Rotary Aktuell
Clubheimat von Anfang an
Seit der Charter des Rotary Clubs Heidelberg vor 90 Jahren dient ihm der Europäische Hof fast ununterbrochen als Treffpunkt. Auch Patenclub Heidelberger-Schloss tagt hier seit 1970.
Nachdem die europäische rotarische Geschichte 1920 in Madrid begann und die erste Gründung in Deutschland mit dem Rotary Club Hamburg im Jahre 1927 erfolgte, wurde einige Jahre später der Rotary Club Heidelberg durch seinen Patenclub Stuttgart am 9. Dezember 1930 beziehungsweise am 9. Januar 1931 gegründet – die satzungsgemäß erforderlichen 15 Mitglieder waren erst zu Neujahr nach Heidelberg zurückgekehrt. Am 4. und 5. Juli 1931 erfolgten die großen Charterfeiern gemeinsam mit dem RC Mannheim, erst in Mannheim, dann in Heidelberg. Charter-Nummer: 3463. Die erstmals im Mitgliederverzeichnis 1931/32 aufgelisteten Vorstands- und Clubmitglieder sowie weitere acht „Charter-Members“ führen auch meinen Großvater auf, Clubmeister Fritz Gabler, Eigentümer des Europäischen Hofs und des gegenüber liegenden Viktoria Hotels. Als Clublokal wurde der Europäische Hof ausgewählt, Treffpunkt damals wie heute: dienstagmittags.
Auflösung bereits nach zwei Jahren
Schon kurz nach der Charter des RC Heidelberg wirkte sich Deutschlands politische Entwicklung auch auf das Zusammenleben in der renommierten Universitätsstadt negativ aus. Club-Vizepräsident Willy Hellpach (Universitätsprofessor, Staatspräsident, Mitglied des Reichstages) schilderte 1947 in einem zweiseitigen eng- und maschinengeschriebenen Brief an den späteren (Neu-)Gründungspräsidenten, in welcher Situation sich der Club im Mai 1933 nach der sogenannten Machtergreifung vom 30. Januar 1933 befunden hatte.
Zwei nationalsozialistische Mitglieder hatten vom Vorstand verlangt, die jüdischen und auch einige missliebige demokratische Mitglieder, darunter zwei Nobelpreisträger, aus dem Club zu entfernen. Daraufhin entschied der Vorstand einstimmig, eine Selbstauflösung des Clubs nach kaum zweijährigem Bestehen vorzunehmen und gab die Charter zurück, nachdem am 21. März 1933 die anwesenden Mitglieder des letzten Meetings laut Protokoll einstimmig der Auflösung des Clubs zugestimmt hatten. Laut Schreiben von
Willy Hellpach sei diese Entscheidung nicht nur richtig, sondern vorbildlich gewesen. Die später formulierten Vorwürfe einiger Rotarier aus anderen deutschen Clubs, es habe sich damit um eine vorweggenommene parteipolitische Maßnahme gehandelt, seien nicht nur falsch, sondern auch aufgrund vorliegender Beweise nicht nachvollziehbar, so Hellpach weiter. Er bezeichnete die vorgebrachten Anschuldigungen zur Auflösung des Heidelberger Rotary Club als eine Legendenbildung, hart an der moralischen Diffamierung.
Erst anlässlich einer Distriktversammlung am 4. September 1937 im Berliner Hotel Esplanade erklärten die anwesenden Rotarier, praktisch auf Weisung der NS-Regierung, die Selbstauflösung aller deutschen Rotary Clubs zum 15. Oktober 1937.
Neugründung 1950
Die Neugründung des RC Heidelberg erfolgte am 2. Dezember 1950, die Patenschaft übernahm diesmal der Rotary Club Mannheim. Gründungsmitglied und erster Präsident war Ernst Engelking, Direktor der Universitäts-Augenklinik in Heidelberg. Sieben Jahre lang konnte der Europäische Hof nicht als Clubtreffpunkt dienen, da die amerikanischen Besatzer unser Hotel als „Headquater United States Army Europe and Seventh Army“ beschlagnahmt hatten. Erst 1955, zwei Jahre nach dem Tod meines Großvaters, gab man es an meine Großmutter zurück. Die Wiedereröffnung des Europäischen Hofs fand 1957 statt, 1965 übernahm ich die Leitung des Hauses und wurde 1974 Mitglied im RC Heidelberg – und Clubmeister, wie mein Großvater. Bis heute. In dieser Funktion hoffe ich doch sehr, dass meine Familie und ich die Clubfreunde zur Jubiläumsfeier irgendwann in 2021 begrüßen dürfen – ohne Coronarestriktionen.
Ernst-Friedrich von Kretschmann
Meine Zusammenstellung der Geschichte des Rotary Clubs Heidelberg basiert auf der wissenschaftlichen Dokumentation von Werner Moritz (RC Heidelberg, † 2015, datiert vom 6. November 2012.