Schwerpunkt Energiewende
Die Suche nach dem eigenen Weg
Die im Zuge der Energiewende geplante Errichtung von gewaltigen Stromtrassen quer durch Deutschland ist das große innenpolitische Thema dieses Frühjahrs. Zu diesem Thema äußern sich Kritiker dieses Vorhabens über ihre Bedenken und zu möglichen Alternativen.
Deutschland hat sich nach der Reaktorkatastrophe in Fukushima entschlossen, in Europa Vorreiter beim Ausstieg aus der Kernenergie und dem Umstieg ins Zeitalter der erneuerbaren Energien zu sein. Bundeskanzlerin Angela Merkel und auch ich haben damals der Diskussion Schwung gegeben und den Entschluss zur Energiewende auf den Weg gebracht. Die Energiewende hat sehr großen Rückhalt in der Bevölkerung. Bei allen unterschiedlichen Auffassungen in Detailfragen wird sie von einem breiten grundsätzlichen Konsens getragen. Das hat auch die jüngste Einigung aller Ministerpräsidenten mit der Bundesregierung zur Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) gezeigt. Das war ein politisches Meisterwerk und eine Sternstunde des Föderalismus. Es hat sich gezeigt, dass die Ländersouveränität der erfolgreichen Umsetzung der Energiewende keineswegs hinderlich ist, wenn alle Beteiligten konsensbereit sind.
Wir alle sind fest entschlossen, die Energiewende weiterhin konsequent umzusetzen. Denn das ist der einzig richtige Weg zu einer verantwortlichen und nachhaltigen Energieversorgung der Zukunft.
Die entscheidenden Aufgaben der Energiewende lauten: Abschaltung aller deutschen Kernkraftwerke bis 2022, Ausbau der erneuerbaren Energien und Gewährleistung von Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit sowie Umwelt- und Klimaverträglichkeit von Strom. Das sind große Herausforderungen für die Politik. Es gilt, die Energiewende so zu gestalten, dass die unterschiedlichen Interessen ausgeglichen werden, ohne die Erreichung der Ziele in Frage zu stellen. Dabei müssen der Bund und die Länder ihre jeweiligen Hausaufgaben machen.
Bei der Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit des Stroms müssen in diesem Jahr die notwendigen Entscheidungen auf Bundesebene getroffen werden. Dazu gehören vor allem die Änderungen im EEG für eine sachgerechte Förderung von Wind, Sonne und Biomasse sowie die Sicherstellung ausreichender Kraftwerksleistungen, damit auch Strom fließt, wenn Wind und Sonne nicht verfügbar sind. Und wir brauchen sachgerechte Regelungen zur Begrenzung der Lasten für stromintensive Unternehmen. Denn die Energiewende muss so gestaltet werden, dass dadurch keine Arbeitsplätze gefährdet werden. Allein in Bayern geht es hier um rund 100.000 Arbeitsplätze in 500 stromintensiven Betrieben.
Die Einigung aller Ministerpräsidenten und der Bundesregierung zur Reform des EEG war hier ein Meilenstein. Wir haben die Kostenexplosion bei der Ökostromumlage gestoppt und alle regionalen Interessen ins Gleichgewicht gebracht. Die EEG-Umlage als Bestandteil der Strompreise bleibt bis 2017 stabil. Das ist wichtig für unsere Arbeitsplätze und auch ein Gebot der sozialen Gerechtigkeit. Wir haben Verbesserungen für die Windkraft und die Biomasse erreicht. Vor allem mit der Lösung für die Nutzung der Biomasse kann Bayern sehr zufrieden sein. Wir wollen, dass die Biomasse gegenüber den anderen Energieträgern nicht benachteiligt wird. Biomasse hat einen entscheidenden Vorteil: Sie ist unabhängig von Wind und Wetter. Am Ende unserer Energiewende soll die Biomasse in Bayern etwa zehn Prozent des Stromverbrauchs sicherstellen.
Die verlässliche Sicherstellung der Stromversorgung ist für Bayern ein zentrales Anliegen. Wie das zu erreichen ist, muss jetzt im ersten Halbjahr 2014 gemeinsam mit dem Bund entschieden werden. Wir brauchen Antworten auf die Fragen, wo, wann und wie viel Strom künftig produziert und in die Netze eingespeist wird. Dabei steht außer Frage: Es ist unvereinbar mit den Zielen der Energiewende, die Leistung der nicht mehr gewollten deutschen Kernkraftwerke durch Atomstrom aus Frankreich oder Tschechien oder Kohlestrom aus dem Norden und Osten Deutschlands zu ersetzen. Zur Sicherstellung der Grundlastversorgung müssen wir andere Wege beschreiten. Bayern setzt daher bei der Versorgungssicherheit auf dezentrale Lösungen, also auch auf Erzeugungskapazitäten im Freistaat selbst. Dezentrale Lösungen haben klare Vorteile: Sie bedeuten mehr Sicherheit für eine verlässliche Stromversorgung und wirken sich positiv auf die Netzstabilität aus.
Um es deutlich zu machen: Bayern sagt uneingeschränkt „Ja“ zur Energiewende. Und wir sagen auch „Ja“ zum Netzausbau, wenn und wo er für die Versorgungssicherheit notwendig ist. Das zeigt die Thüringer Strombrücke. Sie wird seit 2009 geplant und ist völlig unabhängig von der Energiewende für die Stromstabilisierung notwendig. Bayern hat diese Strombrücke jederzeit unterstützt, denn wir haben an der Stabilität unseres Stromnetzes großes Interesse. Da die Menschen vor Ort die Notwendigkeit dieser Stromtrasse erkennen, hält sich der Widerstand gegen sie auch in Grenzen. Anders verhält es sich mit der Süd-Ost-Trasse, die im Zuge der Energiewende vom Raum Leipzig/Halle nach Bayern führen soll. Ihre Notwendigkeit sehe ich ebenso wenig wie die betroffenen Bürgerinnen und Bürger. Ihre Planung findet keine Akzeptanz. Deswegen wird diese Stromtrasse so auch nicht kommen.
Der Energiegipfel der 16 Ministerpräsidenten und der Bundesregierung zur Reform des EEG war ein Musterbeispiel, wie der Interessenausgleich in der föderalen Bundesrepublik Deutschland gelingen kann. Das stimmt zuversichtlich, dass dieses Meisterwerk insgesamt bei der Energiewende, auch bei der Realisierung des Netzausbaus, gelingen kann. Dazu gehören fachliche Vernunft, Ehrlichkeit in den Argumenten, Kompromissbereitschaft und der Wille zur Einigung. Es wäre nicht das erste Mal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, dass sich unser Land großen Reformen erfolgreich stellt. Das Gelingen der Energiewende wird Deutschland zum Vorbild bei der nachhaltigen und umweltfreundlichen Energieerzeugung machen und Ökologie und Ökonomie versöhnen.
Wir alle sind fest entschlossen, die Energiewende weiterhin konsequent umzusetzen. Denn das ist der einzig richtige Weg zu einer verantwortlichen und nachhaltigen Energieversorgung der Zukunft.
Die entscheidenden Aufgaben der Energiewende lauten: Abschaltung aller deutschen Kernkraftwerke bis 2022, Ausbau der erneuerbaren Energien und Gewährleistung von Versorgungssicherheit, Bezahlbarkeit sowie Umwelt- und Klimaverträglichkeit von Strom. Das sind große Herausforderungen für die Politik. Es gilt, die Energiewende so zu gestalten, dass die unterschiedlichen Interessen ausgeglichen werden, ohne die Erreichung der Ziele in Frage zu stellen. Dabei müssen der Bund und die Länder ihre jeweiligen Hausaufgaben machen.
KEINE ARBEITSPLÄTZE GEFÄHRDEN
Beim Ausbau der erneuerbaren Energien sind wir in Bayern schon sehr gut vorangekommen. Der Bund hat sich zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2020 35 Prozent des Stromverbrauchs aus erneuerbaren Energien zu beziehen. Mit rund 36 Prozent wird der Freistaat bereits in diesem Jahr diese Marke übertreffen. Und bis 2022 werden wir in Bayern 50 Prozent des Stromes mit erneuerbaren Energien erzeugen.Bei der Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit des Stroms müssen in diesem Jahr die notwendigen Entscheidungen auf Bundesebene getroffen werden. Dazu gehören vor allem die Änderungen im EEG für eine sachgerechte Förderung von Wind, Sonne und Biomasse sowie die Sicherstellung ausreichender Kraftwerksleistungen, damit auch Strom fließt, wenn Wind und Sonne nicht verfügbar sind. Und wir brauchen sachgerechte Regelungen zur Begrenzung der Lasten für stromintensive Unternehmen. Denn die Energiewende muss so gestaltet werden, dass dadurch keine Arbeitsplätze gefährdet werden. Allein in Bayern geht es hier um rund 100.000 Arbeitsplätze in 500 stromintensiven Betrieben.
Die Einigung aller Ministerpräsidenten und der Bundesregierung zur Reform des EEG war hier ein Meilenstein. Wir haben die Kostenexplosion bei der Ökostromumlage gestoppt und alle regionalen Interessen ins Gleichgewicht gebracht. Die EEG-Umlage als Bestandteil der Strompreise bleibt bis 2017 stabil. Das ist wichtig für unsere Arbeitsplätze und auch ein Gebot der sozialen Gerechtigkeit. Wir haben Verbesserungen für die Windkraft und die Biomasse erreicht. Vor allem mit der Lösung für die Nutzung der Biomasse kann Bayern sehr zufrieden sein. Wir wollen, dass die Biomasse gegenüber den anderen Energieträgern nicht benachteiligt wird. Biomasse hat einen entscheidenden Vorteil: Sie ist unabhängig von Wind und Wetter. Am Ende unserer Energiewende soll die Biomasse in Bayern etwa zehn Prozent des Stromverbrauchs sicherstellen.
Die verlässliche Sicherstellung der Stromversorgung ist für Bayern ein zentrales Anliegen. Wie das zu erreichen ist, muss jetzt im ersten Halbjahr 2014 gemeinsam mit dem Bund entschieden werden. Wir brauchen Antworten auf die Fragen, wo, wann und wie viel Strom künftig produziert und in die Netze eingespeist wird. Dabei steht außer Frage: Es ist unvereinbar mit den Zielen der Energiewende, die Leistung der nicht mehr gewollten deutschen Kernkraftwerke durch Atomstrom aus Frankreich oder Tschechien oder Kohlestrom aus dem Norden und Osten Deutschlands zu ersetzen. Zur Sicherstellung der Grundlastversorgung müssen wir andere Wege beschreiten. Bayern setzt daher bei der Versorgungssicherheit auf dezentrale Lösungen, also auch auf Erzeugungskapazitäten im Freistaat selbst. Dezentrale Lösungen haben klare Vorteile: Sie bedeuten mehr Sicherheit für eine verlässliche Stromversorgung und wirken sich positiv auf die Netzstabilität aus.
Keine voreiligen Massnahmen
Erst wenn wir die künftige Versorgungsstruktur geklärt haben, können wir auch die Frage des Netzausbaus sinnvoll beantworten. Es ist klar: Wenn Kernkraftwerke abgeschaltet werden, Off-Shore-Windparks in Nord- und Ostsee entstehen und große Solarfarmen die Landschaft bei der Energieerzeugung verändern, wird dies nicht ohne Auswirkung auf die Übertragungsnetze bleiben. Allerdings müssen wir hier die richtige Schrittfolge einhalten. Wir regeln jetzt die Rahmenbedingungen für die Entwicklung der Versorgungsstruktur, sie wird bis Mitte dieses Jahres feststehen. Dann müssen wir abgleichen, wo überhaupt ein Bedarf an neuen Stromleitungen besteht. Je mehr wir durch dezentrale Lösungen den Strom dort erzeugen, wo er gebraucht wird, desto weniger neue Übertragungsnetze werden benötigt. Es ist auch weder vom Zeitablauf erforderlich noch hat es Sinn, schon jetzt neue Stromtrassen konkret festzulegen, von denen niemand weiß, ob sie überhaupt benötigt werden. Zum Schutz unserer Landschaft und für die Akzeptanz der Energiewende bei den Bürgerinnen und Bürgern ist es notwendig, die Stromtrassenplanungen um ein paar Monate zurückzustellen. Wir haben deshalb in der großen Koalition durchgesetzt, die Entscheidungen zum Netzausbau auf der Grundlage der Daten zur aktuellen und künftigen Versorgungsstruktur noch einmal zu überprüfen.Um es deutlich zu machen: Bayern sagt uneingeschränkt „Ja“ zur Energiewende. Und wir sagen auch „Ja“ zum Netzausbau, wenn und wo er für die Versorgungssicherheit notwendig ist. Das zeigt die Thüringer Strombrücke. Sie wird seit 2009 geplant und ist völlig unabhängig von der Energiewende für die Stromstabilisierung notwendig. Bayern hat diese Strombrücke jederzeit unterstützt, denn wir haben an der Stabilität unseres Stromnetzes großes Interesse. Da die Menschen vor Ort die Notwendigkeit dieser Stromtrasse erkennen, hält sich der Widerstand gegen sie auch in Grenzen. Anders verhält es sich mit der Süd-Ost-Trasse, die im Zuge der Energiewende vom Raum Leipzig/Halle nach Bayern führen soll. Ihre Notwendigkeit sehe ich ebenso wenig wie die betroffenen Bürgerinnen und Bürger. Ihre Planung findet keine Akzeptanz. Deswegen wird diese Stromtrasse so auch nicht kommen.
NUR GEMEINSAM MIT DEN BÜRGERN
Die Energiewende kann nur gelingen, wenn wir sie gemeinsam mit den Bürgerinnen und Bürgern umsetzen. In unserer modernen aufgeklärten Demokratie funktioniert es nicht, große Projekte mit der Brechstange umzusetzen, von deren Notwendigkeit die Menschen nicht überzeugt sind. Und genauso wichtig ist der Schutz von Natur und Landschaft. Der Ausbau der erneuerbaren Energien muss raum-, natur- und landschaftsverträglich erfolgen. Auch das ist entscheidend für die Akzeptanz in der Bevölkerung. Daher hat sich Bayern mit allem Nachdruck für eine Öffnungsklausel im Baugesetzbuch eingesetzt, die es den Ländern ermöglicht, die Abstände zwischen der Wohnbebauung und Windkraftanlagen zu regeln. In Bayern soll dieser Abstand grundsätzlich das Zehnfache der Gesamthöhe einer Windkraftanlage betragen. Damit wollen wir eine „Verspargelung“ unserer Landschaft verhindern. Die Kommunen können hiervon jedoch durch kommunale Bebauungspläne Ausnahmen zulassen. Das stärkt die kommunale Planungshoheit. Denn über die Lage von Windkraftanlagen wird damit letztlich dort entschieden, wo die Menschen unmittelbar betroffen sind. Diese Lösung ist ein guter Ausgleich der unterschiedlichen Interessen. Einerseits tragen wir der Sorge um das Landschaftsbild Rechnung, gerade bei immer größer werdenden Anlagen. Andererseits bleibt aber auch die Chance einer wirtschaftlichen Energiewende gewahrt.Der Energiegipfel der 16 Ministerpräsidenten und der Bundesregierung zur Reform des EEG war ein Musterbeispiel, wie der Interessenausgleich in der föderalen Bundesrepublik Deutschland gelingen kann. Das stimmt zuversichtlich, dass dieses Meisterwerk insgesamt bei der Energiewende, auch bei der Realisierung des Netzausbaus, gelingen kann. Dazu gehören fachliche Vernunft, Ehrlichkeit in den Argumenten, Kompromissbereitschaft und der Wille zur Einigung. Es wäre nicht das erste Mal in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, dass sich unser Land großen Reformen erfolgreich stellt. Das Gelingen der Energiewende wird Deutschland zum Vorbild bei der nachhaltigen und umweltfreundlichen Energieerzeugung machen und Ökologie und Ökonomie versöhnen.
Horst Seehofer war von 2008 bis Anfang 2019 Vorsitzender der CSU und ist seit März 2018 Bundesminister des Innern, für Bau und Heimat. Von 2008 bis 2018 war er Ministerpräsident des Freistaates Bayern und gehörte von 2013 bis 2018 dem Bayerischen Landtag an.
seehofer-direkt.de