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Es kann nur schlimmer werden
In den Umfragen vor den Parlamentswahlen in Polen liegt die rechtspopulistische Partei Recht und Gerechtigkeit in Führung. Doch das ist nicht die schlechteste Nachricht in diesem Wahlkampf.
Erstens: Unterstützen Sie den Verkauf von Staatsvermögen an ausländische Unternehmen, was zum Verlust der polnischen Kontrolle über strategische Wirtschaftssektoren führt? Zweitens: Unterstützen Sie die Erhöhung des Rentenalters? Drittens: Unterstützen Sie die Beseitigung der Barriere an der Grenze zwischen der Republik Polen und der Republik Belarus? Viertens: Unterstützen Sie die Aufnahme von Tausenden illegaler Einwanderer aus dem Nahen Osten und Afrika nach dem von der europäischen Bürokratie auferlegten Zwangsumsiedlungsmechanismus?
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Dies sind die Fragen, die in dem von Polens regierender rechtspopulistischer Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) angekündigten Referendum gestellt werden sollen. Wären sie von einem Soziologiestudenten in einer Prüfung für Meinungsforschung formuliert worden, wären sie sicherlich durchgefallen. Denn sie beruhen auf fragwürdigen Annahmen und sind emotional aufgeladen, so dass sie bereits die erwünschten Antworten suggerieren. Doch die Behörden wollen die Öffentlichkeit gar nicht befragen. Das Referendum, das die Parlamentswahlen im Oktober begleiten soll, verfolgt ganz andere Ziele.
Eine Warnung an die Wähler
Erstens wird erwartet, dass das Referendum die Wahlbeteiligung erhöht. Unter der knappen Hälfte der Polen, die normalerweise nicht zur Wahl gehen, wird es sicherlich einige geben, die doch gehen, um ihre Ablehnung der illegalen Einwanderung zum Ausdruck zu bringen – und es ist unwahrscheinlich, dass sie ihre Stimme für liberale Parteien abgeben werden. Zweitens bietet die Abstimmung eine Möglichkeit, das Wahlkampfbudget der Regierungspartei zu erhöhen, das sich – wie die Fragen des Referendums – um den Slogan "eine sichere Zukunft für die Polen" dreht. Drittens und letztens ist es eine Warnung an die Wähler vor dem, was sie angeblich erwartet, wenn sie für den Hauptkonkurrenten der PiS, die liberale Bürgerkoalition, stimmen.
Die Werbespots für das Referendum sind ein populistisches Meisterwerk. Bilder von brennenden Pariser Vorstädten werden von archivierten Aussagen liberaler Politiker begleitet, die meist aus dem Zusammenhang gerissen sind. Dem Zuschauer wird eingeredet, dass nur die Partei, die an der Macht ist, Polen vor den im Hintergrund lauernden Bedrohungen schützen kann. Während Polen in den vergangenen Jahren von der LGBTQ-Bewegung, der "Gender-Ideologie" oder von Wissenschaftlern bedroht wurde, die die Mitschuld der Polen am Holocaust erforschten, kehrt die PiS heute zu ihren Wurzeln zurück – sie sät Angst vor Migranten. Es war unter anderem die Fremdenfeindlichkeit, die die Partei 2015 an die Macht brachte. Die Rückkehr zu dieser Strategie ist heute besonders perfide.
Waren es 2015 vor allem Ukrainer, die nach Polen auswanderten, so findet man heute Inder, Nepalesen, Bangladescher oder Zentralasiaten auf den Straßen polnischer Städte und Gemeinden. Viele von ihnen sind dunkelhäutig und einige sind Muslime. Nach Angaben der OECD ist Polen bereits 2017 zum weltweiten Spitzenreiter bei der Einfuhr von Saisonarbeitskräften geworden. Wie in Westdeutschland in den 1960er Jahren bieten die Behörden ihren Gastarbeitern keine Integrationspolitik an und gehen davon aus, dass sie nach Ablauf ihres Vertrags in ihre Heimatländer zurückkehren werden.
Der Vorsprung der PiS schmilzt
Der Kampf gegen die illegale Einwanderung hingegen wird von der PiS-Partei in einer öffentlichkeitswirksamen, aber mäßig effektiven Weise geführt. Die Mauer an der polnisch-belarussischen Grenze und das illegale Zurückdrängen von Migranten nach Belarus haben die dortige Migrationsroute nicht geschlossen, die 2021 auf Anregung des belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko geschaffen wurde. Auch aus der Slowakei kommen Asylbewerber nach Polen. In der ersten Hälfte des Jahres 2023 erreichten mehr als 14.000 Migranten Deutschland von polnischem Territorium aus.
Der Vorsitzende der politischen Opposition, Donald Tusk, rief zum Boykott der Abstimmung auf.
"Ich erkläre dieses Referendum feierlich für ungültig", sagte er gegenüber den Medien. "Wir werden nicht zulassen, dass sich Polen an hässliche Methoden, an Gaunerei in der Politik, an den schändlichen Einsatz von Menschen, Geld und Ressourcen durch die Regierungspartei gewöhnt", fügte er hinzu. Und Premierminister Mateusz Morawiecki kommentierte: "Sie können das Referendum in Deutschland annullieren, Herr Tusk, wenn Ihre Freunde in Berlin es Ihnen erlauben."
Die Äußerung des Ministerpräsidenten weist auf einen weiteren Feind Polens im Jahr 2023 hin, nämlich Deutschland. Es ist nicht das erste Mal, dass die PiS-Partei versucht, Tusk mit einer antideutschen Note zu diskreditieren. Im Präsidentschaftswahlkampf 2005 wurde er wegen seines "Großvaters aus der Wehrmacht" (der als ethnischer Kaschube zur Nazi-Armee eingezogen wurde) verleumdet. In den darauffolgenden Jahren wurden die polnischen Liberalen von der Rechten als hilflose Vollstrecker deutscher Befehle dargestellt, wobei Berlin und Brüssel gleichgesetzt wurden. Diese Art der Verunglimpfung kam jedoch nur beim harten Kern der PiS-Wählerschaft an – älteren, wenig gebildeten Menschen. Viele von ihnen halten das von Nazideutschland verursachte Unrecht in Ehren, andere haben die antideutsche Propaganda der Volksrepublik Polen verinnerlicht.
Dies änderte sich mit dem Ausbruch eines umfassenden Krieges in der Ukraine, der in weiteren Kreisen der polnischen Gesellschaft eine Distanz zu Deutschland auslöste.
Kulturelle Codes aus dem Zweiten Weltkrieg waren hier am Werk, vor allem die Erinnerung an die deutsch-russischen Verschwörungen über die Köpfe der Völker Osteuropas (der so genannte Molotow-Ribbentrop-Pakt). Das bedeutet natürlich nicht, dass sich ganz Polen der antideutschen Propaganda der PiS anschließt. Vorbei sind jedoch die Zeiten, in denen jede Kritik an Deutschland in liberalen Kreisen als rechtsradikale Spinnerei empfunden wurde. Die PiS versucht, aus diesem Gefühlskreis so viele Stimmen wie möglich herauszuholen.
Die Regierungspartei liegt zwar in den Umfragen vorn, aber es ist unwahrscheinlich, dass sie eine eigenständige Regierung bilden kann, wie es ihr in den beiden vorangegangenen Legislaturperioden gelungen ist, als die hervorragende Wirtschaftslage und die Erfüllung sozialer Versprechen für ein starkes Mandat sorgten. Finanzielle Transfers für Familien (allen voran das Programm 500+, also das polnische Kindergeld) und eine Erhöhung des Mindestlohns ermöglichten den Aufstieg derjenigen, die zuvor als "Verlierer der Transformation" bezeichnet wurden – nämlich Teile der Mittelschicht. Nachdem jahrelang die Arbeitslosigkeit wütete, während die Politiker zum Sparen aufriefen, erschien die PiS-Regierung vielen wie eine Erlösung. Nimmt man noch den (pseudo-)emanzipatorischen Diskurs des "Aufstehens" und den effizienten Einsatz von Fokusgruppen hinzu, erhält man das Erfolgsrezept der PiS. Auch äußere Umstände halfen, etwa die Coronapandemie und später der Krieg in der Ukraine, der die Polen in besonderer Weise berührt.
Es ist eine politische Binsenweisheit, dass sich die Bürger im Angesicht der Gefahr um die Macht scharen und sich nur ungern verändern.
Das Erstarken der Konföderation
Die Unterstützung der Partei ist im letzten Jahr zurückgegangen und schwankt zwischen 30 und 35 Prozent. Dies ist die Folge der wirtschaftlichen Rezession und der starken Inflation, die mit fast 20 Prozent ein Rekordhoch erreicht hat. Die untere Mittelschicht verarmt, und die Ankündigung weiterer Geldtransfers beeindruckt die daran gewöhnte Gesellschaft nicht mehr. Einige ehemalige PiS-Wähler werden nicht zur Wahl gehen, andere werden für die rechtsextreme Konföderation stimmen. Die Konföderation ist eine Verbindung zwischen Nationalisten und Libertären im Stil der amerikanischen Tea Party. Bis vor einem Jahr gehörte sie zur politischen Folklore, in den letzten Monaten hat sie an Stärke gewonnen. Sie zieht mit ihrem marktwirtschaftlichen Radikalismus konservative Geschäftsleute an, die der Sozialpolitik der PiS kritisch gegenüberstehen; sie weist die polnische Wilkommenskultur gegenüber ukrainischen Flüchtlingen zurück. Die meisten Umfragen sehen die Konföderation auf dem dritten Platz mit einem Ergebnis zwischen zehn und 15 Prozent.
Der zweite Platz geht an die liberale Bürgerkoalition mit einem Ergebnis von 25 bis 30 Prozent. Angesichts des schlechten Abschneidens der anderen prodemokratischen Parteien wird dies jedoch nicht ausreichen, um eine Regierung zu bilden, auch nicht in einer breiten Koalition. Wer auch immer die Wahl gewinnt, wird sich wohl mit der Konföderation auseinandersetzen müssen.
Wer koaliert mit wem?
Denn ja, die PiS zerstört seit zwei Legislaturperioden die junge polnische Demokratie, politisiert die Gerichte und die Medien in einem noch nie dagewesenen Ausmaß. Sie greift auf nationalistische Rhetorik zurück, spaltet die Gesellschaft und sündigt mit anti-intellektuellen Ausbrüchen. Sie ist jedoch nicht die typische rechtsextreme Partei wie die deutsche AfD. Sie spielt keine impffeindlichen Töne, sie schürt keine Ressentiments gegen ukrainische Flüchtlinge nach Kreml-Manier und sie flirtet nicht mit Antisemiten.
Die Konföderation in Polen ist aber genau so eine Partei. Es ist durchaus möglich, dass die PiS die Wahlen gewinnt, sich aber nicht mit der Konföderation vertragen wird – Differenzen in der Finanzpolitik stehen im Weg. Die Demokraten werden in dieser Situation allerdings nichts zu lachen haben. Ein politisches Bündnis von der Linken bis zur extremen Rechten – wenn es denn zustande käme – würde nicht sehr lange halten, vor allem nicht in solch turbulenten Zeiten. Es würde wahrscheinlich mit der Rückkehr einer gestärkten PiS-Partei an der Macht enden, so wie es mit dem Likud in Israel im Jahr 2022 geschah. Wer weiß, ob in dieser Situation nicht eine dritte unabhängige Amtszeit der PiS das optimistischste Szenario ist.
Der Stern der Partei verblasst, ihre Wählerschaft stirbt aus und die Wirtschaft steht vor schwierigen Jahren. Dies ist sicherlich eine bessere Vision als die der Eidgenossen an der Macht, und eine unabhängige demokratische Regierung ist die unwahrscheinlichste Variante von allen. Der einzige – wenn auch spärliche – Trost ist, dass ganz Europa vor einer politischen braunen Welle steht.
Kaja Puto ist Journalistin und Redakteurin mit dem Schwerpunkt Osteuropa. Się ist Mitarbeiterin der Krytyka Polityczna und des Berliner Vereins n-ost. Preisträgerin des polnisch-deutschen Tadeusz-Mazowiecki-Journalistenpreises 2020, nominiert für den Grand Press 2019. Die Kulturwissenschaftlerin und Philosophin studierte in Krakau, Berlin und Tiflis.