Drei Fragen an Herbert Pfeiffer
„Wir haben in Bosnien und Herzegowina großartige Leute“
Es ist eine besondere Entscheidung: Die Distriktkonferenz von 1910 wird in diesem Jahr in Sarajevo stattfinden. Darüber sprachen wir mit Governor Herbert Pfeiffer.
Wie ist die Idee entstanden, die Distriktkonferenz in Sarajevo abzuhalten?
Es gab drei Gründe für diese Entscheidung. Ich war 2020/21 Präsident des Rotary Clubs Wien-Stadtpark und ich hatte damals die Entscheidung getroffen, eine Clubreise nach Sarajevo zu organisieren. Das hat die Coronapandemie dann leider nicht möglich gemacht. Die Distriktkonferenz ist somit ein Nachholen der Clubreise. Der zweite Grund: Die Idee stammt nicht allein von mir. Ein früherer Governor, Peter Adler, wollte seine Distriktkonferenz ebenfalls in Sarajevo abhalten. Aber auch ihm machte 2021 Corona einen Strich durch die Rechnung. Der dritte Grund: Ohne Sarajevo und Bosnien & Herzegowina würde es meinen Sohn nicht geben. Seine Mutter und ich lernten uns als Rotaracter im Distrikt 1910 bei einer Konferenz in Sarajevo kennen. Sie war damals Rotaracterin in Sarajevo, ich in Wien. Unser Sohn ist das Ergebnis unseres Kennenlernens.
Wie viele Anmeldungen gibt es bislang zur Distriktkonferenz?
Die Resonanz ist sehr gut. Wir haben bis jetzt 270 Anmeldungen. Nun sind wir in der heißen Phase und nutzen nochmal alle Social-Media-Kanäle um Werbung zu machen. Was sehr positiv ist: Eine Vielzahl von österreichischen Rotarierinnen und Rotarier haben sich schon jetzt angemeldet. Damit habe ich offen gesagt, nicht gerechnet, dass wir so viele Leute aus Österreich mit der Destination Sarajevo begeistern können. Da bin ich positiv überrascht worden. Die Bosnierinnen und Bosnier sind auch stark vertreten. Da rechne ich aber mit einem weiteren Schub an Anmeldungen in den kommenden Wochen. Die sind lokal vor Ort und können kurzfristig reagieren. Zwei Drittel der bosnischen Anmeldungen, die vorliegen, sind ohne Hotelbuchung, weil die rotarischen Freundinnen und Freunde bei Verwandten oder Freunden unterkommen oder in der Nähe wohnen.
Wie schätzt du die Entwicklung der rotarischen Gemeinschaft in Bosnien und Herzegowina ein?
Ich fange mal mit dem Status quo an. Wir haben in Bosnien und Herzegowina großartige Leute, sowohl auf Distriktebene als auch auf Clubebene. Die sind mit Herzblut dabei. Aber, das muss man bewusst sagen, die leisten da gerade Aufbauarbeit. Wir müssen uns nur die Zahlen ansehen: Wir haben rund 350 Rotarierinnen und Rotarier sowie Rotaracterinnen und Rotaracter. Um ein eigener Distrikt zu sein, braucht Bosnien und Herzegowina mindestens 1100 Mitglieder. Da liegt noch ein Weg vor uns. Den Weg müssen sie aber nicht alleine gehen. Da unterstützen die Rotarierinnen und Rotarier aus dem österreichischen Teil des Distriktes 1910 hervorragend. Ich muss aber auch sagen, dass es starke Hilfe bei Projekten aus den deutschen Distrikten gibt. Das ist das Schöne: Wir erleben ein Dreigestirn aus Rotariern vor Ort, Mitglieder aus dem Distrikt, die mit ihren Club Distrikt- oder Global-Grants unterstützen und auch Hilfe aus Deutschland sowie anderen Ländern. Wo wird der Weg hinführen? Ich glaube, es wird noch mindestens ein bis zwei Jahrzehnte dauern, bis man hier eine Größe erreicht hat, um einen eigenen Distrikt zu gründen. Das ergibt sich schon aus den vorliegenden Mitgliedszahlen. Blicken wir mal auf die vergangenen Jahre: Aufgrund von Covid haben wir durchaus Rückschläge hinnehmen müssen, vor allem, was die Jugend betrifft. Wir müssen hier als Rotary vor allem für die Jugend eine Zukunft in diesem Land bieten. Wir haben starke Rotaract Clubs, die leider in den vergangenen Jahren etwas unter der Pandemie gelitten haben. Einige junge Leute suchen zudem einen guten Berufsstart im Ausland. Das bedeutet ja nicht, dass die Leute nicht später wieder nach Bosnien und Herzegowina zurückkehren, und das im Ausland erworbene Wissen, in Bosnien einbringen und so zu einer positiven Entwicklung beitragen. Das Großartige ist, innerhalb der Clubs, aber auch Distriktebene leben wir das, was Rotary auszeichnet. Wir sind keiner politischen Partei zugehörig, wir sind keiner Religion zugehörig, sondern behandeln alle gleich. Dies in einem Land wie Bosnien und Herzegowina zu tun, was sich durch eine große kulturelle und religiöse Vielfalt auszeichnet, ist ganz wichtig. Wir von Rotary bauen Brücken, vor allem die Clubs, die einen Ort bieten, wo man miteinander diskutieren kann, und über die Projektarbeit interdisziplinär zueinander findet. Dort wird man für die lokale Gesellschaft und darüber hinaus ein Vorbild. Bei Rotary kann man einfach viel zur positiven Entwicklung des Landes beitragen.
Was mir und allen anderen in der Governor-Stafette dabei wirklich wichtig ist: Bosnien und Herzegowina ist kein Anhängsel des Distriktes. Sie sind gleichberechtigt im Distrikt. Wir gehen mit unserer Strategie aber noch einen Schritt weiter. Wir wollen Verantwortungen in die Hände der bosnischen Freundinnen und Freunde legen. Wir bauen eine Spiegelung der Distrikt-Funktionalitäten für Bosnien und Herzegowina auf. Das ist uns in einzelnen Bereichen schon sehr gut gelungen. Beispielweise haben wir eigene Jugenddienstverantwortliche, wir haben einen Public-Image-Koordinator, wir haben für den Internationalen Dienst jemanden, genauso wie für die Foundation und für Membership. Diese Personen können eigenständig agieren, sind aber dann in den Distriktteams. Sie sitzen gleichberechtigt in den Komitees drinsitzen und mitgestalten können. Wir wollen als Österreicher nicht aufoktroyieren, wie Rotary zu funktionieren hat. Wir bieten Unterstützung an, indem wir die Personen voll in den Komitees miteinbinden. Künftig sollen die Freundinnen und Freunde vor Ort die Verantwortung dafür übernehmen, rotarisches Wissen in die Clubs hinein zu den Mitgliedern zu tragen.
Das Gespräch führte Florian Quanz
Eine Reportage über Rotary in Bosnien und Herzegowina lesen Sie hier: Rotary baut Brücken für den Frieden