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"Der Wahlkampf wird hart"

Titelthema - "Der Wahlkampf wird hart"
Wolfgang Bosbach (RC Bergisch Gladbach) ist seit 1972 in der CDU und war von 1994 bis 2017 direkt gewähltes Mitglied im Deutschen Bundestag. © Peter Rigaud/Laif

Mit Markus Söder als Kanzlerkandidat hätte die Union bessere Chancen gehabt, davon ist Wolfgang Bosbach überzeugt. Zehn Jahre lang war er stellvertretender Vorsitzender der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und sein Wort hat noch immer Gewicht.

01.05.2021

Herr Bosbach, Armin Laschet wird für die Union als Kanzlerkandidat ins Rennen gehen. Wie bewerten Sie diese Entscheidung?

Ich bin heilfroh, dass endlich eine Entscheidung getroffen wurde und die Hängepartie jetzt vorbei ist. Ich hoffe sehr, dass CDU und CSU jetzt gemeinsam nach vorne blicken und nicht zurückschauen. Der Wahlkampf wird lang und hart, ab jetzt volle Konzentration auf die wichtigen Sachfragen.

Aber Sie hatten sich als CDU-Mann für Markus Söder ausgesprochen.

Sowohl Armin Laschet als auch Markus Söder sind erfahrene Politiker mit einer hohen Sachkompetenz und in ihren Bundesländern erfolgreiche Ministerpräsidenten. Es gab für beide Kandidaten gute Argumente. Das entscheidende Argument für mich persönlich war, dass wir nach allen Umfragen, die wir kennen, mit Markus Söder die deutlich besseren Chancen im Bundestagswahlkampf gehabt hätten. Wenn die Umfragen ein knappes Ergebnis gezeigt hätten oder es nur einzelne Umfragen gewesen wären, hätte man dieses Argument beiseitelegen können. Aber die erhobenen Daten waren monatelang die gleichen und der Vorsprung von Markus Söder sehr groß. In der derzeitigen Lage, in der sich die Union befindet, musste aus meiner Sicht die entscheidende Frage lauten: Mit wem haben wir die besseren Chancen? Hinzu kam eine große Unterstützung für Markus Söder, sowohl von der CDU-Basis als auch von vielen Bundestagsabgeordneten der CDU.

Liegt die geführte Auseinandersetzung auch darin begründet, dass die Union es versäumt hatte, vorab ein geordnetes Verfahren für die Kandidatenkür festzulegen?

Genau das ist der Grund. Man hatte wohl in der CDU zu lange geglaubt, Markus Söder würde unter keinen Umständen antreten, da er keine bundespolitischen Ambitionen hätte. Wir wissen seit  einiger Zeit, dass diese Einschätzung unzutreffend war.

Immer wieder wird davon gesprochen, dass die Union sich durch dieses Kandidaten-Schauspiel in der Pandemie selbst beschädigt hat. Fürchten Sie einen anhaltenden Imageschaden?

Mich beschäftigt im Moment weniger das Thema Image, als das Thema Erfolgsaussichten bei Wahlen. Trotz des Personalstreits hatte die Union Mitte April zunächst zugelegt, dann allerdings nach der Entscheidung zugunsten von Armin Laschet in wenigen Stunden demoskopisch deutlich an Zustimmung verloren. Eigentlich kann es jetzt nur noch aufwärts gehen. Bis zum 26. September ist noch viel Zeit. Der aktuelle Höhenflug der Grünen wird nicht anhalten und die Union wird sicher wieder deutlich zulegen. Hoffe ich zumindest.

Haben Sie keine Angst, die Union könnte nach der Wahl nicht mehr den Kanzler stellen, sondern auf diesem Stuhl sitzt dann Annalena Baerbock oder Olaf Scholz?

Ich bin seit 49 Jahren in der CDU. Mein erster Bundestagswahlkampf war 1972. Ich habe alles erlebt. Großartige Erfolge und bittere Niederlagen. Wer Angst hat, sollte es sich gut überlegen, ob er sich politisch engagiert. In einem Zeitraum von fünf, sechs Monaten kann sich sehr viel ändern. In der Geschichte der Menschheit ist das ein Wimpernschlag, in der Politik ist das ein sehr langer Zeitraum. Deswegen darf man nicht angsterfüllt sein. Man muss alles dafür tun, seine politischen Ziele zu erreichen. Ein Risiko, diese Ziele zu verfehlen, besteht immer. Das ist auch im Sport so. Ich gehe aber davon aus, dass die Union mit deutlichem Abstand stärkste politische Kraft bleiben wird.

Dennoch kann es ja sein, dass Mehrheiten jenseits der Union möglich sind. Zuletzt haben wir das bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz erlebt. Beschäftigt Sie nicht die Frage, ob am Ende nicht Grün-Rot-Rot oder Grün-Rot-Gelb auf uns zukommt?

Das ist ja gerade meine Sorge. Deswegen war ich von Anfang an für den Kandidaten mit den besseren Chancen. Es ist ja nicht in Stein gemeißelt, dass es jenseits der Union keine Mehrheiten geben kann. Das beste Beispiel ist doch mein Heimatbundesland Nordrhein-Westfalen. Dort regiert seit knapp vier Jahren die CDU mit der FDP. Hätte die Linkspartei bei der Landtagswahl nur 0,1 Prozent mehr bekommen, hätten wir jetzt Rot-Grün-Rot.

War das Gezerre um die Kanzlerkandidatur nur eine Momentaufnahme oder zeigte sich hier der derzeitige innere Zusammenhalt der Union?

Das war eine Momentaufnahme. Ich habe in 23 Jahren in der Unions-Bundestagsfraktion keinen Moment erlebt, bei dem man hätte sagen können, hier tritt die CSU gegen die CDU an. Wir arbeiten völig reibungslos zusammen. Die Situation hat mich an 1979 erinnert, als Ernst Albrecht und Franz-Josef Strauß Kanzler werden wollten und die Fraktion letztlich entscheiden musste, weil sich die beiden C-Parteien nicht einigen konnten.

Die SPD hatte Ihnen vorgeworfen, dass die Änderung des Infektionsschutzgesetzes sich so lange hinzog, weil die Union mit der Kanzlerkandidatenfrage beschäftigt war.

Ich kenne keine Bundestagssitzung oder Sitzung eines Fachausschusses, die abgesagt wurde, weil die Union über die Kanzlerkandidatenfrage debattierte.

Wie bewerten Sie persönlich die Performance der Partei in der Pandemiebekämpfung?

Das ist das eigentliche Problem! Die Menschen hatten auf ihrer Tagesordnung nicht ganz oben stehen, wer nun Kandidat der CDU wird, sondern die Bekämpfung der Pandemie und ihre gesundheitlichen, gesellschaftlichen, sozialen und ökonomischen Folgen. Das bewegt die Menschen. Wenn das Publikum das Gefühl hat, die Parteien beschäftigen sich mehr mit sich selbst als mit unserem Alltag, verlieren wir weiter an Vertrauen.

Hätte Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht früh unabhängig von der Europäischen Union Impfstoff einkaufen müssen?

Nein. Ich halte die Entscheidung für richtig. Ich bin der Überzeugung, Angela Merkel hat damals, als die Vier-Länder-Kooperation Deutschland, Frankreich, Italien und die Niederlande zugunsten der EU-Impfstoffkampagne zurückzog, auch nicht gedacht, dass sich die EU mit der Impfstoffbeschaffung viel zu viel Zeit lässt. Es gibt Situationen da passt das Sprichwort: Wie du es machst, machst du es falsch. Wäre sie bei der Vier-Länder-Kooperation geblieben, hätte sie sich dem Vorwurf ausgesetzt, da kaufen die reichen Länder der EU dem Rest den Impfstoff weg. Nun hat sie es der EU überlassen und dort mussten sich fast 30 Staaten untereinander abstimmen. Das ist ein langer, zäher Prozess. Festzuhalten ist: Die Impfstoffbeschaffung ist nicht gut gelaufen. Das würde jetzt nicht einmal mehr EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bestreiten.

Langes Ringen in der Kanzlerkandidatenfrage, schlechte Impfstoffbeschaffung – all das trägt dazu bei, dass die wichtigste Partei im wichtigsten europäischen Land in keinem guten Zustand ist. Tritt zudem in den letzten Monaten der Kanzlerschaft von Angela Merkel offen zutage, dass ihre Beziehung zur CDU nie eine echte Liebe war?

Die jetzige Situation von CDU und CSU hat nun wirklich nichts mit der Zuneigung von Angela Merkel zur CDU zu tun. Ich habe es für richtig gehalten, dass sie bewusst nicht den Eindruck vermittelt hat, dass sie entscheidet, wer ihr Nachfolger im Bundeskanzleramt werden soll. Das ist Sache der Parteien und nicht Sache der Amtsinhaberin. Es hätte viel Ärger gegeben, wäre auch nur der Eindruck einer nachhaltigen Einflussnahme entstanden.

Sie hat doch mit Annegret Kramp-Karrenbauer versucht, eine Nachfolgerin aufzubauen. Sie ist nur krachend gescheitert.

Deswegen ist es ja auch gut, dass Angela Merkel diesen Versuch nicht auch noch bei der Frage, wer wird Kanzlerkandidat der Union, gewagt hat. Es reicht eben nicht, wenn ein Amtsinhaber sagt, ich habe eine Favoritin oder einen Favoriten für die Nachfolge. Für Annegret Kramp-Karrenbauer hat es mir sehr leidgetan. Ich kenne sie aus der gemeinsamen Arbeit in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Sie ist wirklich hochanständig, menschlich äußerst angenehm. Ich halte sie auch für sehr kompetent und sie macht eine gute Arbeit als Bundesministerin für Verteidigung. Ich habe es bedauert, als sie ihr Amt abgab.

Für was genau steht die CDU eigentlich heute?

Die CDU steht insbesondere für den gesellschaftlichen und politischen Ausgleich miteinander ringender Interessen. Ich glaube, der CDU als Volkspartei ist es über viele Jahrzehnte hinweg zu verdanken, dass wir ein hohes Maß an politischer und gesellschaftlicher Stabilität haben. Darum beneiden uns viele andere Länder. Zweitens: Die Union weiß, Wohlstand schafft man nicht durch Umverteilung von oben nach unten, sondern durch Fleiß, Innovationen und Wettbewerbsfähigkeit. Drittens: Die CDU war und ist die Partei der Sicherheit. Das betrifft die äußere Sicherheit genauso wie die innere.

Hauptkonkurrent um Wählerstimmen sind derzeit die Grünen. Können die sich als zweite Volkspartei etablieren?

Für mich ist es erstaunlich, wie die Grünen in Umfragen zugelegt haben. Sie hatten auch ein sehr gutes Wahlergebnis in Baden-Württemberg. Ich habe es aber auch schon erlebt, dass die Grünen in Umfragen vor einer Wahl gut dastanden und bei der Wahl vieles relativiert wurde. Die Grünen haben im Moment den Vorteil der Geschlossenheit. Da bin ich von den Grünen traditionell ganz anderes gewohnt. Sie sind durch ihr Auftreten für ein bürgerliches Publikum durchaus interessant. Das Schrille einer Claudia Roth ist weg, das Aggressive eines Jürgen Trittin. Es dürfte nicht wenige im bürgerlichen Lager geben, die sagen, Annalena Baerbock und Robert Habeck sind im Umgang und vom Auftreten her doch ganz angenehm. Wer so denkt, sollte sich aber auch mal intensiv mit deren politischen Forderungen beschäftigen.

Das Gespräch führten Björn Lange und Florian Quanz.

Die ungekürzte Version des Interviews lesen Sie unter rotary.de/a17869