https://rotary.de/panorama/wir-schmecken-geschichte-a-24184.html
Interview und Weinseminar

"Wir schmecken Geschichte"

Interview und Weinseminar - "Wir schmecken Geschichte"

Reben sind Zeitzeugen von Klima und Kultur, sagt Ulrich Martin. Er hat sich auf die Rekultivierung autochthoner Rebsorten spezialisiert – und bietet exklusiv ein Weinseminar an.

01.10.2024

Herr Martin, im Weinbau hat die Entwicklung, Rebsorten nur noch sortenrein zu setzen und sie in Rebschulen zu klonen dazu geführt, dass die Diversität abgenommen hat. Gewinner dieser Fokussierung sind Sorten wie Cabernet Sauvignon, Merlot, Chardonnay, Syrah oder Sauvignon Blanc. Verlierer sind die autochthonen (ursprünglichen, gebietstypischen - d. Red.) Rebsorten. Wieso ist ihr Erhalt wichtig?

Wenn man in die Zeitgeschichte der Rebsorten hineinliest, umfasst sie einen Zeitraum von 8000 bis 10.000 Jahren. Eigentlich begleiten uns die Weinreben, seitdem die Menschen sesshaft wurden. Wenn wir die Entwicklung von Sorten wie Hartblau und Süßschwarz verstehen wollen, kommen wir am Thema Klima nicht vorbei. Und da sehen wir: Es war schon wärmer als heute, aber auch kälter als heute. Die Antwort der Natur auf Klimaveränderungen, war immer Anpassung. Und Anpassung geht nur über genetische Breite, über Biodiversität. Wenn man unsere Rebfunde nutzt, tragen sie also bei zum Erhalt der Regionalität. Würden die deutschen Winzer nur noch Riesling oder Spätburgunder pflanzen und das Klima würde sich weiter erwärmen, müssten sie nach Norden wandern, um diese Reben weiter anbauen zu können. Ein verantwortungsvoller Winzer, der in Generationen denkt, muss an Regionalität und Biodiversität denken.

Warum waren diese historischen Rebsorten verschwunden?

Mehltau- und Reblauskriege dezimierten die europäische Weinanbaufläche, als die Ampelographie noch etliche Sorten in Sortengruppen katalogisierte. Das Wissen um Einzelsorten war sehr lückenhaft. Nach zwei Weltkriegen und einer politischen Gesinnung war das Sortiment an erlaubten Rebsorten stark eingeschränkt. Und weil die Züchtungen nach den beiden Weltkriegen auf einer engen genetischen Basis entstanden. Und wenn ich eng mit eng kombiniere, bleibt es eng. Durch die historischen Rebsorten bekommen wir jetzt wieder eine gewisse Breite. Außerdem geht es uns auch um eine Geschmacksvielfalt. Es gibt immer mehr Menschen, die keinen Riesling und Burgunder mehr wollen, die aber etwas Neues entdecken möchten. Wir bekommen jetzt eine sensorische Antwort auf die Frage, warum unsere Vorfahren eine Rebsorte 8000 Jahre lang kultiviert haben.

Das heißt, das Aufspüren und Rekultivieren alter Rebsorten ist für Sie auch eine Frage der Wertschätzung?

Ja, diese alten Rebsorten haben Seele. Jede erzählt ihre eigene Geschichte. Mit jeder Rebsorte, die wir entdecken, bekommen wir ein neues Bild vom historischen Weinanbau. Und der deckt sich nicht mit dem, was in der Literatur steht.

Nennen Sie bitte ein Beispiel.

In Burgund Cote-d’Or steht heute der Spätburgunder in den Grand-Cru-Lagen. Hochdotiert! 1000 Euro kostet eine Flasche aus einer Toplage. Wir haben festgestellt, dass bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts kein Spätburgunder-Stock in diesen Toplagen stand. Da standen andere Rebsorten. Die haben wir wiederentdeckt und haben einige davon wieder im Anbau. Wenn man wissen möchte, wie der echte späte Burgunder im 19. Jahrhundert geschmeckt hat, muss man diese Sorten anbauen. Dann versteht man, weshalb Cote-d’Or seine weltweite Bekanntheit erlangte.

Winzer aus dem In- und Ausland kaufen bei Ihnen Reben. Wie sind die Trends? Welche Sorten werden in welchen Regionen nachgefragt?

Weißweine werden immer stärker nachgefragt, sie machen zwischen 80 und 90 Prozent aus. Das gilt auch für historische Sorten, wo derzeit vor allem Grünfränkisch (Bormeo Verd) und der Grüne Adelfränkisch (Grünedel) sehr stark laufen. Beim Weißen Traminer haben wir festgestellt, dass er bei uns in der Region tief verankert ist. Die Literatur behauptet aber etwas anderes. Er wird in Osteuropa erwähnt, auch in der Schweiz im Wallis und im Jura, aber bis vor Kurzem wusste man nicht, dass er in Deutschland stark angebaut wurde. Bei den Rotweinen sind der Franc Pineau und der Schwarzblaue Riesling die Leitsorten.

Gehört Deutschland in Europa bei der Wiederentdeckung autochthoner Rebsorten zu den Frontrunnern?

Nein, die deutschen Winzer ziehen eher nach. Vorweg gehen Portugal und Spanien. Auf Mallorca dürfen nur noch autochthone Rebsorten gepflanzt werden. Mittlerweile geht man auch in Osteuropa dazu über, die internationalen Sorten an die Seite zu legen, der Markt dafür ist gesättigt. Auch dort geht der Trend zurück zur Regionalität. Autochthone Rebsorten sind übrigens weitgehend ein europäisches Phänomen, denn die neue Welt hat irgendwann einmal europäische Rebsorten importiert.

Reben sind also auch immer Zeitzeugen.

Genau! Zeitzeugen von Klima und Kultur. Aufgrund der Völkerwanderungen und Deutschlands Lage im Zentrum Europas haben wir hier eine sehr hohe Anzahl und Dichte an autochthonen Rebsorten. Wir haben eine ungeheure genetische Vielfalt in unseren Weinreben nördlich der Alpen – im Burgund, im Elsass, in der Champagne, selbst im heutigen Tschechien. Es gab einmal Weinanbau an der Ostsee. Im Mittelalter hatten wir noch 160 Rebsorten im heutigen Brandenburg. Anderes Beispiel: Bis ins frühe Mittelalter haben wir fast nur rote Roséweine getrunken, kaum Weißweine. Von wegen Deutschland ist Weißweinland – das stimmt so nicht! Das ist auch in der Religion verankert: Das Blut Christi war nicht weiß, es war rot. Wenn wir heute eine Rebsorte wiederentdecken, die noch nie sortenrein getrunken wurde, werden wir zu Archäologen der Weinaromen, weil wir die ersten sind, die diese jahrtausendealten Gewächse sortenrein schmecken. Weinsensorisch betrachtet ist das, als würden wir alte Grabkammern öffnen. Wir schmecken Geschichte.

Stellen Sie fest, dass auch jüngere Winzer mit autochthonen Rebsorten experimentieren?

Ich erkenne im Moment drei Trends. Einmal die Fokussierung auf namhafte, traditionelle Sorten wie Riesling, Chardonnay und Grauburgunder. Dann gibt es den Trend der Neuzüchtungen, Stichwort "Piwi". Das sind widerstandsfähige Kreuzungen gegen die Mehltaupilze. Und der dritte Trend, der jüngste, ist die Rückbesinnung auf das Alte. Da wird mit Orange Wine und Natural Wine experimentiert. Wer sich dafür interessiert, schaut auch, wie die Weine damals ausgebaut wurden, was man vom alten Handwerk lernen kann. Und diese Winzer beschäftigen sich auch mit autochthonen Rebsorten. Aber sie sind nicht rückwärtsgewandt, sondern wollen aus der Vergangenheit lernen, um ihre Zukunft neu auszugestalten.

Die Branche modernisiert sich. Viele Winzer investieren in ihr Marketing, in ihren Online-Auftritt. Die Etiketten auf den Flaschen haben keinen Goldrand mehr, sondern sind modern gestaltet. Es gibt keine altdeutsche Schrift mehr. Steckt dahinter der Wunsch nach einem Imagewandel?

Wir wissen, dass 80 bis 90 Prozent der Weine am Trampelpfad im Supermarkt verkauft werden. Das steht im Wettbewerb zum Direktverkauf und zum Weinhandel. Winzer, die am Weinmarkt bestehen wollen, müssen sich etwas einfallen lassen und ihren Standpunkt definieren. Über meine Kunden kann ich sagen: Diese Winzer sind keine klassischen Landwirte mehr, sondern das sind Vollprofis, bestens ausgebildet. Die haben Ahnung von Marketing, aber schrauben auch an ihrem Traktor. Die haben auch betriebswirtschaftliche Kenntnisse, das sind echte Allrounder. Nur die Besten können sich in dieser Branche durchsetzen.

Das Gespräch führte Björn Lange.

Ulrich Martin arbeitet nicht allein an der Rekultivierung historischer Rebsorten. An seiner Seite ist der Ampelograph Andreas Jung. In einem Forschungsprojekt hat Jung rund 300 Rebsorten entdeckt, die als ausgestorben galten, und diese historisch aufgearbeitet. Auf diese Weise werden die Herkunft und jahrtausendealte Geschichte der Rebsorten nachvollziehbar. Ulrich Martin kultiviert derzeit etwa zehn weiße und zehn rote historische Rebsorten in seinen eigenen Weinbergen und vertreibt die Weine im Weinfachhandel und direkt über seine Online-Vinothek.


2024, ulrich martin, weinexperte, weinseminar
Weinexperte Ulrich Martin © privat

WEINSEMINAR

Wer die Weine alter Rebsorten probieren möchte, kann im Shop von Ulrich Martin das "Rotary-Entdecker-Paket" zum exklusiven Vorzugspreis bestellen. Es beinhaltet je eine Flasche

- 2021er Gelber Kleinberger Sekt, brut (16,90 Euro)
   --> als Begrüßung und zur allgemeinen Vorstellung des Projektes Historische Rebsorten und der Weine
- 2023er Süßschwarz, Blanc de Noir, trocken (9,50 Euro)
- 2023er Weißer Traminer, Weißwein, trocken (12,80 Euro)
- 2022er Grünfränkisch, Weißwein, trocken (13,50 Euro)
- 2020er Fränkischer Burgunder, trocken (25,30 Euro)
- 2023er Grünedel, Weißwein, fruchtig süß (14,80 Euro) --> als "Dolce" zum Schluss

Bestellungen über:
historische-rebsorten.de/tag/schmecken-sie-geschichte. Einfach den Code ROTARY-WEIN2024 eingeben, sparen und genießen. Und das Beste: Der Kauf des Entdecker-Pakets berechtigt Sie zur Teilnahme am Weinseminar zu autochthonen Reben mit Ulrich Martin am  14. November 2024, 19 Uhr.
--> Bestellschluss für das Rotary-Entdecker-Paket und das Weinseminar: 18. Oktober 2024

Wer ohne Bestellung am Weinseminar teilnehmen möchte, schreibt unter dem Betreff "Weinseminar" an redaktion@rotary-verlag.de und gibt Name, Adresse, Rotary Club und Telefonnummer an. Da die Teilnehmerzahl begrenzt ist, genießen die Käufer des Entdecker-Pakets Vorrang. Wir informieren Sie rechtzeitig per Mail, ob Sie einen Platz im Weinseminar ergattern konnten.