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Über Generationen hinweg

Rotary Aktuell - Über Generationen hinweg
Gute Erfahrungen: Lili Blömer engagiert sich nun selbst dafür, rotarischen Nachwuchs in die Clubs zu holen. © Sabine Meinert

Rotary muss sich verjüngen. Das gelingt jedoch nur, wenn der Nachwuchs willkommen geheißen und eingeladen wird, in Clubs und Initiativen mitzuwirken. Ein Beispiel...

Sabine Meinert01.12.2024

Lothar Weber (RC Berlin-Gendarmenmarkt) ohne Polio-Shirt und -Turnschuhe ist eine Seltenheit. Denn PolioLo, wie ihn rotarische Freunde nennen, ist Großkämpfer in Sachen Kinderlähmung. Doch ein weiteres Thema kennzeichnet ihn ebenfalls: sein Blick auf den rotarischen Nachwuchs. Denn seine langjährige Erfahrung zeigt: Die Jugend in die Clubs zu holen, bringt Bewegung, Aktivität und Hands-on – und es macht Spaß, mit den Jüngeren zusammenzuarbeiten.

"Jeder kennt die Mitgliederentwicklung in Mitteleuropa. Die Clubs werden älter und unser eigener Nachwuchs landet bei den Lions oder in anderen Organisationen. Das müssen, das können wir ändern. Offene statt verschränkte Arme, ein 'Willkommen!' statt Skepsis gegenüber den Jungen muss die Devise sein", ist Lothar Weber überzeugt.

Dafür müsste sich aber mancher Rotarier auch von alten Zöpfen trennen. Er habe häufig erlebt, dass mögliche Neumitglieder zunächst darauf geprüft wurden, was sie denn für den Club zu bieten, was sie vorzuweisen hätten. Zudem seien Mittagsmeetings nichts für jemanden, der gerade ins Berufsleben starte. Auch die Familienplanung dürfe kein Hinderungsgrund sein. "Solcherart Abwehr ist kontraproduktiv. Deshalb habe ich seit 2015 intensiv den Kontakt zu Rotaractern gesucht und tolle junge Leute getroffen. Sie haben Potential und Elan. Das braucht Rotary!"

Genau so eine ist Elisabeth Blömer. Lili, wie sie alle nennen, ist Schauspielerin und Moderatorin. Mit 23 kam sie nach einigen Jahren im Ausland nach Berlin. "Ich kannte niemanden, die Kollegen waren neu und als Selbständige hatte ich sowieso weniger Anknüpfungspunkte. Aber meine Mutter war Inner Wheelerin und hat mich auf Rotaract aufmerksam gemacht."  Die ersten Besuche beim RAC Berlin liefen gut, ihr gefiel, was sie mit den Rotaractern lernte und erlebte – und war nach kurzer Zeit Mitglied. Eines, das sich engagieren wollte: Sie wurde Clubmeisterin. "Später moderierte ich die Rotary-Distriktkonferenz und Lothar sprach mich an. Er meinte, ich würde auch gut zu Rotary passen. Meine Einwände, dass ich Berlin in wenigen Monaten verlassen würde, ließ er nicht gelten. ‚Wenn Du zu Rotary passt, öffnen wir Dir die Tür‘, war seine Antwort."

Die Zukunft in die Clubs holen

So kam es, dass Lili mit 25 bereits Rotarierin wurde – im RC Berlin-Gendarmenmarkt. Auch, wenn wohl mancher nicht so glücklich war, da ihr Weggang absehbar war. "Aber sollen wir engagierte, junge Leute deshalb einfach ignorieren? Sie sind unsere Zukunft", sagt Lothar Weber und überzeugte den damaligen Präsidenten Thomas Rommel und seine Clubfreunde. Und das war gut so, denn: "Schläft der Präsident, schnarcht bald der ganze Club", so seine Erfahrung.

Dass Lili bei Rotary Spaß hatte und ihr Engagement fortsetzen wollte, sieht man nicht nur daran, dass sie kaum angekommen am neuen Standort Bonn bei mehreren Clubbesuchen erkundete, wo sie sich wohlfühlen könnte. Im RC-Bonn-Museumsmeile startete sie gleich durch: Sie organisierte den Jugenddienst und war inzwischen als Clubpräsidentin aktiv. "Das war auch eine Chance, meine Kontakte zu Rotaract zu nutzen und zusätzlichen frischen Wind in den Club zu bringen."

Bereits als incoming Präsidentin organisierte sie ein Speeddating-Event mit örtlichen Rotaractern, um sie für den Club zu interessieren. Die Veranstaltung habe allen großen Spaß gemacht – und schon waren Distanzen abgebaut. "Beide Seiten haben schnell gemerkt, wie offen und sympathisch die anderen sind – das bringt das Gefühl, willkommen zu sein." Daraus entwickelten sich Einladungen für Vorträge und gegenseitige Besuche. Und mancher schreibt nun nicht mehr lange Mails, sondern kommt einfach mal vorbei, zum Beispiel, um auf Rotaract-Projekte aufmerksam zu machen, die man mit rotarischer Hilfe anschieben oder sogar potenzieren könnte.

Ihr Präsidentinnenjahr nutzte Lili, um weitere Barrieren für Jüngere abzubauen. Immerhin war sie kurz zuvor zum dritten Mal Mutter geworden und noch nicht lange im Beruf. "Ich konnte gut nachvollziehen, was manchen schreckte." Also reduzierte sie die zeitlich ungünstigen Mittagsmeetings und setzte durch, dass junge Leute in den ersten zwei Jahren weniger Clubbeitrag zahlen und das Essen gratis bekommen, um die finanzielle Belastung in Grenzen zu halten.

Kontakte nutzen und Türen öffnen

2024, Über Generationen hinweg
Rotaracter bringen auch Erfahrungen – Organisation, Hands-on-Aktionen und mehr, sagt Annabel Fabian. © Sabine Meinert

Lili holte Annabel Fabian in die Clubmitte, außerdem drei weitere Rotaracter. Gäste aus anderen RACs durften sich jederzeit zum Besuch anmelden. "Das mischt sich bis heute gut im Club", beobachtete Annabel. "Selbst wenn die Berührungsängste nicht sofort schwinden, die Hemmschwellen werden kleiner. Wir können Gemeinsamkeit schaffen – davon lässt sich fast jeder anstecken."

Diese Erfahrung hat auch Lothar Weber gemacht und wirbt stetig darum, den Kontakt zu suchen. "Klar kann man im eigenen Saft schmoren, aber wollen wir das? Wir müssen attraktiver für die Jüngeren werden, sonst machen wir uns obsolet und sterben aus. Und passt mein eigener Club nicht, dann sollten wir helfen, einen anderen zu finden: mit den richtigen Meetingzeiten, der geeigneteren Entfernung, den passenden Clubfreunden."

Die Rotaracter hereinholen

Lilis Bonner Club wirkt dem Inzwischen erfolgreich entgegen und hat heute eine Altersrange von Ende 20 bis fast 90. Das mag beeindrucken, ist aber nicht immer einfach zu managen. "Zur 20-Jahr-Charterfeier wollten die Jüngeren vor der Party eine Hands-on-Aktion, die Älteren ein frühes Abendessen. Wir haben dann einen Mittelweg gefunden, Traditionelles eingebaut, zunächst Quadrille getanzt und dann bis zwei Uhr nachts gefeiert."

Annabel ist sich sicher, dass gerade Rotaracter eine echte Bereicherung für die Cluba sind. "Ich habe zum Beispiel einiges im KidsCamp gelernt. Ich weiß, wie man ein Clubleben strukturiert, wie eine Aktion oder im Gegensatz dazu ein Meeting. Für mich war nie die Frage, ob ich zu Rotary gehe, sondern wann. Aber der Übergang funktioniert nur, wenn man als Neuling integriert wird."

Manchmal gründen die Rotaracter eigene Clubs und wechseln in Gruppen zu Rotary, Dann ist zumindest die Hälfte gewonnen, sagt Lothar Weber. "Doch ist dies das Ziel? Die Jungen machen sich selbständig und unabhängig, während die alten Clubs nach und nach aussterben?"

Dabei macht es die Mischung, meinen auch die beiden jungen Frauen. Und gerade die Vorträge oder die Tischgespräche mit den Clubfreunden motivieren immer aufs Neue, wieder in den Club zu kommen. Inzwischen gibt es auch so manche Frage von Jüngeren an Ältere, wenn Erfahrung im Business gefragt ist. Und umgekehrt der Hilferuf manches weniger Technikaffinen an die Jüngeren, zeigt die Erfahrung der letzten Monate.

Lili ist stolz auf ihre "Patenkinder", die sie zu Rotary geholt hat. "Auch wenn sie noch kein Chefarzt oder der Boss einer Firma sind, sie bringen sich alle ein. Und die Einschätzung ‚Ihr habt das Geld, wir machen die Aktionen‘ baut sich längst ab. Es gibt mehr Respekt, mehr Miteinander – und das ist für alle Generationen interessant."

Außerdem zählen natürlich die Projekte: Rheinufer-Reinigung oder ein Hörbuch, das krebskranke Eltern für ihre Kinder aufnehmen – das spricht generationenübergreifend an. Und Lothar Weber verweist auf Meetings mit der ganzen Familie, bei denen Altersgrenzen keine Rolle mehr spielen, sondern dass man zusammen eine schöne Zeit hat. Annabel sieht rotarisches Tun auch als rotarische Nachwuchs-Werbung. "Genau", stimmt Lili zu, "meine Kinder sagen jetzt schon, dass sie später auch mal zu den Rotariern gehen."