Titelthema
Die große Lust auf Billigfleisch
Der Siegeszug von Laborfleisch und Veggie-Alternativen bedroht die konventionelle Landwirtschaft. Oder etwa nicht? Ein Gespräch mit Joachim Rukwied.
Die konventionelle Fleischproduktion erhält zunehmend Konkurrenz. Auf der einen Seite wird derzeit viel Geld investiert, um vegetarische und vegane Fleischersatzprodukte auch für Fleischliebhaber interessant zu machen, auf der anderen Seite fließen Milliardeninvestitionen in die Entwicklung von Laborfleisch. Wie geht der Bauernverband mit dieser Entwicklung um?
Wir nehmen diese Entwicklung sehr ernst und beobachten das mit einer gewissen Sorge. Neue Trends sind die Regel, manche Entwicklung darf aber auch nicht überschätzt werden. Auch müssen wir differenzieren: Viele Produkte basieren auf Ersatzstoffen, die pflanzlich sind.
Das im Labor gezüchtete Fleisch wird auch Clean Meat genannt, weil es bis zu 90 Prozent weniger Wasser und Energie bedarf als die herkömmliche Fleischproduktion, darüber hinaus müssen keine Tiere sterben. Ein klarer ethischer und moralischer Vorteil, oder?
Nicht unbedingt, der Verzehr von Fleisch ist auch ein Stück Lebenskultur. Für künstliches Fleisch braucht es in der Herstellung ebenfalls Nährstoffe, die aus der Natur gewonnen werden. Dieses Fleisch kann derzeit nur mit Kälberserum als Nährlösung gezüchtet werden. Die Herstellung dieses Serums ist aber in Europa nicht ohne Grund, auch aus ethischen Gründen, verboten.
An Bratwurstständen der Supermarktkette Kaufland wurden bis vor wenigen Jahren Bratwürste für einen Euro angeboten. Auch heute verkaufen Discounter Grillgut und andere Fleischwaren zu Tiefpreisen. Wenn ein Kilogramm Schweinefleisch günstiger ist als ein Kilo Hundefutter, dann kann etwas nicht stimmen.
Wertschätzung hat auch etwas mit dem Preis eines Produktes zu tun. Wenn Fleisch billig angeboten wird, verliert es seinen Wert. Und nur mit einem angemessenen Preis, der auch bei den Landwirten ankommt, ist eine noch bessere Tierhaltung möglich. Wir haben deshalb schon vor Jahren gemeinsam mit dem Lebensmitteleinzelhandel die Initiative Tierwohl gegründet, die mehr Tierwohl auch bezahlt.
Müsste es nicht oberstes Ziel der fleischproduzierenden Betriebe sein, sich, ihrer Arbeit und ihren Produkten einen Wert zu geben?
Das dürfte zu höheren Produktpreisen, besseren Einkommen und faireren Bedingungen für die Mitarbeiter führen – und nicht zuletzt aufs Tierwohl einzahlen. Genau das wäre wünschenswert. Aber wir arbeiten in einem internationalen Markt und stehen im Wettbewerb mit Bauern in ganz Europa – teilweise in der ganzen Welt, wie etwa im Getreidehandel. Außerdem gilt nach wie vor das Prinzip von Angebot und Nachfrage. Die eigentliche Entscheidung wird an der Ladentheke getroffen. Und da stellen wir fest, dass in Deutschland vor allem zu günstigen Produkten gegriffen wird – ob uns das gefällt oder nicht.
Selbst Experten meinen, dass man keinen Unterschied schmeckt zwischen am Knochen gewachsenem und im Labor gezüchtetem Fleisch.
Für mich kommt ein gutes Stück Fleisch immer noch von einem gesunden Tier von einem Bauernhof. Regionalität bleibt für mich, auch aus Klimagesichtspunkten, unschlagbar.
In Deutschland bieten einige große Wurst- und Fleischproduzenten wie Rügenwalder Mühle und Branchenriese Herta Fleischersatzprodukte oder zumindest vegetarische Produkte mit großem Erfolg an. Schlägt sich das in rückläufigen Absatzzahlen bei konventionell produzierten Fleischprodukten nieder?
Der Fleischkonsum ist insgesamt leicht rückläufig. Aber für viele Menschen ist Fleisch ein Stück Genuss und Lebenskultur. Daher bin ich überzeugt, dass Fleisch von Tieren, die tiergerecht gehalten werden, auch in Zukunft nachgefragt werden wird.
Der Beyond-Meat-Burger aus den USA ist vor Kurzem nach Deutschland gekommen und war ruck, zuck ausverkauft. In den USA investieren fleischproduzierende Unternehmen massiv in die Entwicklung von vegetarischen oder veganen Fleischersatzprodukten, um nicht nur Veganer zu bedienen, sondern explizit Fleischliebhaber. Beunruhigt das Ihre Branche nicht?
Sicherlich wird es in Zukunft eine größere Auswahl von Fleischersatzprodukten geben. Zu einer ausgewogenen Ernährung gehören aus unserer Sicht Gemüse, Obst oder Brot, aber eben auch tierische Lebensmittel wie Milch, Käse oder Fleisch. Mit kreativen Innovationen werden die deutschen Landwirte gebraucht, denn auch die Ersatzprodukte und ihre Zutaten haben ihren Ursprung in der Landwirtschaft.
Die globale Fleischproduktion hat sich in den letzten 50 Jahren fast vervierfacht – von 84 Millionen Tonnen im Jahr 1965 auf 330 Millionen Tonnen im Jahr 2017. Und die weltweite Lust auf Fleisch wird weiter steigen. Ist es vor diesem Hintergrund nicht höchste Zeit für ein Umdenken in der Branche?
Inzwischen leben über sieben Milliarden Menschen auf der Erde, in wenigen Jahren sind es möglicherweise schon zehn Milliarden. Diese müssen ernährt werden. Unsere hohen Standards werden sich durch Forschung und Innovationen noch weiter verbessern, um die Menschen mit sicheren und bezahlbaren Lebensmitteln auch in Zukunft versorgen zu können. Tierhaltung in Deutschland entwickelt sich kontinuierlich unter Tierwohl-, Umwelt- und Klimaaspekten weiter. Gerade unter diesen Gesichtspunkten ist regionale Landwirtschaft nicht zu schlagen.
Das Gespräch führte Björn Lange.