https://rotary.de/gesellschaft/auf-hecht-in-den-hollaendischen-poldern-a-16470.html
Titelthema

Auf Hecht in den holländischen Poldern

Titelthema - Auf Hecht in den holländischen Poldern
Jagend zu angeln bedeutet, nicht auf den Fisch zu warten, sondern ihn zu finden – oft nach stundenlangem Wandern und Suchen. © Florian Läufer

Der Wind bläst, Jan Eggers lacht. Der niederländische Hechtpapst nimmt Sie mit ans Wasser. Langweilig wird es sicher nicht, aber anstrengend

Hans Van der Pauw01.08.2020

Ich könnte damit anfangen, mich in meinem besten Deutsch vorzustellen als irgendein fabelhafter Historiker aus dem Land von Frau Antje, aber hier in den Poldern bedeutet das nichts. Man bekommt nur ein verächtliches Gebrüll von den Kühen. Hier ist man nur ein nackter Mensch. Oder höchstens ein klein bisschen besser: ein Angler. Und die sind alle gleich. Schon viele Jahre habe ich diese sumpfigen Wiesen durchquert mit meinem alten Freund Jan Eggers – er ist der berühmte „Hechtpapst“, ich so etwas wie sein Sancho Panza. Angelnd haben wir zusammen gelacht, die Natur bewundert und sind, konzentriert nach Hechten spähend, unbemerkt in Kuhfladen getreten. Und inzwischen habe ich viel von ihm gelernt.

Wenn Jan und ich zusammen auf Hecht gehen, tun wir das meistens mit Jerkbaits. Ich bevorzuge eigentlich das subtilere Angeln mit leichten, dünnen Löffeln, aber das mache ich dann, wenn ich alleine Angeln gehe und wenn es nicht zu windig ist, denn sonst fliegen mir die leichten Köder um die Ohren. Jerkbaits also. Das sind für Hechte sehr wirksame Kunstköder. Jan und ich haben beide unsere Jerkbait-Ruten dabei, aber Jan hat noch eine Rute extra. Also, gehen Sie mit?

Sie fragen sich vielleicht, ob Angeln etwas für Sie ist. Wahrscheinlich kennen Sie nur den Anglertyp, der statisch am Wasser sitzt und wartet. Wartet und wartet. Aber wir werden jagend angeln: ständig suchen und laufen und lange Strecken machen, immer in Bewegung. Das ist anstrengender, als einen Nachmittag Golf zu spielen. Und manchmal auch etwas schmutziger. Aber es ist herrlich draußen in der Natur, wir sehen, hören und riechen sogar alles um uns herum – Wolken, Vögel, rauschendes Schilf, Wasserminze, Herbstblätter, das alles gehört ebenso zum Angeln wie die Fische.

Obwohl Jan und ich mit den gleichen Gedanken gefüllt sind, wird beim Angeln nur wenig gesprochen. Dafür sind wir am Wasser meistens auch zu weit voneinander entfernt. Und es passiert einfach zu viel, auch wenn nichts passiert, denn schließlich könnte in jedem Moment etwas passieren.

Na, da ist das Wasser schon. Die Jerkbaits werden an den Stahlvorfächern befestigt. Ich nehme wie so oft einen Salmo Slider. Das ist ein sich lebendig bewegender Köder, in den ich großes Vertrauen habe. Wenn ich ein Hecht mit ein wenig Appetit wäre, würde ich mir sofort einen solchen Slider schnappen! Falsche Logik natürlich. Dieser weitverbreitete Irrtum ist bekannt als ein Anthropomorphismus: das Zusprechen menschlicher Eigenschaften auf nichtmenschliche Wesen. Bei Anglern kommt er mindestens so häufig vor wie bei normalen Menschen, und man kann damit alle möglichen Missverständnisse schaffen. Machen Sie also keinen Fehler – was zählt, ist nicht, was der Angler attraktiv findet, sondern, was den Hecht anspricht. Ich werde oft daran erinnert, wenn Jan ruhig seinen Salmo Fatso auswirft. Es ist sein favorisierter Köder, er fischt fast immer damit. Dieser Fatso macht genau das, was man von so einem fettleibigen Köder erwartet: ohne Begeisterung eiert er etwas faul hin und her, ein bisschen wie eine nasse Zigarre. Mir gefällt es nicht. Aber Jans Fänge beweisen, dass der Hecht dazu eine ganz andere Meinung hat. Die Bedeutung des Vertrauens in einen bestimmten Köder sollte nicht unterschätzt werden. Vertrauensvoll zu angeln bedeutet, konzentriert zu angeln, und führt oft zu einem besseren Ergebnis.

Echtes Talent und glückliche Zufälle

Während wir jetzt doch über Vorlieben sprechen, eine kleine Anekdote: Es war ein kalter, aber glücklicher Tag im Februar, als mein Freund Jaap in Oostwoud einen sehr guten Hecht fing. Eine schwere Dame, knapp einen Meter lang. Sie nahm einen neun Zentimeter langen „Kuusamo Professor Löffel“ in der Farbe BLU/Li/O-C. Vergessen Sie diesen Farbcode sofort, aber glauben Sie mir, es war eine wirklich lächerliche Farbe: von Orange über Pink bis Blau. Wie so oft hatte Jaap aufgrund dieses denkwürdigen, aber völlig einzigartigen Ereignisses in seiner Begeisterung seine Schlussfolgerung sofort parat. Dieser Köder war ein absolut tödlicher Hechtköder! Von nun an würde er nur noch damit fi- schen. In einer Welt mit wenigen Sicherheiten ist es verlockend, so zu räsonieren. Aber nicht mit mir. Ich bleibe skeptisch. Ich glaube bestimmt an Löffelblinker, aber mein Glaube an Farben geht nicht weiter, als zögernd einen möglichen Unterschied zu erkennen in der Anziehungskraft zwischen hell und glänzend gegenüber dunkel und matt – zumindest an manchen Tagen und unter bestimmten Umständen. Für mich bleibt alles ungewiss.

Wir haben nun schon mehrere Stunden die Polder durchstreift und es ist ziemlich mühsam. Herrlich windiges und raues Wetter, das schon. Jan hat zwei Hechte gefangen, aber Sie und ich haben noch nichts gefangen. Wir versuchen es hier in diesem Teich noch einmal, bevor wir zurückgehen. Sie werfen Ihren Jerkbait aus, und ich sehe, dass Müdigkeit jetzt doch eine Rolle spielt. Mit langsamen

Schlägen holen Sie den Köder ein. Dann plötzlich ein starker Ruck in Ihren Händen. Ein starker Hecht hat sich Ihren Jerkbait geschnappt. Die Rute biegt sich, vorbei ist die Müdigkeit. Adrenalin schießt durch Ihre Adern! Der Hecht gibt zuerst ein paar verärgerte Rucke und steuert dann wie ein Schleppdampfer zum Schilf auf der anderen Seite des Teiches. Sie sehen sich ein bisschen ratlos um: „Was soll ich jetzt tun?“ „Bleib ruhig“, rate ich. „Ja, wie denn?“, antworten Sie aufgeregt. Da kommt schon Jan herbei und hilft mit einigen Ratschlägen.

Endlich kommt der Hecht näher. Aber er ist noch nicht fertig mit seinem Kampf. Zehn weitere Minuten dauert der Drill, dann gibt er auf und dreht sich auf die Seite. Ein sehr guter Fisch! Ich habe die Ehre, mich tief nach vorn beugen zu dürfen, um den Hecht zu greifen. Ich lenke das Stahlvorfach mit einer Hand und schiebe dann langsam meine andere Hand unter den Unterkiefer, und dann meinen Daumen fest gegen die Seite des Kiefers. Es bleibt immer etwas unheimlich, denn der Hecht hat Reihen von messerscharfen Zähnen. Nur ein kleiner Fehler und man hat eine hässlich verletzte Hand.

Endlich liegt der Hecht am Ufer. Jan schätzt ihn immer, bevor er ihn misst – nur so ein Spielchen. „88 Zentimeter“, sagt er, und dann folgt das Maßband. Satte 90! Sogar größer als beide Hechte von Jan, der für einen Moment mürrisch aussieht, dann aber lacht. Ich lache auch, obwohl mein Zähler immer noch auf null steht. Und Sie? Sie zittern ein bisschen, aber für das Erinnerungsfoto mit Ihrem Fisch zeigen Sie Ihr breitestes Grinsen. Ganz vorsichtig wird der Hecht dann wieder zurück ins Wasser gelassen, wie es in den Niederlanden üblich ist.

Und, hat es Ihnen gefallen? „Na klar, nach diesem schönen Hecht.“ Und, möchten Sie noch mal mit? Nein, nicht sofort morgen, das verstehe ich. Aber ich glaube doch, dass wir uns wiedersehen werden.

Hans Van der Pauw

Hans van der Pauw (1955) ist Historiker, spezialisiert auf den Zweiten Weltkrieg. Das friedliche Sportfischen sei ein gutes Gegenge- wicht dazu, sagt er. Er veröffentlichte mehrere Artikel über den Angelsport und seine Entwicklung, unter anderem in dem englischen, vierteljährlich erscheinenden Magazin Waterlog.