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RC Görlitz

Von tiefen Gräben und gemeinsamen Projekten

RC Görlitz - Von tiefen Gräben und gemeinsamen Projekten
Der Saal im Dom Kultury war voll besetzt. Über Audiogeräte wurde simultan übersetzt. © Privat (2)

Der RC Görlitz unternimmt bei einem deutsch-polnischen Gesprächsforum eine Bestandsaufnahme der Beziehungen zwischen den Ländern. Und stößt auf viel Arbeit

01.05.2018

Es klingt wie ein Thema, über das man wohl tagelang debattieren und zu keiner einhelligen Meinung kommen könnte: „Die deutsch-polnischen Beziehungen in der Gegenwart. Eine Bestandsaufnahme.“ Und doch war das 1. Deutsch-Polnische Gesprächsforum des Rotary Clubs Görlitz genau so überschrieben.

Initiator und Moderator Andreas von Iwicki, der im rotarischen Jahr 2017/18 Präsident des RC Görlitz ist, hatte dazu vier renommierte Journalisten aus beiden Ländern eingeladen. Rund 100 deutsche und polnische Gäste fanden den Weg ins Dom Kultury in Zgorzelec, der polnischen Schwesterstadt von Görlitz.

Offener Schlagabtausch
Perfekt simultan übersetzt, erlebten die Zuhörer einen offenen Schlagabtausch, der hin und wieder sogar zu Applaus oder Kopfschütteln im Publikum führte. Zum Beispiel bei der Frage, ob sich die aktuelle polnische Regierung selbst von der EU isoliert oder von Brüssel in diese Position geschoben wird. Oder bei Fragen zur laufenden Justizreform im Nachbarland. „Wir wollen die korrupte Gesellschaft von Richtern und Rechtsanwälten erneuern“, sagte Aleksandra Rybinska, Politologin und Journalistin der Wochenzeitung „Sieci“ in Warschau, die früher auch für große deutsche Zeitungen geschrieben hat. „Man kann über den Stil dieser Reform sicherlich streiten, aber es ist höchste Zeit dafür. Keine Regierung zuvor hat das übernommen.“ Ewa Matkowska, Medienexpertin der Breslauer Universität, fügte noch hinzu, dass 80 Prozent der Polen diese Reform wollten - was im deutschen Publikum für einige Skepsis sorgte.

Und vielleicht ist genau das ein Hinweis auf ein grundlegendes Problem, das die Podiumsteilnehmer einen Großteil des Gesprächs beschäftigte. Die Berichterstattung über die politischen Vorgänge im Nachbarland sei jeweils völlig schief, oftmals sehr tendenziös. „Es gibt vielleicht auch zu wenige deutsche Journalisten, die Polnisch sprechen und Informationen aus erster Hand erhalten können“, versuchte sich Moderator von Iwicki in Neutralität. Recht deutlich wurde Matthias Krupa, Brüssel-Korrespondent der Wochenzeitung „Die Zeit“: Er berichtete von unbeantworteten Interviewanfragen an die polnische Regierung, von großen Vorurteilen gegenüber deutschen Journalisten, denen stets ideologische Motive vorgeworfen würden. „Das ist ein Irrweg.“ Zudem sei es äußerst schwierig, von DEN deutschen Medien zu sprechen. Und: „Wenn manches, was in Polen über Deutschland geschrieben wird, hier bekannt wäre, würde das das Verhältnis eher verschlechtern.“

Es gibt auch Erfolge
Da war es fast schon beruhigend, was Frank Seibel, Görlitzer Lokal- und Regionaljournalist der „Sächsischen Zeitung“, über das Zusammenleben vor Ort berichtete. Wie viel erreicht wurde in den vergangenen Jahren, wie anders die Lebenswirklichkeit der Menschen hier im Vergleich zur großen Politik ist. „Es ist ein grundsätzliches Problem, dass man zu wenig voneinander weiß. Die administrativen Strukturen sind in Polen völlig andere als bei uns in Deutschland.“ Das mache gemeinsame Projekte nicht gerade einfach.

Deutsch-polnisches Gesprächsforum, RC Görlitz, Görlitz, Zgorzelec
Die Experten-Gesprächsrunde nach dem Treffen

Dieses Deutsch-Polnische Gesprächsforum soll im Herbst 2018 mit einem zweiten Teil fortgesetzt werden. Dann an einem Veranstaltungsort auf deutscher Seite mit anderen Teilnehmern und anderem Thema.

Jenny Thümmler