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Code – die Sprache des 21. Jahrhunderts
Am Anfang war das Smartphone. Wer die digitale Revolution der Arbeitswelt, der Gesellschaft und des Lebens aktiv mitgestalten will, muss die Grundlagen des Programmierens kennen und verstehen.
Wir wissen nicht, was die Zukunft bringt. Aber wir wissen, dass sie digital sein wird. Algorithmen und Software dominieren bereits weite Teile unserer Gesellschaft. Das betrifft den Berufszweig der Lehrer genauso wie den der Steuerberater, Verkäufer, Bäcker und Taxifahrer. Einige Bereiche, wie bei den Ärzten die Diagnostik, werden mithilfe von Technik, die auf Knopfdruck große Datenmengen auswertet, unterstützt und sogar optimiert. Die Verwandlung unserer Welt lässt sich nicht stoppen – im Gegenteil, sie ist Teil unseres Lebens und prägt unser Handeln: Wir checken unseren Kontostand via Smartphone im Bus, steuern mit Sprachbefehlen das Smarthome und kaufen eine neue Brille nicht zwingend beim Optiker, sondern im Web-Shop.
Die neue Welt durchdringen
Die Digitalisierung wird sich in diesem rasanten Tempo fortsetzen. Wir können sie nicht aufhalten, nur gestalten. Diese digitale Welt ist neu – das gilt für Erwachsene noch stärker als für Kinder, denn diese wachsen ja ganz selbstverständlich mit den Möglichkeiten der Digitalisierung auf. Sich auch als Erwachsener als Lernender zu begreifen, ist keine Schande, sondern Notwendigkeit. Die Bezeichnung des Internets als „Neuland“ von Bundeskanzlerin Angela Merkel klingt uns da im Ohr. Diese Einordnung gab den Anstoß zu vielen Fragen und Debatten. Vielleicht ist sie in gewisser Weise treffend. Denn diese neue Welt will durchdrungen werden. Dabei hilft, wie bei jeder neuen Aufgabe, die Neugier und eine Begegnung mit offenen wie kritischen Fragen. Dazu gehört auch, die uns umgebende Software zumindest ansatzweise zu begreifen und eine Vorstellung zu entwickeln, wie Programmiersprachen funktionieren.
Code wird als Sprache des 21. Jahrhunderts bezeichnet. Es ist das Ziel, digital mündig zu werden und somit die Zukunft gestalten zu können. Ein Programm oder eine App zu konzipieren ist eigentlich nichts anderes, als einen Stuhl zu bauen: ein Handwerk, das man erlernen kann. Und Computer sind keine unergründlichen Geräte mit eigenen Regeln, sondern gängige Werkzeuge, die man sinnvoll nutzen kann. Denn in der Welt des Codes regiert die Logik, was den Umgang mit Fehlern und deren Analyse entsprechend einfach macht.
Wir leben in Zeiten, in denen Computerprogramme tägliche Werkzeuge sind. Wer eine Programmiersprache spricht, lässt sich nicht von der Technik regieren, sondern wird selbst zum Gestalter. Den Einstieg ins Codieren zu finden ist heute für Jung und Alt auf niedrigem Level möglich. Klar, nicht jeder muss Programmierer werden und das Studium zum SoftwareIngenieur absolvieren. Vielmehr geht es um ein Grundverständnis für die Anwendungen, so wie heutzutage jeder über einen Grundwortschatz in Englisch verfügt.
Für diesen niedrigschwelligen Zugang zum Codieren gibt es eine Vielzahl einfacher und kostenloser Anwendungen, mit denen Kinder und Erwachsene gratis und spielend die Grundlagen der Programmierung lernen können. Die Anwendungen gibt es für fast jede Alters- und Erfahrungsstufe, von der einfachen Webanwendung über die App für Android oder iOS bis hin zum komplexen Spiel zum Download.
Grundlagen schrittweise erlernen
Eine der bekanntesten Anwendungen ist Scratch (scratch.mit.edu). Mit ihr lernen in erster Linie Kinder, wie Schleifen, Bedingungen oder Variablen funktionieren, ohne sich mit „echtem“ Code auseinandersetzen zu müssen. In vielen Tutorials erarbeiten sie Schritt für Schritt die Grundlagen und nutzen das erlernte Wissen später kreativ in eigenen Programmen. Die Möglichkeiten reichen von einfachen Animationen über interaktive Geschichten bis hin zu kleinen Spielen. Dabei können auch Musik, Bilder oder die eigene Webcam eingebunden werden. Die fertigen Projekte lassen sich in einer Community teilen. Dort können auch die Projekte der anderen Nutzer ausprobiert und an fremden Projektideen weitergearbeitet werden. Programmiert wird, indem Blöcke oder Bausteine mit einfachem Programmcode aneinandergereiht werden. Dadurch und durch das schrittweise Erarbeiten der Möglichkeiten ist Scratch gerade für Programmieranfänger geeignet. Die Anwendung funktioniert in jedem gängigen Browser wie Chrome, Firefox oder Safari. Den Ableger ScratchJr für Kinder zwischen fünf und sieben Jahren gibt es auch als kostenlose App.
Zudem bilden sich in Deutschland immer mehr Initiativen, Vereine und privatwirtschaftliche Angebote heraus, die die Gesellschaft zum Programmieren und zu mehr Medienkompetenz befähigen möchten. Die Angebote richten sich an Kinder, an Familien, an Lehrkräfte und an Senioren – und speziell auch an Mädchen und Frauen, um diese für die MINT-Fächer und Technikberufe zu begeistern. In Workshops, Camps oder Tüftel-Stunden wird die Technik einfach ausprobiert. Ufos, Roboter und Traummaschinen aus Pappe und Alufolie werden gebastelt, um Schaltkreise ergänzt, mit LEDs zum Leuchten und Klingen gebracht. Auch kleinere Anwendungen und Sequenzen aus bekannten Videospielen sowie Apps programmieren die Teilnehmer.
Das App-Camps-Team (appcamps.de) in Hamburg beispielsweise möchte Jugendliche und Lehrkräfte für Programmierung begeistern und hat zum Ziel, dass alle Menschen − unabhängig von Geschlecht oder sozialer Herkunft − von der Digitalisierung profitieren. Neben Camps bietet die Initiative kostenloses Unterrichtsmaterial zu Programmierung und digitalen Themen. Lehrkräfte aus allen Bundesländern Deutschlands, Österreich und der Schweiz arbeiten bereits mit diesen Unterlagen.
Die Codingschule (codingschule.de) in Düsseldorf zeigt Kindern wie Erwachsenen den spielerischen Umgang mit digitalen Themen. Selbst Komplexes wie Data Science wird so aufbereitet, dass jeder ohne Vorkenntnisse einsteigen kann. Mittlerweile bieten sie auch Inhouse-Workshops für Mitarbeiter und Führungskräfte an.
Und: Der Spielzeughersteller Haba hat vor zwei Jahren damit begonnen, unter der Firmierung Haba Digitalwerkstatt (digitalwerkstatt.de) einen kreativen Bildungs- und Erfahrungsraum aufzubauen, in dem Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren den kreativen Umgang mit neuen Technologien lernen. Mittlerweile gibt es fünf Standorte in Deutschland – Berlin, München, Hamburg, Frankfurt und Lippstadt –, weitere sind in der Entstehung. Sie arbeiten bereits mit vielen staatlichen Schulen zusammen und möchten laut eigener Angabe „das Bildungssystem langsam, aber sicher ändern und an neue Herausforderungen anpassen“ (codingkids. de/navigator).
Diese neuen Angebote zum Programmierenlernen vereint auch, dass sie auf interdisziplinäres Lernen setzen und nicht nur digitales Know-how vermitteln, sondern sogenannte Metakompetenzen. Die wichtigsten sind: Problemlöse-Kompetenz, Fehlerkultur und -kompetenz, Frustrationstoleranz und Resilienz, Kreativität und Experimentierfreude, Teamfähigkeit, Toleranz und Wertschätzung, strukturiertes Denken sowie Medienkompetenz.
Hervorragende Karrierechancen
Das deutsche Bildungssystem hat in der Digitalisierung noch viele Hausaufgaben zu erledigen. Der Weg für den Digitalpakt Schule ist im März frei geworden, der Bundesrat hat die notwendige Verfassungsänderung beschlossen und der Bund darf in Zukunft die Digitalisierung der Schulen vorantreiben. Das ist eine gute Nachricht und ein wichtiger Schritt, um mit diesen Geldern die Hardware-Ausstattung und WLAN-Verfügbarkeit zu verbessern. In Hamburg beispielsweise werden nun 15.000 Minicomputer des Fabrikats Calliope Mini für die Schulen angeschafft, damit alle Schülerinnen und Schüler mit diesem kleinen Multitalent das Programmieren erlernen können.
Ein entscheidender Punkt bleibt bundesweit, wie die Lehrkräfte schnell auf den Stand gebracht werden, um das entsprechende digitale Wissen zu erlernen und dieses dann auch vermitteln zu können. Gebraucht wird also ein Konzept, das neben der digitalen Anwendungskompetenz auch beinhaltet, wie die oben genannten Metakompetenzen an die fachlich akademisch orientierten Schulen (und Hochschulen) kommen. Neue Lösungen für zeitgemäßes, umfassendes Lernen sind gefragt, um den Kindern ein ordentliches Rüstzeug im Umgang mit dem technologischen Wandel und für die neue Berufswelt mitzugeben.
Die Familie ist in diesem Kontext auch vor neue Herausforderungen gestellt. Eltern, Großeltern, Tante und Onkel, die Erwachsenen, sind – ebenso wie in allen Lebensbereichen – die Vorbilder. Mit der eigenen digitalen Bildung und Mediennutzung leben sie vor, wie man sich in der digitalen Welt zurechtfindet. Und dafür müssen Erwachsene wissen, wie diese funktioniert. Neben der Aufsichts- und Fürsorgepflicht besteht mittlerweile eine digitale Verantwortung für die Kinder. Das bedeutet, wie im Straßenverkehr Regeln zu haben, die Gefahren zu kennen und Technik einfach einmal gemeinsam auszuprobieren, um diese einordnen zu können. Und es bedeutet auch, MINT-Anreize für Mädchen und Jungen zu schaffen, um sie an technische Fächer und Berufe heranzuführen, die den Arbeitsmarkt der Zukunft prägen.
In der Wirtschaft ist seit Jahren der Ruf nach IT-Fachkräften, und generell nach Fachkräften mit digitaler Kompetenz, unüberhörbar. Bei derzeit rund 82.000 offenen Stellen allein in der IT ist das nicht verwunderlich. „Wer programmieren kann, braucht keine Bewerbung mehr zu schreiben“, schrieb vor Kurzem die Süddeutsche Zeitung. Zum einen wird daher verständlicherweise die digitale Transformation in den Unternehmen großgeschrieben, zum anderen werden neue Recruiting-Maßnahmen ausprobiert. Insbesondere für Unternehmen in ländlichen Regionen ist die Verhinderung der Abwanderung und die Akquise von IT-Fachpersonal die Kernaufgabe, um den Fortbestand des Unternehmens zu sichern.
Weiterbilden und Zukunft gestalten
Unternehmen werden in den nächsten Jahren massiv nach Menschen suchen, die die Qualifikationen, die Einstellung und die Persönlichkeit mitbringen, um den fundamentalen digitalen Wandel zu gestalten und ihnen den Weg in eine erfolgreiche Zukunft zu zeigen. An dieser Problemlösung setzen neue Anbieter wie die Shiftschool (shiftschool.de) in Nürnberg an. In einer 18-monatigen Weiterbildung zum Digital Transformation Manager werden „auf interaktive und praxisorientierte Art und Weise genau die Kompetenzen vermittelt, die im digitalen Jahrhundert am meisten gebraucht werden.“
Einen ähnlichen Ansatz verfolgt das Startup Neue Fische (neuefische.de). In nur zwölf Wochen bildet das Team Web Developer oder Data Scientists aus. Mit der folgenden Herleitung: „In den USA haben sich Bootcamps für digitale Talente längst erfolgreich etabliert und vermitteln so immer mehr spezialisierte Arbeitskräfte in den Markt – neue Fische für den Personalteich.“ Der Mode-Versandhandel BonPrix geht beispielsweise den ungewöhnlichen Weg und macht sich für den weiblichen IT-Nachwuchs stark, indem er eine Coding Challenge ausruft. Mit dem Zweck, als attraktiver Arbeitgeber wahrgenommen zu werden und für das Unternehmen talentierten Nachwuchs zu finden.
Wir befinden uns mitten in einer kulturellen und industriellen Revolution. Die Herausforderung an unsere Gesellschaft besteht darin, den Umgang mit stets neuen Technologien, mit neuen Fähigkeiten, mit ständigem Lernen, mit sozialem Miteinander auf verschiedensten analogen und digitalen Kanälen und mit neuen Berufsbildern zu meistern. Digitalkompetenz ist ein entscheidender Faktor, um sich in dieser sich rasant verändernden Welt zurechtzufinden – und fit für die Zukunft zu bleiben. Das bedeutet, die Sprache der Zukunft zu sprechen.
Das World Economic Forum kam zum Jahresstart in Davos zu der Einordnung, dass entgegen der vorherrschenden Unsicherheit der Mensch für die Zukunft der Arbeit eine zentrale Rolle spielen wird: 21 neue Jobs werden bis 2029 entstehen. Der Fortschritt, den wir als rasant empfinden, bringt uns immer schneller unter den Druck des Verstehenmüssens. Dies ist eine Taktung, die für Digital Natives normal ist. Sie gehen intuitiv mit neuen Technologien um. Dieser Selbstverständlichkeit und Aufgeschlossenheit können und müssen wir uns annehmen, um die ersten Vokabeln der Sprache der Zukunft zu beherrschen.
Sandra Rexhausen
Schnelle Hilfe bei digitalen Problemen
Hamburger Rotarier haben eine Vermittlungsplattform gegründet, auf der man schnell und günstig Hilfe findet beim Einrichten und bei Problemen mit dem Computer, Handy, Drucker, E-Mail, WLAN oder SmartTV. Und so geht’s: Auf der Seite diggidoc.de oder unter 040/46 07 14 84 einfach das Problem und die Postleitzahl mitteilen. Es meldet sich ein Mitarbeiter, meist ein Schüler oder Student, der auf der Vermittlungsplattform registriert ist, der das Problem löst. Mit ihm wird direkt abgerechnet. Die Kosten: Erfahrungsgemäß lassen sich die meisten Probleme in einer halben Stunde lösen. Den „Diggidocern“ wird empfohlen, für die erste halbe Stunde 29,90 Euro inkl. Anfahrt zu berechnen. Die Vermittlung ist für den Hilfesuchenden kostenlos. Datensicherheit ist dabei oberstes Gebot. Das Büro der Vermittlungsplattform befindet sich in Hamburg-Eppendorf. Nach dem Erfolg im Großraum Hamburg soll die Vermittlung nun deutschlandweit angeboten werden.