Berufsdienst
Von Mathekiste bis Berufsparcours
Mit den sich wandelnden Lebens- und Berufswelten sind auch die Aufgaben des rotarischen Berufsdienstes neu zu definieren.
Bei der Gründung von Rotary standen Berufe im Mittelpunkt. Bis heute sind wir als Wertegemeinschaft verpflichtet, uns für die Berufswelt und Gesellschaft zu engagieren. Die Werteorientierung ist die Grundlage, um Bildung in der Selbstverpflichtung von Moral und Integrität zu vermitteln und insbesondere auch neue Tätigkeiten und Berufe abzubilden und dabei junge und/oder benachteiligte Menschen zu fördern. Die Lebens- und Berufswelt befindet sich in einem rasanten Wandel. Die Welt von Rotary muss sich darauf einstellen, dies in den Projekten abzubilden und Bewährtes zu evaluieren, aber auch konsequent Neues zu entwickeln. Die Gesellschaft befindet sich in einem Transformationsprozess. Wir treffen auf gut geförderte, leistungsfähige und aufgeschlossene junge Menschen, aber auch auf eine Gruppe, die sich immer bildungsferner zeigt.
Vorbild für die Elite sein
Die erste Gruppe wird gern als zukünftige „Elite“ bezeichnet. Elite heißt auch Verantwortung zu übernehmen und sich für andere zu engagieren, Vorbild zu sein und Mut zu haben, mit außergewöhnlichen Ideen über Grenzen hinauszudenken. Diese Gruppe muss gerade in ihrer Werteorientiertheit gestützt und in ihrer Vorbildfunktion gefördert werden. RYLA-Seminare (hier ein Beispiel des RC Erfurt-Gloriosa und ein Beispiel der Berufsdienst-Kooperation von D1850 und D1590) sind ein probates Mittel, Auszeichnungen besonderer Leistungen ein anderes. Hilfen zur eigenen Standortbestimmung zwischen Notwendigkeit und Freiheit, zur Bildung jenseits von Fake News und zur Entwicklung einer Ethik der Zukunftsverantwortung können gegeben werden. „Erziehung wäre ohnmächtig und ideologisch, wenn sie das Anpassungsziel ignorierte und die Menschen nicht darauf vorbereitete, in der Welt sich zurechtzufinden. Sie ist aber genauso fragwürdig, wenn sie dabei stehenbleibt und nichts anderes als 'well adjusted people' produziert. (Theodor Adorno) Mehr dazu HIER.
Die zweite Gruppe erklärt sich, weil die Zeit, die Fähigkeit und die Bereitschaft für die Wahrnehmung der Erziehungsaufgaben in den Familien verloren geht, die Erziehung nicht wahrgenommen oder verstärkt an Institutionen übergeben wird. Materielle Ausstattung ersetzt persönliche Zuwendung – eine bildungsförderliche Umgebung geht verloren. Sinkende Leistungsbereitschaft und sinkende Qualifikation führen zu Bildungsabbrüchen. Die geforderten Bildungsabschlüsse in einer industrialisierten Gesellschaft werden nicht mehr erreicht. Ein sozialer Abstieg und die Schwierigkeit einer adäquaten Stellenbesetzung spiegeln dies wider. Migranten mit einem anderen kulturellen Hintergrund, gravierenden Sprachproblemen und unklaren Voraussetzungen stellen eine besondere Anforderung dar. Insgesamt gilt, Erfolg versprechende Projekte sollten möglichst früh einsetzen – im Kindergarten, in der Grundschule und in den frühen Jahren der weiterführenden Schulen.
Neugier wecken und frühe Erfolgserlebnisse bilden die Motivation zum eigenen Lernen: Du kannst mehr, als du denkst! So können auch die Nachteile sozialer Diversität aufgefangen werden. „Es ist Vergewaltigung, Kinder in Meinungen hineinzuzwingen. Aber es ist Verwahrlosung, ihnen nicht zu Erlebnissen zu verhelfen, durch die sie ihrer verborgenen Kräfte gewahr werden können.“ (Kurt Hahn)
Der rotarische Berufsdienst unterstützt lebenslange Bildung, die erfolgreiche Integration ins Berufsleben und fördert die Grundwerte für ein verantwortungsvolles Handeln in Wirtschaft und Gesellschaft. In einem Zeitstrahl von der Kindheit bis zum Erwachsenenalter müssen die Themenfelder zugeordnet werden. Der einzelne Club muss sich fragen, wo sind die größten Bedarfe, wo kann ich mit meinen speziellen Ressourcen die höchste Wirksamkeit erreichen und wie gehe ich genau vor? Es gibt viel mehr kompetente Ansprechpartner in Institutionen, als man es sich manchmal vorstellen kann. Sie gilt es zu finden und als langfristige Kooperationspartner zu gewinnen. Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Diensten im Club und in der Region ist unabdingbar. Nach der Frage nach dem „Was“ stellt sich die nach dem „Wie“. Inhalte erlangen ihre Bedeutung erst durch eine erfolgreiche Umsetzung. Die Komplexität der Gesellschaft erfordert gleichermaßen komplexe Ansätze von Rotary, um dem gerecht zu werden. Dabei müssen alle erreicht und integriert werden. Keine Gruppe darf ausgeschlossen werden. Dies erfordert mühevolles selbstloses Dienen. Wir müssen durch unsere Aktionen wirken, nicht durch unsere Reden!
Einige Beispiele – mal erfolgreich gewachsen mit größerem Aufwand, mal neu aufgesetzt mit überschaubarem Aufwand – dokumentieren dies: Mit der Mathe-Kiste werden in Kindergärten, Vorschulen, Grundschulen und Förderschulen sowie in Behindertenwerkstätten und Rehabilitationszentren, in Spielecken, Arztpraxen und in der Familie grundlegende mathematische und sprachliche Kenntnisse spielerisch vermittelt – Zielgruppe ab drei Jahren. Die Clubs finanzieren dieses skalierbare Projekt, Materialien zum Einsatz stehen bereit.
Für jede Ziel- und Altersgruppe gibt es passende Projekte
Kinder im Grundschulalter sind mit Begeisterung dabei, wenn sie das „Handwerkszeug“ von Ingenieuren nutzen können: CAD – 3D-Druck – und Modellbau gehören zusammen, um sich mit technischen Innovationen spielerisch auseinanderzusetzen. Berufsorientierung beginnt schon in der 8. Klasse, braucht Praxisbezug und ermuntert im besten Fall zu Eigeninitiative. Ein solches Projekt – in Kooperation mit der Schule – ist erfolgreich und überschaubar. Berufsinformationsveranstaltungen erreichen ihre Wirksamkeit durch zielgenaue Ansprache und intensive Beratung im kleinen Kreis (siehe zum Beispiel die Berufsinfobörse des RC Daun-Eifel). Berufsparcours bieten die Möglichkeit, sich praktisch an Aufgaben zu erproben. Intensive Coachingprojekte sind aufwendig, aber auch erfolgreich.
Peter Duryn
Wissenswert
Wenn man Ideen und Unterstützung sucht, wo findet man diese? In den Distrikten bei den Beauftragten für den Berufsdienst, distriktübergreifend im Arbeitskreis Werte.Bildung.Beruf. und natürlich auf der Berufsdienstseite: berufsdienst.org