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Neue Generationen

Aus Alt mach Neu

Junge Rotarier in Seattle fordern Traditionen heraus – mit Genehmigung der Altvorderen.

17.09.2012

Im letzten Frühjahr wurde Dan Nicholson zu dem Treffen eines örtlichen Rotary Clubs eingeladen. Als Inhaber einer Wirtschaftsprüfungsfirma und ambitionierter Netzwerker suchte Nicholson nach mehr lokalem Anschluss – und nach einem sinnvollen Engagement. Doch in Bezug auf Rotary war er eher skeptisch.

“Ich sah Rotary eher als einen Seniorenverein und befürchtete, dass ich da nicht so den Zugang finden würde”, erinnert sich der 31-Jährige. Doch ein Freund versicherte ihm, dass der Club ein Interesse an jüngeren Mitgliedern hätte, und so ging er mit. Heute ist er Mitglied des Clubs.

Punktsieg für den Rotary Club Seattle. Vor ungefähr 10 Jahren begann der Club – als viertältester Club in Rotary bekannt als “Nummer 4” – sich um eine Verringerung des Durchschnittsalters seiner Mitgliedschaft zu bemühen und damit die Weichen für die Zukunft des traditionsreichen Clubs zu stellen.

Und damit ergab sich das Dilemma, mit dem viele Rotary Clubs konfrontiert sind: Eine Generation erfolgreicher Führungspersönlichkeiten hatte ein Alter erreicht, in dem sich die Frage nach einer Nachfolge zu stellen begann. Der Club funktionierte hervorragend, die Projektarbeit florierte, die Finanzen waren solide, und das Referentenprogramm machte dem hochkarätiger Wirtschaftsgipfel Konkurrenz. Dem Club ging es gut, und trotzdem: ein Blick in die Runde drängte die Frage auf, wer einmal in der Zukunft die Geschicke des Clubs übernehmen würde.

Es war klar, dass es für die Rekrutierung einer Nachfolgegeneration des Clubs keine einfache Formel geben würde. Mit heute über 600 Mitgliedern ist der Club vom Puget Sound an der Nordwestküste der USA der größte Rotary Club der Welt. Zugleich ist er aber neben seinen humanitären Leistungen auch bekannt für seine Exklusivität – lange Zeit musste man ein CEO oder ein anderweitig erfolgreicher – und entsprechend wohlhabender - Geschäftsmann jenseits der 40 sein, um für eine Mitgliedschaft in Frage zu kommen.

Einer der ersten, die hier für ein neue Denkweise plädierten, war Clubmitglied und ehemaliger Staatssekretär des Bundesstaates Washington, Ralph Munro. Er sah, wie andere Clubs wie Elk oder Moose Clubs untergegangen war, und wollte seinem Club ein solches Schicksal ersparen. Also machte er sich daran, erfolgreiche junge Menschen unter 40 – und davon gibt es in der Microsoft-Stadt Seattle durchaus genügend – als Mitglieder ins Auge zu fassen.

Einfach war es nicht und zu Beginn gab es erhebliche Widerstände im Club. Man fürchtete, jüngere Leute würden die elitären Standards des Clubs gefährden und unterwandern, und nicht in der Lage sein, neben den zeitlichen Anforderungen auch das finanzielle Engagement zu erfüllen.

Doch die demografischen Statistiken ließen sich nicht wegleugnen. Und langsam begann ein Programm namens Tomorrow’s Leaders zu greifen, in dem junge Leute eingeführt wurden, deren Qualifikation nicht in erster Linie eine dicke Brieftasche, sondern Engagement und Führungspotential war.

Eine der ersten Rekruten war Jean Seidler Thompson, eine Rechtsanwältin, die das gemeinnützige Engagement ihrer Rechtsfakultät an ihrer Heimatuniversität Notre Dame vermisste. Sie war 30, als sie beitrat – und sie suchte sich Rotary aus! Warum? Rotarys gemeinnütziges Engagement war letztlich der entscheidende Faktor. “Junge Menschen sind am internationalen Dienst interessiert, denn wir nehmen uns zunehmend als globale Gemeinschaft wahr”, sagt Frau Thompson. “Rotary ist die ideale Wahl für junge Profis mit Prinzipien.”

Auch Virginia Kirn, zum Zeitpunkt ihres Eintritts 32 Jahre alt, Personalberaterin und mit einem frischgebackenen Master-Abschluss in Organisationsentwicklung, stieß dazu. Auch sie fragte sich zunächst unter all den grauen Eminenzen, wo ihre „Peers“, also Ihresgleichen seien. Auch sie war zunächst bestürzt, als ihr Young Rotary Leaders Comittee, das die jungen Neuen gegründet hatten und dass sich oft zu einer Happy Hour nach der Arbeit traf, von den älteren Mitgliedern abfällig als die “junge Trinkertruppe” bezeichnet wurde.

Also traf man sich nicht mehr in Restaurants, sondern in Vorstandsetagen. Und das Leitmotto des Ausschusses machte unmissverständlich klar, dass man an der „Erneuerung, Vitalität und Langlebigkeit des Clubs“ arbeiten wolle. Und man betonte den Dienstauftrag der Organisation. Engagement hieß die Devise.

Nach und nach gelang die Integration mit dem Club-Establishment. Mit Picknicks und Präsentationen wurden die Generationengegensätze aufgelockert, bei Club- und Distriktveranstaltungen kam man ins Gespräch und sich näher, und die Dienstbereitschaft der jüngeren Mitglieder, etwa bei Einsätzen in Ostafrika, beeindruckte die Älteren.

Auch die Einführung mehrerer junger Mitglieder zugleich erwies sich als der Integration förderlich: man konnte gemeinsam den Club von innen kennenlernen, solange man aufpasste, nicht an den „Kindertisch“ gesetzt zu werden. Mittlerweile zeigt sich die Einbindung jüngerer Mitglieder auch bei den Verantwortlichkeiten: 2 der 10 Mitglieder des wichtigen Strategieausschusses des Clubs sind „Junge“.

Auch Vizepräsident Tom Betts ist mittlerweile überzeugt, dass sein Club auf dem richtigen Weg in die Zukunft ist, nachdem er als clubinterner Referent zumLeaders Forum eingeladen wurde: “Ich bin seit 38 Jahren Rotarier, aber ich habe noch nie eine so motivierte Gruppe gesehen, die bereit ist, etwas Gutes in der Welt zu unternehmen."