Nach der Pandemie
Aus Corona lernen heißt, eine bessere Zukunft gestalten
Wie kann es gelingen, die Zeit nach der Corona-Krise zu gestalten? Auf mindestens drei Feldern sollte es eine Neuausrichtung geben.
In vielen Lebensbereichen wird über die Nach-Corona-Zeit nachgedacht. Noch geht es dabei weitgehend um das Wann: Wann kann der Beginn jener Zeit ausgerufen werden?
Ebenso wichtig ist das Wie der Gestaltung jener Zeit. Auch dazu gibt es bereits Stimmen. Ich erkenne darin sehr weitreichende und allgemeine Appelle auf sozialethisch hohem Niveau (zum Beispiel nachhaltiges Wirtschaften als Überlebensziel unserer Gesellschaft, Solidarität mit den Schwächeren, Stärkung des Freiwilligen-Engagements, gesundheitsgerechter Umbau unserer Lebenswelten). Sie verklingen, wenn nicht konkrete Felder der Neuausrichtung des Handelns benannt werden.
Ohne Anspruch auf Vollständigkeit nenne ich deren drei:
Globalisierung und Autonomie
Globalisierung im Wirtschaftsleben hat uns – und nicht nur uns, sondern allen Beteiligten – viele Vorteile und Annehmlichkeiten gebracht. Auch der politische Effekt des Multilateralismus ist nicht zu unterschätzen: Aufeinander angewiesen sein ist ein friedensfördernder Impuls.
Die Kehrseite des Angewiesenseins ist die Abhängigkeit, und die erweist sich in Krisenzeiten als Verstärkerin der Notsituation. Wir haben das an deutlichen Lieferengpässen gemerkt. Besonders gefährlich, weil lebensbedrohend, können solche bei Arzneimitteln sein. Sie seien hier gemäß Frankfurter Allgemeiner Sonntagszeitung Nr.16 vom 19.4.2020, S.53, als Beispiel angeführt: Engpässe traten auf bei dem Narkotikum Propofol, aber auch bei anderen Arzneimitteln. Dahinter stecken Probleme an den Produktionsstätten im Ausland, insbesondere in China und Indien, teils weil diese Länder die Grundstoffe der Medikamente selbst dringend brauchten, teils weil dort Fabriken aufgrund von schwerwiegenden Defekten ausfielen.
Ich denke auch an die unfairen Verteilkämpfe auf asiatischen Flughäfen um medizinische Schutzkleidung.
Eine logische und notwendige Folgerung daraus ist, die Produktion in Deutschland beziehungsweise Europa wieder anzusiedeln. Firmen wie Hoechst und Bayer stünden bereit für Medikamente, Trigema oder der Branchenverband Plauener Spitzen für Schutzkleidung. Niedrigpreise werden sich dadurch nicht halten lassen. Aber Verlässlichkeit sollte uns das wert sein. Im Übrigen könnte es Europa im Verhältnis zum Globus durchaus stärken.
Präsenztage und Homeoffice
Es geht hier nicht um ein "Nicht", sondern um ein "sowohl – als auch". Ich beziehe mich auf berufliche Arbeitsprozesse, nicht auf Homeschooling, wiewohl vieles vom einen auf das andere übertragbar ist.
Präsenz am Arbeitsplatz ist wichtig. Hier ist im Allgemeinen ein Höchstmaß an Konzentration möglich, hier geht es auch um die abstandsnahe Kommunikation miteinander, die Gemeinschaft und Vertrauen schafft. Identifikation mit dem Betrieb ist nicht auf digitaler oder abstrakter Basis möglich.
Dennoch gibt es Dinge, die im digitalen Zeitalter auch in "Heimarbeit" erledigt werden können. Es sind vornehmlich Tätigkeiten in der Verwaltung und im Management. Der "Home-Officer" hat die Möglichkeit, seine Zeit individuell einzuteilen, Arbeit, Familie, Freizeit unter einen Hut zu bringen. Voraussetzung ist freilich, dass er sein Homeoffice selbstständig managen kann; heißt: eigener Arbeitsraum, Absprache mit Familie, garantierte Erfüllung der Arbeitsaufträge beziehungsweise -ziele. Großer Vorteil: Fahrten zum beziehungsweise vom Arbeitsplatz entfallen (manchmal insgesamt drei Stunden pro Tag). Weiterer Vorteil: Studien belegen, dass Effektivität und Produktivität der Arbeit im Honeoffice steigen, denn motivierte Mitarbeiter "sind grundsätzlich gerne produktiv" (Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, Nr.16 vom 19.4.2020, S.9).
Mehr Katastrophenschutzübungen
Wir erleben in diesen Tagen die Corona-Krise. Andere europäische Staaten haben die Corona-Katastrophe erlebt. Sie hätte uns auch treffen können. Und wir wären nicht vorbereitet gewesen, weil nie so ein Fall geprobt worden ist.
Nun kann man Katastrophen nur sehr begrenzt proben, weil das Verhängnis stets anders hereinbricht, als erwartet. Aber das Robert-Koch-Institut hatte 2013 ein Pandemie-Szenario beschrieben. Warum wurde daraus nicht ein Planspiel gemacht?
Katastrophenschutzübungen unter Einbeziehung von (Teilen der) Bevölkerung inszenieren die Katastrophe, was alles andere als angenehm ist. Daraus erklärt sich die Zurückhaltung gegenüber solchen Übungen. Aber letztendlich geben sie eine vorstellbare Prognose und für alle Beteiligten ein gewisses Maß an Sicherheit.
Bei aller Vorsorge führt uns jede Krise unsere Anfälligkeit, jede Katastrophe unsere Schutzlosigkeit vor Augen. Das Ausgeliefertsein gehört zu unserer Existenz. Darum gilt heute wieder – aktualisiert: "Gott schütze dieses Haus vor Wasser, Feuer, Sturm und bösen Viren."
Dr. Günter Scholz
RC Magdeburg