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Ethik

Rotary-Tag sorgt für Begeisterung

Der 5. Rotary Tag zum Thema Ethik war ein voller Erfolg. Über 350 Teilnehmer lauschten den Vorträgen der Experten an der Hochschule Rhein-Waal. Nun sind spannende Folgeinitiativen und -projekte in Planung.

14.02.2014

„Das waren wirklich herausragend inspirierende Vorträge“, dieser Satz von Holger Knaack, Vorstandmitglied von Rotary International, brachte die vorherrschende Meinung an den zwei Rotary Tagen auf den Punkt. Über 350 Teilnehmer waren am 14. und 15. Februar der Einladung von Joachim Reuter gefolgt und in das niederrheinsche Kleve gekommen. Im Audimax der Hochschule Rhein-Waal lauschten sie den Vorträgen der hochkarätigen Experten, die zumeist aus den Reihen der Mitglieder von Rotary kamen – und waren begeistert.

 

Die Referenten deckten sämtliche Facetten der Ethik, dem Themenschwerpunkt des Rotary Tags, ab. Dabei ging es nicht nur um die Theorie, sondern auch die Praxis. „Wir wollen uns nicht nur mit Definitionen befassen, sondern mit dem, was die Menschen direkt betrifft“, sagte Organisator und Governor Joachim Reuter (Distrikt 1870) zur Begrüßung.

„Ist unser Rahmen für Moral und Ethik brüchig?“ lautete die Frage, die die beiden ersten Vorträge thematisch umklammerte. Christoph Frank, Mitglied des Rotary Clubs (RC) Freiburg-Zähringen, sprach über die Strafverfolgung in Deutschland und erörterte die Frage, ob ihre Rahmenbedingungen und Gegebenheiten sie zu einem gerechten System werden lassen. Nach Joachim Starbattys (RC Reutlingen-Tübingen-Nord) Vortrag über die Euro-Krise und die Haftung von Entscheidungsträgern in der EU und Roland Tichys Vortrag, er leitet die Redaktion der Wirtschaftswoche, über die wachsende Macht der Bilder, sorgte der Vortrag von Prälat Patrick Boland (RC Lübeck-Burgtor) für Begeisterung.

Boland machte mit vielen Zitaten und Einblicken in philosophisches Denken das abstrakte Thema Gewissen greifbar. So ging er zum Beispiel auf die Frage ein, warum Menschen, wie Ghandi, Nelson Mandela, Mutter Theresa oder Martin Luther King eine größere – wie Boland es getauft hat – Gewissensschärfe besitzen als andere Menschen, sprach über die Gefahr ideologischer Unterwanderungen und fragte, ob unsere natürliche moralische Intention ausreicht. Außerdem legte er nachvollziehbar dar, dass gute Führung auch etwas mit Menschenliebe zu tun hat und kam schließlich auf Rotary zu sprechen. Das Publikum, darunter Vertreter aus 54 Clubs des gastgebenden Distrikts, 35 Clubs aus anderen deutschen Distrikten und sogar zwei aus dem Ausland, dankte es ihm mit einem kräftigen Applaus.

Mit einem Podiumsgespräch über die Frage, wie Menschen in Führungspositionen Beiträge leisten können zur Wahrung von Prinzipien der Wahrheit, Fairness und des Wohls, die dann doch eher um den gesellschaftlichen Rahmen kreiste als um die konkrete Führungspraxis, ging die Vortragsreihe zu Ende. Auch reichlich Beiträge aus den Zuhörerreihen befruchteten die Diskussion.

Der Tag fand schließlich mit Musik der Band „Die Flegel“ aus dem niederländischen Nijmegen und einem Buffet in der Mensa der Hochschule seinen Abschluss – mit Gesprächen, in denen sich zeigte, dass in dem Thema Ethik noch viel mehr steckt als am ersten Tag behandelt werden konnte.

Und so wurde der durch den ersten Tag angeregte Wissendurst am zweiten Tag befriedigt. Es ging um Ansätze zur Erneuerung von Ethik und Moral, und die Frage, ob es eine Renaissance von Glaube und Religion als Wertefundament geben kann und wird. Marco Buschmann, Geschäftsführer Politik in der FDP, Generalsekretär der FDP in Nordrhein-Westfalen und von 2009 bis 2013 Mitglied des deutschen Bundestags, verdeutlichte in seinem Vortrag die Grundsätze des Ordo-Liberalismus und untermauerte die These, dass Freiheit auf jeden Fall einen gut funktionierenden Rahmen braucht. Freiheit und Ordnung seien keine Gegensätze. Rahmen-Vorgaben durch eine Obrigkeit sollten sich jedoch auf ein Minimum an Verhaltensregeln beschränken, da sonst zu stark in die moralische Autonomie des Einzelnen eingegriffen werde. „Die Politik läuft oft Gefahr, dies zu tun“, sagte Buschmann. Die Konsequenz strikter Regeln sei häufig, dass Menschen beginnen, moralischen Widerstand an den Tag zu legen. Später leistete Buschmann auch den thematischen Transfer zum Thema Führungskräfte. Buschmann betonte am Ende seines Vortrages noch, dass ein moralisches Verhalten nicht durch strenge Regeln quasi erzwungen werden könne, sondern durch jeden Einzelnen für sich selbst gelebt und geschaffen werden solle.

Spannende Einblicke gewährten die folgenden Beiträge. Mit ihnen begann sodann die Sicht auf den Menschen, die vorherigen Beiträge hatten sich mit Verfehlungen und dem großen Rahmen beschäftigt, fortan ging es um Individualethik. Zwei Referenten beleuchteten das Thema Ethik, Gewissen, und Glaube aus Sicht der Hirnforschung und Neurowissenschaften. Auf eindrucksvolle Weise zeigte Walter van Laack den Stand derForschung zur Frage auf, inwiefern Körper und Geist untrennbar zusammen gehören oder nicht. Welche Hinweise gibt es darauf, dass das Gehirn als materielles Zentrum nur ein Gerät ist? Diese Frage formulierte van Laack vor dem Plenum und führte auch Nahtoderfahrungen als Untermauerung der Bejahung dieser These an. Auch ein Beispiel, für das die Wissenschaft bisher keine Erklärung gefunden hat, stellte van Laack vor: Die sogenannten Savants. Diese Menschen haben eine kognitive Behinderung, vollbringen aber herausragende Leistungen eine einem Teilbereich. Thematisch schloss sich der Vortrag von Patrick Becker an, in dem er unter dem Titel „Glaube vs. Wissenschaft?“ erst auf die Geschichte der Hirnforschung einging, um schließlich aufzuzeigen, dass in der Gegenwart Natur- und Religionswissenschaft zwei strikt voneinander getrennte Bereiche sind, die es nach Beckers Wunsch zufolge wieder zu verbinden gilt.

Um die Vereinbarkeit von Vernunft und Glaube ging es auch in einem von insgesamt vier der darauffolgenden Workshops. Mit dem Thema „Praktische Erfahrungen mit der Gewaltenteilung“ wurde Starbattys Vortrag vom Vortag aufgegriffen und weiterdiskutiert. Auch die Banken vor und nach der Krise waren Thema einer Diskussionsrunde. Rege Beteiligung fand auch das Thema „Die Vier Fragen-Probe und ihre Lebenswirklichkeit in und zwischen den Clubs". Mit Nikolaus Schneiders Vortrag zur politischen Verantwortung der Kirche endete die Reihe der Fachvorträge.

Spannende Aussichten lieferte Joachim Reuter mit der Verabschiedung und dem Ausblick. So soll das Leporello, das an alle Teilnehmer ausgeteilt wurde, weiterhin als Diskussionsgrundlage in den Clubs dienen. Darin finden sich neben der Vier-Fragen-Probe und dem rotarischen Ehrenkodex viele Beispiele aus dem Alltag, in denen Rotarier Gefahr laufen, ihre Prinzipien zu unterwandern. Darüberhinaus wird es einen Essayband mit allen gehaltenen Vorträgen geben. Dieser ist bereits in Arbeit.

"Die Fächer Religion und Physik im Schulunterricht könnten den Blick schärfen, dass es auch im jeweils anderen Fach Geschehnisse gibt, die jeglicher menschlicher Vernunft widersprechen, also unbegreifbar sind", sagte Reuter zudem. Das seien in der Religion z.B. biblische Wunder und in der Quantenphysik die Tatsache, dass Quantenelemente einander widersprechende Eigenschaften gleichzeitig annehmen können, die Superposition, und auch bei großer Distanz instantan Informationen austauschen, Einstein: geisterhafte Fernwirkung. Hierzu solle es Veranstaltungen mit Pädagogen aus beiden Fächern geben.

Es wurden udn werden zudem Überlegungen angestellt, ein AN-Institut für Ethik zu gründen an einer Hochschule. Die größte Aufgabe hierbei ist allerdings, finanzielle Unterstützer zu finden. An diesem Institut soll dann das stattfinden, was derzeit zwischen Gewinnstreben und Turbokarrieren sowie -studium oft zu kurz kommt – die Auseinandersetzung mit ethischen Prinzipien.