eine Tour mit dem Kulturdezernat, bei der man hinter Türen schauen konnte, die sonst verschlossen sind.
- Dauer der Präsidentschaft: Unglaublich, aber ich habe zweimal erlebt, wie Präsidenten während des Meetings, das ich besuchte, abgesetzt wurden. Und anderswo erlebte ich einen „Lebenszeit-Präsidenten", der das Amt schon über 15 Jahre ausübte.
- PHF: In manchen Regionen wird die Auszeichnung als reines Fundraising gewertet. Wer in den Club eintritt, sollte einen PHF „erwerben“. Anderswo ist der Paul Harris Fellow ein Geschenk und eine große Ehre. Sie wird nur nach ausführlichem Vorstandsbeschluss gewährt.
- Mitgliederwerbung: In einigen Ländern werden neue Mitglieder eher im Verborgenen gesucht, während in anderen Orten eine Video-Leinwand am Flughafen dafür gebucht wird. Oder aber eine 3 Meter hohe Glocke auf einem zentralen Verkehrskreisel macht auf Rotary aufmerksam – wie zum Beispiel in Peru.
- Präsident/in: Von Marionette bis Diktator habe ich schon alles erlebt.
- Tagungsraum: Der beste Raum in einem Hotel mit fantastischem Blick über die Stadt – oder ein Keller ohne Fenster: Die Bandbreite war groß. Und im Lauf der 35 Jahre meiner Reisen verschlechterte sich die Qualität der Tagungsorte deutlich.
- Sprache: Ehrlich – in der Türkei habe ich mal einen ganzen Abend kein Wort verstanden, während ein griechischer Club in Alexandria sofort ins Englische wechselte, damit ich als Gast alles verstehe. Selbst der Referent hielt seinen Vortrag auf Englisch. Dagegen sprach ein deutscher Club in Buenos Aires während des Meetings nur spanisch, während im Anschluss fast alle Mitglieder zu mir kamen, um Deutsch zu sprechen.
- Regelmäßigkeit der Meetings: Eine Reihe Clubs nehmen das sehr ernst – von ausnahmslos wöchentlichen Treffen inclusive Stallwache für Gäste. In Südeuropa bekam ich dagegen manchmal die Auskunft: „Rotary makes holiday – für die nächsten zwei Monate.“ Oder auch in Bayern: „Jo mei, die moachen a Ausschwärm-Meeting!“
Was waren denn die erstaunlichsten Erlebnisse in den besuchten Clubs?
Die Eröffnungs-Zeremonien: vom Absingen der Nationalhymne oder eigener Lieder über Flaggen hissen bis hin zum gemeinsamen „Beten" der rotarischen Vier-Fragen-Probe. Auch der Umgang mit Frauen als Mitglieder erstaunte: So waren die vier Clubs einer Stadt tatsächlich stolz darauf, eine beruflich sehr erfolgreiche Rotarierin zwar zum hervorragend besuchten Vortrag einzuladen, sie zum anschließenden Essen aber nicht zuzulassen und auch als Mitglied nicht aufzunehmen, da Frauen als Mitglied generell abgelehnt wurden. Ich hingegen erlebte gemischte Clubs in der Regel deutlich fröhlicher und aktiver als reine Männer-Clubs.
Bei einem Besuch hörte ich in einem Club in Costa Rica – dem ehemals glücklichsten Land der Welt – vom Auftrag der WHO zu untersuchen, warum die durchschnittliche Lebenserwartung 20 Jahre höher liegt als im benachbarten Nicaragua – eine Differenz so hoch wie nirgends sonst auf der Welt. Der Vortrag eines Rotaract-Studenten nach halbjährigem Aufenthalt dort ergab folgende Erfolgsfaktoren:
1. Hervorragendes Gesundheitswesen
2. Außergewöhnliches Schulwesen
3. starker Einfluss der katholischen Kirche
4. keine eigene Armee.
Und ich habe unter dem Jubel des Clubs noch einen Satz von Prof. Dietrich Grönemeyer hinzugefügt: "Der beste Schutz gegen den Herzinfarkt ist die Herzlichkeit!"
Ein andermal erlebte ich, wie ein rotarischer Freund einen Paul-Harris-Fellow mit fünf Saphiren und drei Rubinen erhielt. Sein Verdienst: Er vertrat die Meinung „Wenn Rotary Dich ruft, ist ‚Nein‘ keine zugelassene Antwort!" und hatte bereits acht Rotary Clubs neu gegründet.
Erstaunlich auch, dass für Rotary Meetings in Korsika und Argentinien Polizeischutz nötig war.
Oder ich hörte nach einem Online-Vortrag und einer langen Diskussion in Hamburg: „Klaus, Du hast mein ganzes Weltbild von Rotary total durcheinandergewirbelt, kannst Du diesen Vortrag nicht auch einmal bei uns in Wien halten?“ – Ich habe diese Frage zu einem Kurzurlaub mit meiner Frau in der österreichischen Hauptstadt genutzt.
Wie wurden Sie in den verschiedensten Ecken der Welt aufgenommen?
Grob überschlagen: Ein Drittel reagierte distanziert oder auch desinteressiert. Oft kam die Frage, warum ich mir das antue. Ein weiteres Drittel empfing mich nett und informativ, zeigte Interesse am Gast. Das restliche Drittel ließ mir eine umwerfend herzliche Gastfreundschaft zuteilwerden, die mich jedes Mal glücklich machte, zur großen Familie von RI zu gehören!
Was nehmen Sie mit in Ihren Club von den internationalen Begegnungen?
Rotary international ist ganz anders, als sich das viele Mitglieder vorstellen, die bisher kaum andere Clubs besucht haben. Daher die Anregung, diese einmalige Chance zu nutzen und selbst Clubs in aller Welt zu besuchen und die Vielfalt von Rotary kennenzulernen: Jeder kann zuhören, annehmen, sortieren, genießen – und eben prüfen, was auch zum eigenen Club zuhause passen könnte.
Was war die weiteste Anreise zu einem Clubmeeting?
Ca. 200 km mit dem Taxi in Griechenland nach Piräus, weil ich unbedingt mal einen griechischen Club kennenlernen wollte. Noch vor 25 Jahren mussten die sich verstecken. Eine der wohl längsten Anreisen hatte ich erst kürzlich zum RC Ufenau am Zürichsee: sieben Stunden und ziemlich viel Benzin. Grund war ein Internet-Meeting, dessen Übertragung wegen eines Gewitters abgebrochen wurde. Als ich meinen Vortrag bei einem persönlichen Meeting nachholen wollte, geriet ich in die Sperrung des Pfänder Tunnels und brauchte leider dreieinhalb Stunden allein für die Hinfahrt. Dafür habe ich hoch über dem Zürichsee eines der attraktivsten Meetinglokale kennengelernt, wurde mit Champagner begrüßt und konnte meinen Vortrag im Sonnschein draußen halten. Rotary kann soooo schön sein…
Wie lange machen Sie das schon und was hat das alles eigentlich gekostet?
Ich besuche andere Clubs, seit ich vor 35 Jahren von einem Clubfreund zu einem Treffen „zwangsverpflichtet“ wurde, das in Dijon stattfand, wo mich dann das internationale Rotary-Fieber erfasste.
Die Kosten lassen sich schlecht beziffern, da sie bis auf gelegentliche Taxikosten, Spritkosten sowie eventuell Ausgaben fürs Essen eher Urlaubs-Nebenkosten sind.
Und final: Wie viele Clubs in wie vielen Ländern genau sind es inzwischen geworden?
Bis heute sind es 260 Clubs in 25 Ländern dieser Welt, die ich bereits besucht haben, davon 30 mit einem Online-Vortrag. Zuletzt war ich am Zürich-See und in Shenzhen (China).
Vielen Dank für das Gespräch.