Rotary Aktuell
Die hohe Kunst des Geldsammelns
Das Einwerben vor allem finanzieller Mittel durch NGOs hat sich in den letzten beiden Jahrzehnten sehr dynamisch entwickelt und professionalisiert – eine Herausforderung auch für Rotary Clubs.
Die Konkurrenz vor allem in der Vorweihnachtszeit ist groß, denn nicht nur andere Serviceorganisationen umwerben die Spendenwilligen, auch medizinische und religiöse Organisationen, Tierheime, Kinderschutzeinrichtungen und viele andere mehr appellieren mehr oder weniger kreativ an unsere Hilfsbereitschaft.
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So mancher Rotary Club generiert ebenfalls im November und Dezember einen Großteil seines Jahresbudgets und ist in den kommenden Wochen darauf angewiesen, Fundraising-Aktionen wie Adventskalenderverkäufe, Glühweinstände, Bücherflohmärkte und Benefizkonzerte möglichst erfolgreich über die Bühne zu bringen. Aber wie wäre es – bevor die Clubs mit der Planung für das zweite Halbjahr starten –, mal ein oder zwei Meetings darauf zu verwenden, das Thema Fundraising ganz allgemein und das des eigenen Clubs aus der Vogelperspektive zu betrachten?
Kaum Forschung im deutschsprachigen Raum
Unter Fundraising versteht man „sämtliche Aktivitäten, Prozesse und Maßnahmen einer nicht kommerziellen Organisation in Richtung aktueller und potenzieller Spender mit dem Zweck, finanzielle und/oder sachliche Spenden zu akquirieren, ohne dass dafür eine materielle Gegenleistung erwartet wird, um die Mission der Organisation zu erfüllen“.
Im angelsächsischen Sprachraum hat die Forschung zum Fundraising eine lange Tradition, im Vergleich dazu sind die Forschungserkenntnisse im deutschen Sprachraum eher dünn gesät. Nichtsdestotrotz gibt es mittlerweile eine große Anzahl an Büchern, die das Thema mehr oder minder umfassend und praxisgerecht in allen möglichen Facetten auf- und abarbeiten. Wissenschaftliche Beiträge in deutschsprachigen Zeitschriften wiederum sind nach wie vor rar. Dies ist insofern problematisch, als die Erkenntnisse zu einer erfolgreichen Praxis des Fundraisings, die in anderen Ländern gewonnen wurden, nicht unbesehen auf den deutschsprachigen Raum übertragen werden können. Wenn im deutschen Sprachraum über Fundraising diskutiert wird, dann kommt die Debatte früher oder später auf das Fundraising in den USA zu sprechen. Allerdings „hinken“ diese Vergleiche, denn zu unterschiedlich sind die philanthropischen Traditionen in den Ländern, zu unterschiedlich die organisationalen, strukturellen und finanziellen Ressourcen – ebenso wie die rechtlichen Gegebenheiten beziehungsweise das regulatorische Umfeld sowie ethische Normen.
Faktoren erfolgreicher Mitteleinwerbung
Im Rahmen von rotarischen Spendeneinwerbungen dürfte das Sammeln von Geldspenden bei Privatpersonen von größtem Interesse sein – bezogen auf Nicht-Clubmitglieder, wobei die Rotarier selbst häufig den „Löwenanteil“ der Clubmittel für gute Zwecke bereitstellen. Hier kommen die wichtigsten Faktoren erfolgreicher finanzieller Mitteleinwerbung bei dieser Zielgruppe:
Wichtig zu wissen ist, dass Privatpersonen gemeinwohlorientierte Organisationen wie Rotary in der Regel nicht aus reinem Altruismus unterstützen, obwohl man zunächst geneigt ist, selbstlose Gründe für deren Spenden anzunehmen. Vielmehr erwarten die Gebenden eine zumindest immaterielle Gegenleistung, denn auch ein Spender zieht aus seiner Gabe einen Nutzen. Das heißt, bei Spendern kommt neben den altruistischen auch den egoistischen Motiven eine bedeutsame Rolle zu.
Die für ihre Aktivitäten benötigten Ressourcen kann ein Rotary Club nur bei denjenigen Personen einwerben, die die Organisation beziehungsweise den individuellen Club und dessen Ziele oder Spendenkampagnen auch kennen und ihr/ihm vertrauen. Bekanntheit und Vertrauen können dabei nur durch nachhaltige Kommunikation aufgebaut werden. Wenn Fundraising erfolgreich sein soll, muss es den Rotary-Mitgliedern gelingen, durch Kommunikation eine vertrauensvolle Beziehung zu den Geldgebern aufzubauen. Bei diesem sogenannten „Relationship Fundraising“ geht es – anders als beispielsweise bei der Katastrophen-Nothilfe – nicht um schnelles und kurzfristiges Einwerben von Geldern, sondern um den Aufbau und die Pflege einer dauerhaften, möglichst individuellen und langfristigen Beziehung zwischen Rotary und seinen Spendern. Daraus folgt, dass Rotary seine Spender entsprechend deren großer Bedeutung für die Finanzierung der rotarischen Aktivitäten wertschätzt und würdigt. Aus diesem Grund ist es auch möglich, Nicht-Mitglieder als Paul Harris Fellows zu würdigen. Dies ist eine sehr wirkungsvolle Form der Ehrung Außenstehender – oder auch potenzieller Neu-Mitglieder –, die Clubs noch viel mehr nutzen könnten.
Viele Spenderinnen und Spender möchten heutzutage finanzielle Zuwendungen an konkrete Projekte knüpfen und ganz gezielt eine Hilfsaktion unterstützen; sich diese vielleicht sogar selbst unter verschiedenen Alternativen aussuchen. Ein Mitspracherecht bei der Mittelverwendung ist ihnen mitunter ebenso wichtig wie Transparenz, Information und Rechenschaft. Für Rotary Clubs als spendensammelnde Organisationen folgt daraus die Notwendigkeit, sich den Spendern gegenüber zu öffnen, sich auf sie einzulassen und sie mitunter sogar aktiv in ihre Arbeit einzubeziehen.
Nur Rotary Clubs, denen es gelingt, eine möglichst individuelle und längerfristige Beziehung zu ihren Spendern aufzubauen, können im Fundraising nachhaltig erfolgreich sein. Der unmittelbare und persönliche Kontakt zwischen den Clubmitgliedern und den Spendern erleichtert das Entstehen solcher Bindungen natürlich, daher haben die typischen rotarischen Fundraising-Aktionen wie Golfturniere, Entenrennen, Weintastings, Benefizkonzerte, Bücherstände und Stände auf Floh- und Weihnachtsmärkten gute Chancen. Im Vergleich zu Fundraising-Maßnahmen großer und professionell spendensammelnder Organisationen wie zum Beispiel Postwurfsendungen lässt sich während persönlicher Rennenten-Verkaufsgespräche oder intensiver Fachsimpelei über den besten Cabernet Sauvignon oder Golf-Handicaps Sympathie und Wohlwollen deutlich besser aufbauen. Eine spendenwillige Person wird sich eher für diejenige Organisation entscheiden, die nicht erst im November versucht, eine persönliche Beziehung zu ihm aufzubauen und die seine individuellen Wünsche und Bedürfnisse berücksichtigt.
Unterschätzt: Mikrospenden per SMS
Darüber hinaus gibt es etliche interessante Fundraising-Aktivitäten, die einem Laien typischerweise nicht in den Sinn kommen oder auch schlicht unterschätzt werden. Hierzu gehört die Einwerbung von Mikrospenden im Rahmen einer SMS-Spende. Wer spenden möchte, sendet mit seinem Mobiltelefon per SMS ein vom jeweiligen Spendenempfänger angegebenes Stichwort an eine spezielle Nummer, und der Betrag wird über die Handyrechnung abgebucht. Das heißt: Die Abwicklung von SMS-Spenden läuft in Deutschland über die Zahlungsinfrastruktur der unterstützenden Mobilfunkbetreiber Vodafone, T-Mobile, E-Plus und O₂. Dabei werden 0,17 Euro des Spendenbetrags vom Netzbetreiber einbehalten. Kundendaten werden nicht an die Spendenorganisation weitergegeben, wobei das Spendensammeln per SMS auf Beträge zwischen einem und zehn Euro begrenzt ist. Anbieter sind beispielsweise Charity-SMS von BurdaDirect sowie „Grün spendino“.
Eine weitere Möglichkeit, die sich Rotary Clubs wegen des oftmals lokalen Bezugs ihrer Spendenzwecke zu eigen machen können, ist das sogenannte Bußgeldfundraising beziehungsweise Bußgeldmarketing. Gerichte können gegenüber Privatpersonen oder Unternehmen Bußgelder auferlegen, um das laufende Verfahren einzustellen. Die Richterinnen und Richter entscheiden dann, wohin das Geld gehen soll: entweder an die Staatskassen und/ oder an einen gemeinnützigen Verein. Zur Auswahl der passenden Einrichtung liegt ihnen eine Liste der zuweisungsberechtigten Organisationen vor, die als Empfehlung dient, ohne Verpflichtung, sich danach zu richten. Die zentralen Kriterien für eine Zuweisung sind, dass die Organisation einen lokalen Bezug zum Gerichtsbezirk hat, dass die Richter die Organisation für seriös und vertrauenswürdig halten und dass ein Zusammenhang zwischen Delikt und Thema der Organisation besteht. Insbesondere im Hinblick auf die ersten beiden Kriterien dürften die Chancen einer Zuteilung von Bußgeldern an Rotary Clubs nicht schlecht stehen, auch wenn immer mehr spendensammelnde Organisationen auf die Listen der zuweisungsberechtigten Organisationen drängen. Grundsätzlich können Geldauflagen laut Gesetz an jede gemeinnützig anerkannte Organisation zugewiesen werden, und jede gemeinnützig anerkannte Organisation kann die Aufnahme in eine solche Liste beantragen.
Das in Serviceclubs ehrenamtlich durch Clubmitglieder und häufig eventbasierte Fundraising ist ein hartes und mitunter auch mühsames Geschäft, das bei Rotary Clubs eben nicht an externe Fundraiser oder innerbetriebliche Mitarbeiter übertragen werden kann. Aber wenn man sich im Clubleben an einigen Standards und Routinen orientiert, kann es gelingen, mit vertretbarem Aufwand zu dauerhaft adäquaten Spendenerlösen zu kommen.
Erfolgversprechende Fundraising-Praktiken:
1. Klare Botschaft: Formulieren Sie eine klare und überzeugende Botschaft, die die Ziele Ihres Clubs und/oder der aktuellen Spendenkampagne hervorhebt
2. Zielgruppenidentifikation: Identifizieren Sie potenzielle Spender und Unterstützer, die ein Interesse an Ihrer Sache haben.
3. Diversifizierte Strategien: Nutzen Sie verschiedene Fundraising-Methoden wie Spendenaufrufe und Veranstaltungen.
4. Storytelling: Erzählen Sie inspirierende Geschichten über die Auswirkungen Ihrer Arbeit, um Emotionen zu wecken.
5. Transparenz: Seien Sie transparent bezüglich Ihrer Finanzen und der Verwendung von Spenden.
6. Beziehungen pflegen: Bauen Sie langfristige Beziehungen zu Unterstützern auf, indem Sie Dankbarkeit zeigen und Fortschritte teilen.
7. Online-Präsenz: Nutzen Sie soziale Medien und eine professionelle Webseite, um Ihren Rotary Club bekannt zu machen.
8. Events und Kampagnen: Planen Sie gezielte Fundraising-Veranstaltungen und Kampagnen, um Aufmerksamkeit zu erregen.
9. Freiwillige einbinden: Ermutigen Sie (auch Rotary-externe) Freiwillige, sich zu engagieren und Ihre Arbeit zu unterstützen.
10. Daten nutzen: Analysieren Sie Spenderdaten, um Fundraising-Strategien zu optimieren.
Bernd Helmig, Yvonne Dorf, Cornelia Kliment (Hg.)
Hochschul-Fundraising – Grundlagen, Erfolgsfaktoren und Beispiele für Best Practices
Deutscher Hochschulverband, 312 Seiten, 29,90 Euro
Pof. Dr. Bernd Helmig, RC Speyer ist Inhaber des Lehrstuhls für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Public & Nonprofit Management an der Universität Mannheim. Beruflich, aber auch privat beschäftigt er sich mit Fragestellungen rund ums Fundraising.